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Windparkfonds: Luftige Renditen

Das Geschäft mit der Windkraft boomt. Auf den ersten Blick versprechen die staatlichen Subventionen für Ökostrom nahezu sichere Erträge. Doch neben seriösen Fonds buhlen auch Anbieter mit zweifelhaften Absichten um das Geld der Anleger. Wie kann der der Anleger zwischen dubiosen und seriösen Angeboten unterscheiden?

Auf der letzten Gesellschaftersitzung erschien Udo Bockemühl, Vorstand der Ökologik Ecovest AG, mit zwei Anwälten und einem Wirtschaftsprüfer. Im sonst so friedliebenden Frankfurter Ökohaus K3 wollte der Geschäftsführer des Energie-Wende-Fonds III in Geisleden kein Risiko eingehen und die aufgebrachten Investorenschar mit einem Prüfbericht über seine Arbeit beruhigen.

Immerhin fehlte Geld im Fonds – und die versprochenen Gewinne eh. Doch die Kommanditisten, die insgesamt 5,8 Millionen Mark in das Projekt gesteckt hatten, schnitten Bockemühl das Wort ab und setzten ihn mit 95,2 Prozent der Stimmen vor die Tür. Bevor der Geschasste die Runde verließ, bediente er sich noch auf Rechnung des Fonds – am kalten Buffet.

Vier Wochen bekam Bockemühl Zeit, die von der AG aus dem Fonds „geliehenen“ 540.000 Mark wieder zu beschaffen. „Cash-Pooling“ nennt es Bockemühl, wenn er aus Fonds Darlehen entnimmt, um Ertragsschwankungen unter einzelnen Fonds der Ökologik AG auszugleichen. Weil das Geld aber bis heute nicht zurückgezahlt wurde, gehen die Investoren vor Gericht. Der AG, die angeblich 2002 an die Börse will, stehen schwere Zeiten bevor. Die geschädigten Investoren schließen weitere Klagen auf Schadensersatz nicht aus. Erst vor wenigen Wochen war die Ökologik bereits in erster Instanz verurteilt worden, 772.000 Mark an einen anderen Fonds zurückzuzahlen.

Immer mehr Betrugsfälle

Weil aber übereifrige Steuersparer zu sehr auf schnelle Fiskuseffekte achten und zu wenig auf nachhaltige Erträge, weil zudem Ökoidealisten ihr Geld blauäugig in vermeintlich saubere Energien stecken, dreht sich das Betrugsrad immer schneller. Vor allem die weit verbreitete personelle Verquickung von Fondsinitiatoren, Betreibern und Anlagenherstellern sorgt für Ärger. „Das ist eine gefährliche Entwicklung für die gesamte Branche“, warnen inzwischen auch die Experten des Bundesverbandes Windenergie.

Beim Windpark Geisleden kamen die Probleme ans Licht, weil der Anleger Hans-Georg Fromme als Ingenieur die technischen Details der Windanlagen verstand und zu interpretieren wusste. Geisleden, klagt der pensionierte Anlagenbauer, habe schlechte elektrische Steuerungen, der Getriebelieferant habe schlicht Fehler gemacht. Neben permanenter Windstille ist dies das Schlimmste für jeden Windanlageninvestor. Die Windräder stehen, die Einnahmen bleiben aus. Die Grundrahmen müssen für viel Geld ausgetauscht werden, wie zuvor sämtliche Getriebe. Das wäre nicht so schlimm, wenn Versicherungsverträge dieses Risiko abdecken würden. Die aber existierten für den Fonds nicht.

Die Verkaufsprospekte stellen die Risiken oft nur unzureichend dar. Dagegen werben Initiatoren immer wieder mit der hohen „Verfügbarkeit“ der Anlagen. Ob eine Windanlage erst bei voller Drehung ausgelastet ist oder schon, wenn nur ein Windhauch die Räder anstupst, wird nicht erklärt. Windige Angebote zeichnen sich oft dadurch aus, dass die Betreiber Prototypen einsetzen oder schlechte Anlagen unterhalb ihrer Leistungsgrenze fahren. Der Gewinn der Investoren sinkt, aber der Betreiber erspart sich so einen hohen Verschleiß und teure Instandhaltungsarbeiten. Der Kostenfaktor „Wartungen und Reparaturen“ wird so in vielen Prospekten von vornherein niedriger angesetzt, als eigentlich notwendig.

