Handelsblatt, 23.07.2001
Monti droht Koalition mit Beihilfe-Verfahren
EU-Kommission nimmt Gesetz zur Förderung des Ökostroms
ins Visier - Streit auch um die Kohleförderung
MICAEL SCHEERERBRÜSSEL. Nach dem jahrelangen Streit um die
Landesbanken zeichnet sich zwischen Brüssel und Berlin ein neuer
schwerer Konfklikt ab. EU-Kommissar Mario Monti droht der
Bundesregierung mit einem Beihilfe-Verfahren gegen das Gesetz zur
Förderung von Ökostrom, eines der Prestigeprojekte der
rot-grünen Berliner Koalition. Dies geht aus einem Schreiben
Montis an Bundesfinanzminister Hans Eichel hervor, das dem
Handelsblatt vorliegt.
Monti bemängelt darin, daß in dem Gesetz nicht nur
private Stromabnehmer, sondern auch Stadtwerke und
Regionalversorger Ökostrom zu hohen Mindestpreisen abnehmen
müssen. Da es sich um öffentliche Unternehmen handele, liege
ein Transfer staatlicher Mittel vor, so Monti. Damit erfülle das
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ebenso wie dessen Vorläufer,
das Stromeinspeisungsgesetz, den Tatbestand einer Beihilfe.
Die rot-grüne Koaltion wurde von dem Querschuß aus
Brüssel überrascht. Denn der Europäische Gerichtshof hatte der
Bundesregierung erst im vergangenen März bescheinigt, daß die
Förderung von Ökostrom durch Abnahmeverpflichtungen und
Preisaufschläge rechtens sei. Doch der juristische Dienst der
Kommission empfahl Monti, dennoch die beihilferechtliche Prüfung
einzuleiten.
In Berlin werden Montis Einwände als "spitzfindig
und abwegig" zurückgewiesen. Wegen des Streits fanden am
vergangenen Freitag erstmals Gespräche zwischen Berlin und
Brüssel statt. Die Bundesregierung drängt darauf, daß
der seit 1. Juli amtierende Chef-Jurist der EU-Kommission, der
Franzose Michel Petite, den Fall erneut prüft.
Auch über die Frage der Kohleförderung nach dem
Auslaufen des EGKS-Vertrages im Juli nächsten Jahres bahnt sich
ein Konflikt zwischen Brüssel und Berlin an. In einem Brief an
die zuständige EU-Kommissarin Loyola de Palacio fordert
Wirtschaftsminister Müller, nationale Kohle-Beihilfen
langfristig zu ermöglichen. Sonst fehlten den deutschen
Bergleuten "Planungssicherheit und verläßliche
Perspektiven". Der Entwurf de Palacios sieht für eine
EGKS-Anschlußregelung bis zum Jahr 2007 vor: Weitere
Subventionen will die Spanerin lediglich als Option eröffnen.
Während Berlin auf größere Zugständnisse drängt, fordern
Monti und Umweltkommissarin Margot Wallström ein definitives
Auslaufen der Beihilfen in 2010.
Wirtschafts-Woche
Politik 23.7.2001 22:50
Ökostrom: Ist Förderung
eine illegale Beihilfe?
Der Bundesregierung droht neuer Streit mit der
EU-Wettbewerbskommission. Der zuständige EU-Kommissar Mario
Monti habe gegen das Gesetz zur Förderung von Ökostrom ein
Beihilfe-Verfahren angedroht, berichtet das
Handelsblatt.
Dies gehe aus einem Schreiben Montis an
Bundesfinanzminister Hans Eichel hervor, das dem Blatt vorliege.
Monti bemängele, dass das Gesetz nicht nur private
Stromabnehmer, sondern auch Stadtwerke und Regionalversorger dazu
verpflichte, Ökostrom zu hohen Mindestpreisen abzunehmen.
Da es sich um öffentliche Unternehmen handele, liege ein
Transfer staatlicher Mittel vor. Damit erfülle das Gesetz den
Tatbestand einer Beihilfe. Wegen des Streits hätten am
vergangenen Freitag erstmals Gespräche zwischen Berlin und
Brüssel stattgefunden.
Welt,
Die Wirtschaft 23.7.2001 22:4
Brüssel geht gegen Ökostrom
vor
EU-Kommissar
Monti hält die Subventionen in Deutschland für nicht
rechtmäßig
Berlin - Die EU-Kommission und die
Bundesregierung streiten erneut über die Subventionierung von
Ökostrom. EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti sieht sowohl in
dem Erneuerbare Energien-Gesetz als auch im Gesetz zur
Kraft-Wärme-Koppelung mögliche Verstöße gegen das
Wettbewerbsrecht. Die Bundesregierung beharrt hingegen auf der
Rechtmäßigkeit ihrer beiden energiepolitischen Gesetze.
In einem Brief an
Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) vom vergangenen Juni
kündigte Monti an, dass er das Erneuerbare Energien-Gesetz
erneut prüfen werde. In dem Gesetz sind Mindestpreise und
Abnahmepflichten für Strom aus Wind, Sonne und Biomasse
festgesetzt. Die Quoten gelten sowohl für private als auch für
öffentliche Unternehmen. Erst im März hatte der Europäische
Gerichtshof der Bundesregierung die Rechtmäßigkeit der
Subventionierung von Ökostrom bescheinigt. Derartige
Einschränkungen des freien Wettbewerbs seien zum Zwecke des
Umweltschutzes zulässig, urteilten die Richter.
Das Luxemburger Urteil zum
deutschen Stromeinspeisungsgesetz habe aber Fragen offen
gelassen, sagte der Sprecher des Wettbewerbskommissars am Montag
in Brüssel. Denn nach Ansicht Montis bezieht sich der
EuGh-Spruch nur auf private Elektrizitätsanbieter. Über die
Lage bei den öffentlichen Unternehmen, also den Stadtwerken oder
Regionalversorgern, die ebenfalls den Ökostrom zu überhöhten
Preisen abnehmen müssen, habe Luxemburg hingegen nicht
entschieden, meint Monti.
Unter Hinweis auf die
bisherige Praxis der EU-Kommission vertritt der
Wettbewerbskommissar in seinem Schreiben die Auffassung, dass die
Zahlungsverpflichtung eines öffentlichen Unternehmens den
Tatbestand der Beihilfe erfülle. Dies gelte nicht nur für das
Erneuerbare Energiengesetz, sondern gleichermaßen für das
Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung. Monti warnte die
Bundesregierung, dass er die Einleitung eines offiziellen
Beihilfeverfahrens nicht ausschließe. Eine Entscheidung soll
allerdings frühestens nach der Sommerpause fallen.
Das Finanzministerium hatte
den Vorwurf der ungerechtfertigten Beihilfegewährung bereits im
Juni in einem Antwortschreiben zurückgewiesen. Der EuGh habe in
seinem Urteil keinen Unterschied zwischen öffentlichen und
privaten Unternehmen gemacht. "Wir haben eine andere
Rechtsauffassung als EU-Kommissar Monti", sagte eine
Ministeriumssprecherin am Montag. In Berlin rechne man aber nicht
mit einem Verfahren, sondern setze auf eine Einigung mit Monti.
Unstimmigkeiten zwischen Brüssel und
Berlin gibt es auch über die Zukunft der deutschen
Steinkohlebeihilfen. Die EU-Energiekommissarin Loyola de Palacio
hat ein Papier entworfen, worin die schrittweise Abschaffung der
Kohle-Subventionen bis 2010 verlangt wird. Anschließend müsse
ein Sockel bereit stehen, der eine Mindestproduktion im
Kohlesektor vorsehe, heißt es in dem Entwurf. "Dies ist
für die Versorgungssicherheit im Energiesektor notwendig",
heißt es. Innerhalb dieses Sockels an Primärenergien könnten
die Mitgliedsstaaten somit die Kohleförderung weiter
unterstützen. Denn die Kohleproduktion wäre ohne öffentliche
Gelder nicht möglich.