Das Deutsche Windenergie-Institut hat ermittelt, dass über 20 Jahre gerechnet rund 60 Prozent der Fondsgelder in die Anlagen reinvestiert werden müssen. Konsequenz: Die in den Prospekten versprochenen Renditen sind auf Dauer nicht zu halten.

Der Anleger merkt das viel zu spät. In der Regel zeigt sich frühestens nach vier Jahren, welche Kosten auf den Fonds zukommen. Die Prospekthaftung gilt nur drei Jahre. Gute Chancen für Fondsinitiatoren, mit niedrig angesetzten Wartungskosten den Fonds für den Verkauf schön zu rechnen und sich am Ende ohne Schadensersatzverpflichtung aus der Affäre zu ziehen.

Wohin mit all den Windanlagen?

Bundesweit rotieren mittlerweile fast 10.000 Windanlagen, bis Ende des Jahres rechnen Experten mit Fondsinvestitionen von insgesamt 5,3 Milliarden Mark. Nachteil dieses Booms: Auf dem Festland bleiben kaum Standorte, an denen es sich lohnt, Windanlagen aufzustellen. Die meisten Angebote dürften daher schlechter sein als die Fonds der ersten Stunde. Lediglich auf dem Meer liefern Offshore-Windanlagen noch reichlich Strom. Aber dort müssen wesentlich teurere Anlagen aufgestellt werden, sodass wiederum Vorsicht geboten ist.

Im Fall Geisleden bläst zwar ein anständiger Wind auf dem Parkgelände. Allerdings haben die Initiatoren die erforderlichen Reparaturkosten viel zu niedrig angesetzt. Der so genannte Parkwirkungsgrad, Indikator für die Leistungsfähigkeit der Anlagen an dem Standort, wurde im Prospekt zu hoch angesetzt. Das geht aus internen Schreiben der Beteiligten hervor: „Damit kommen insgesamt über den Projektverlauf von 20 Jahren und unter Berücksichtigung der Strompreissteigerung zirka 1,45 Millionen Mark zusätzlich in die Kasse“, teilte die damalige Planergesellschaft Enersys der Ökologik mit. Entsprechend wies der Prospekt eine um 0,5 Prozentpunkte höhere Verzinsung des Kommanditistenkapitals aus. So entstehen luftige Renditen.

„Bei uns mehren sich Anrufe von Kommanditisten zahlreicher Fonds, dass Prospekte nicht mit der Realität übereinstimmen“, sagt Carlo Reeker vom Bundesverband Windenergie. Bis zu 30 Prozent seien Versprechen überhöht. „Die wenigsten machen sich vor einem Engagement die Mühe, den Prospekt Punkt für Punkt durchzugehen“, warnt er. Bei der Rentabilität sei größte Vorsicht von Nöten: Liegt die Investition im Verhältnis zum Ertag, also den Kilowattstunden pro Jahr, höher als 1,30 Mark, stimme oft etwas nicht. Höhere Werte seien nur in Ordnung, wenn die laufenden Kosten des Windparks niedriger als üblich seien.

Neue Qualitätskontrollen

Inzwischen hat der Verband einen Qualitätsprüfer eingestellt, um vor schwarzen Schafen zu warnen. Ein Ratgeber hilft, vor einer Investition jedes Angebot zumindest im Ansatz zu prüfen . Ein wichtiger Punkt: Wurde die Leistungskurve, also der Ertrag je nach Windstärke, noch mal vor Ort nachgemessen?

Ebenso wichtig ist, dass Hersteller und Betreiber nicht miteinander verbandelt sind. Solche Konstruktionen sind in der Branche üblich – meist, weil es die Anleger stillschweigend hinnehmen. Selbst die Großen wie Enercon haben eigene Betreibergesellschaften gegründet. Kleinen Anbietern fehlt aber oft das Know-how.