Das Konzept entspricht den
Forderungen von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller
(parteilos), der sich wiederholt für einen solchen Sockel
ausgesprochen hatte. Innerhalb der Brüsseler Kommission gibt es
allerdings starken Widerstand gegen die Pläne de Palacios. Vor
allem Umweltkommissarin Margot Wallström und
Wettbewerbskommissar Mario Monti wehren sich gegen weitere
Subventionen. Sie führen umwelt- und wettbewerbspolitische
Argumente an und wollen die Beihilfen vor 2010 auslaufen lassen.
dsi/dpa
Frankfurter
Rundschau Wirtschaft 23.7.2001 23:5
Öko-Strom droht Gegenwind
aus Brüssel
EU-Wettbewerbshüter
überprüfen Gesetz für erneuerbare Energien / Berlin spricht
von "Formalismus"
mbe BRÜSSEL. Der
Bundesregierung droht ungeachtet eines Urteils des Europäischen
Gerichtshofs (EuGH) Ungemach aus Brüssel in der Frage der
Förderung von Öko-Strom. Nach den Worten eines Sprechers von
Wettbewerbskommissar Mario Monti wird das
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) derzeit
"beihilferechtlich" geprüft. In Berlin stößt dieses
Vorgehen auf Befremden.
Im März hatten die
Luxemburger Richter ein Urteil verkündet, das in Berlin große
Zufriedenheit und in Brüssel Zähneknirschen ausgelöst hatte.
Die Vorgänger-Regelung zum EEG, das so genannte
Stromeinspeisungsgesetz, verstoße nicht gegen EU-Recht, befand
der EuGH damals. Damit wurden Vorbehalte Montis abgewiesen, die
in dem Gesetzeswerk festgelegten Mindestpreise und
Abnahmeverpflichtungen für Elektrizität aus Wind-,
Sonnenenergie und Biomasse liefen auf eine illegale
Subventionierung der Ökostrombranche hinaus. Derlei Bedenken
zielten ins Leere, argumentierte der EuGH, da die Mehrkosten für
den vergleichsweise teuren Ökostrom im Rahmen eines
Umlageverfahrens letztlich von den privaten
Versorgungsunternehmen sowie von den Verbrauchern getragen
würden.
Unmittelbar nach der
Urteilsverkündung hatte Monti noch angedeutet, weitere Schritte
gegen das EEG seien nun wohl hinfällig. Der Wettbewerbskommissar
änderte aber wenige Wochen später seine Meinung und legte nach.
In einem Brief an das federführende Berliner Finanzministerium
bringt Monti vor, das Luxemburger Urteil habe sich nur auf die
Abnahmepflichten und Mindestpreise für "private"
Energieversorger bezogen; außen vor blieben jedoch die
Verpflichtungen für "öffentliche" Betreiber wie
Stadtwerke, die durch das EEG mit erfasst würden. Montis Fazit:
"Zahlungsverpflichtungen" für öffentliche Unternehmen
könnten den Tatbestand einer staatlichen Subventionierung
erfüllen, daher müsse Berlin mit einem förmlichen
Beihilfeverfahren rechnen.
Kommissionsbeamte
wichen gestern der Frage aus, ob der oberste Wettbewerbshüter
aus eigenem Antrieb handelt oder ob er vom einflussreichen
juristischen Dienst der Brüsseler Behörde vorgeschickt wird,
der die Luxemburger Niederlage bis heute nicht verwunden habe.
Man müsse jetzt prüfen, inwiefern eine Beihilfe vorliege und ob
diese gegebenenfalls im Einklang mit den großzügigen
EU-Umweltausnahmeregelungen stehe, hieß es in Montis Umgebung.