Den Park Geisleden etwa hat die Ökologik aufgelegt, der Aufsichtsratvorsitzende heißt Rainer Bökmann. Er hatte die liefernde Herstellerfirma, die Wind Strom Frisia, und die Planer- und Betreibergesellschaft Enersys gegründet. „Die haben in der Planungsphase schon den ersten Reibach gemacht“, mutmaßt Geisleden-Kommanditist Fromme heute. „Störungen und Ausfälle der Anlagen wurden immer wieder vertuscht.“ Entschädigungen? Fehlanzeige. Fast eine Million Mark, rechnet Fromme, haben Anleger als Kommanditisten verloren. 2003 sollte die erste halbe Million verdient werden, doch davon wagt kein Investor mehr zu träumen.

Groß war die Freude der Kommanditisten, als sie nach der Gesellschafterversammlung erfuhren, dass neben der Planer- und Betriebsführungsgesellschaft vor allem die Herstellerfirma seit Ende 1998 an die potente Neue Energie Verbund AG (Nevag) verkauft worden war – auch wenn der Nevag-Gründer wieder Bökmann hieß. Zumindest leitet nicht mehr er, sondern ein gestandener Ingenieur die Herstellerfirma. Gute Anlagen würden nun gebaut und Software installiert, mit der die Anlagen Tag und Nacht überwacht werden, loben die Kommanditisten nach einer Betriebsbesichtigung. Allerdings will die Nevag die Schäden von 850.000 Mark nicht komplett übernehmen, die durch die anfänglichen Betriebsstörungen im Park entstanden waren.

Per Beschluss haben die Anleger Geschäftsführer und Bökmann-Freund Bockemühl sowie die von der Nevag übernommenen Betriebsführungsgesellschaft Enersys gewechselt, um den Branchenfilz zu beenden. „Die Nonchalance der Vergangenheit machen wir nicht mehr mit“, sagt Kommanditist Fromme. Nun hofft er auf Schadensersatz für die verpatzten Jahre.


Fonds-Check

Wichtige Fragen, die ein Anleger vor der Beteiligung an einem Windkraftfonds klären sollte:

Verfügt der Initiator über Erfahrungen in Errichtung, Finanzierung und Betrieb von Windkraftanlagen?

Hat ein Wirtschaftsprüfer den Prospekt geprüft?

Wurden zu den Windverhältnissen am Standort zwei unabhängige Windgutachten erstellt?

Verfügt die Windkraftanlage über eine so genannte vermessene Leistungskennlinie, an der sich die Ertragschancen abschätzen lassen?

Sind die Anlagen marktreif oder handelt es sich um Prototypen?

Fließen mindestens 85 Prozent der Investitionssumme in die Windkraftanlage?

Wurde die gesetzlich vorgeschriebene Absenkung der Stromeinspeisevergütung von 17,8 auf 12,1 Pfennig je Kilowattstunde berücksichtigt?

Werden von Beginn an ausreichende Rückstellungen für Reparaturen und den späteren Rückbau der Anlagen gebildet?

Werden die laufenden Kosten für die Betriebsführung und Verwaltung detailliert und in ausreichender Höhe ausgewiesen?

Wird ein ausreichender Sicherheitsabschlag von mindestens zehn Prozent berücksichtigt, um windschwache Zeiten zu überbrücken?

29.06.2001 - 21.32
(c) WirtschaftsWoche heute 2001


Kommentar:

das genannte nicht zu überschreitende verhältnis von 1,3 als faktor investition zu jahresertrag wird freilich nie überschritten.bei realistischen herstellungskosten von 1 700 mark je installierets kilowatt und 1 700 vollaststunden jährlich ist der faktor sogar nur 1,0. der faktor 1,3 würde erreicht, wenn es nur 1 600 vollaststunden gäbe und herstellungskosten von 2 080 mark je installierets kilowatt (2080 : 1600 = 1,3). aber so teuer sind die wka nicht mehr. die herstellungskosten haben sich seit inkrafttreten des stromeinspeisunsggesetzes 1990 halbiert, die einspeisunsgvergütung wuchs. das ist so, wie wenn das bauen billiger wird und die mieten steigen. die branche selbst nennt heute herstellungskosten von 1600 mark je installiertes kilowatt.

grundsätzlich muß schon miserabel gewirtschaftet werden, um überproportionale renditen nicht abzuschöpfen. die ebene der planer = developer, die zwischen hersteller und investor agieren, schöpfen astronomische gewinne ab, sodaß der arme rechtsanwalt oder zahnarzt aus münchen manchmal der gelackmeierte ist.

dieter kräer   30.6.2001