Im Berliner Bundesfinanzministerium zeigte man sich gestern
"überrascht" und bezichtigte die Kommission des
"Formalismus". Wenn die Bundesregierung das EEG im
Sinne Montis ändere, würde dies unweigerlich private
Energieversorger im Verhältnis zu städtischen schlechter
stellen, wurde in Berlin zu bedenken gegeben. Dokument erstellt
am 23.07.2001 um 21:19:07 Uhr, Erscheinungsdatum 24.07.2001
Berliner
Zeitung Wirtschaft 24.7.2001 6:13
BerlinOnline: Monti stößt
sich an rot-grüner Energiepolitik
Förderung erneuerbarer Energien auf dem Prüfstand
Bettina Vestring
BRÜSSEL, 23. Juli. Der Brüsseler Wettbewerbskommissar
Mario Monti geht weiterhin gegen die Energiepolitik der
rot-grünen Regierung in Berlin vor. Sein Sprecher bestätigte am
Montag auf Anfrage, die Kommission prüfe, ob die Förderung des
Ökostroms und der Kraft-Wärme-Kopplung möglicherweise zu
unzulässigen Beihilfen führe. Monti habe bereits an den
deutschen Finanzminister Hans Eichel geschrieben, um ihn von
seinen Bedenken zu unterrichten. Der Sprecher konnte allerdings
nicht sagen, wann die Kommission eine Entscheidung über die
Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens treffen werde.
Zweifel am Verfahren
Allerdings wurden am Montag auch in der Kommission selbst
Zweifel laut, ob ein solches Verfahren Sinn machen würde.
Wichtigster Grund für die Skepsis in den eigenen Reihen ist ein
Urteil, das der Europäische Gerichtshof im März gefällt hatte.
Die Richter hatten schon damals in einem ersten Verfahren
entschieden, dass es sich bei den Mindestabnahme-Preisen für
Ökostrom nicht um Beihilfen handele. Die Begründung: Es habe
keine ummittelbare oder mittelbare Übertragung staatlicher
Mittel gegeben.
Dasselbe gilt zwar auch für die Gesetze für erneuerbare
Energien und die Kraftwärmekopplung. Die juristischen Experten
der EU-Kommission meinen aber, dass der Fall jetzt trotzdem
anders gelagert sei, weil die Eigentümerform unterschiedlich
sei: Der Europäische Gerichtshof habe über Garantiepreise
entschieden, die ein privater Stromversorger einem anderen
privaten Stromkonzern gezahlt habe. In dem neuen Verfahren würde
es aber um die Abnahmepflicht von Stadtwerken und anderen
Versorgern im öffentlichen Besitz gehen. Deswegen könne man
vermuten, dass die Mindestabnahmepreise dann eine Übertragung
staatlicher Mittel darstellten.
"Juristische Spitzfindigkeiten", erklärte dazu
ein EU-Vertreter. Würde die Kommission tatsächlich dieser Logik
folgen, würden sich neue Wettbewerbsverzerrungen ergeben. Denn
private Unternehmen müssten dann die Garantiepreise bezahlen,
während öffentliche Firmen aus Gründen der Beihilfepolitik
ausgenommen blieben. Schließlich gebe es auch noch einen
weiteren Grund, warum ein Verfahren gegen das
Eneuerbare-Energien-Gesetz und das Gesetz zur
Kraft-Wärme-Kopplung am Ende vermutlich aussichtslos sei.
Wettbewerbskommissar Monti selbst habe nämlich vor kurzem
Leitlinien für Umweltbeihilfen angenommen, die sehr großzügig
gefasst seien. Beihilfen zu Gunsten von erneuerbarer Energie und
einer effizienteren Energieausnutzung würden deswegen aller
Wahrscheinlichkeit nach genehmigt werden.
Nicht ohne weiteres einstellen
Damit bleibt nur die Frage offen, warum die Brüsseler
Wettbewerbshüter das Verfahren gegen die beiden deutschen
Gesetze überhaupt noch betreiben. In Kreisen der Europäischen
Union hieß es dazu erklärend, mit dieser Prüfung habe man
bereits begonnen, bevor der Europäische Gerichtshof die neue
Definition von Beihilfen vorgegeben habe. Eine einmal begonnene
Untersuchung lasse sich aber nicht ohne weiteres einstellen.
"Die Wettbewerbsexperten können das nicht einfach so ad
acta legen", sagte ein EU-Vertreter.
Stuttgarter
Zeitung Wirtschaft 24.7.2001 9:16
Vorbehalte gegen Ökostromgesetz
Vorbehalte gegen Ökostromgesetz
BRÜSSEL (dpa). Die EU-Wettbewerbsbehörde hat weiterhin
Vorbehalte gegen das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
zum Ankurbeln von "grünem Strom'' aus Alternativenergien.
Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum
deutschen Stromeinspeisungsgesetz habe Fragen offen gelassen,
sagte der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti in
Brüssel. Monti habe sich deshalb vor rund sechs Wochen an
Bundesfinanzminister Hans Eichel gewandt. Der Sprecher ließ es
offen, ob die Kommission ein formelles Verfahren dazu eröffnen
will. Entscheidungen seien frühestens von der Sommerpause an zu
erwarten, die in Brüssel bis Ende August läuft. Das Tauziehen
zwischen Berlin und Brüssel um Regelungen zur Förderung von
Ökostrom läuft seit Jahren, bisher allerdings ohne klares
Ergebnis. Die EU-Wettbewerbshüter prüfen das EEG - das
Nachfolgegesetz des Stromeinspeisungsgesetzes -, weil sie dabei
versteckte Staatsbeihilfen vermuten.
Nordwest
Zeitung Wirtschaft 24.7.2001 8:25
Neue Attacke gegen Ökostromgesetz
Brüssel lässt nicht locker Weiter
Verdacht auf verdeckte Beihilfen
dpa Brüssel. Die EU-Wettbewerbsbehörde hat
weiterhin Vorbehalte gegen das deutsche
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zum Ankurbeln von
Ökostrom aus Alternativenergien. Auch das Urteil des
Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum deutschen
Stromeinspeisungsgesetz habe Fragen offen gelassen, sagte gestern
der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti. Monti habe
sich deshalb vor sechs Wochen an Bundesfinanzminister Hans Eichel
gewandt. Der Sprecher ließ offen, ob die Kommission ein
formelles Verfahren eröffnen will.
Die EU-Wettbewerbshüter prüfen das EEG - das Nachfolgegesetz
des Stromeinspeisungsgesetzes -, weil sie versteckte
Staatsbeihilfen vermuten. Brüssel argumentiert, das EuGH-Urteil
vom März beziehe sich auf Abnahmepflicht von
Ökostrom durch private Versorger, nicht aber durch
öffentliche Unternehmen, wie beispielsweise Stadtwerke. Das
Luxemburger Gericht hatte entschieden, die Bevorzugung von
Ökostrom verstoße nicht gegen EU-Recht.
Die Vorbehalte Brüssels richten sich auch gegen das
Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz. Dieses schützt die überwiegend
kommunalen Kraftwerke, die Strom und Wärme zugleich erzeugen,
vor den Folgen des Preisverfalls auf den geöffneten
Energiemärkten. Brüssel hatte bereits das deutsche
Stromeinspeisungsgesetz in einem Verfahren untersucht, dieses
aber eingestellt, weil das Gesetz inzwischen nicht mehr gilt.
Tagesspiegel
Wirtschaft 24.7.2001 1:41 & Potsdamer Neueste
Nachrichten Wirtschaft 24.7.2001 0:45
EU-Wettbewerb: Müller und
Monti streiten über Energiepolitik
Konflikt um Ökostromförderung und Steinkohlebeihilfen
Die Energiepolitik sorgt erneut für Konfliktstoff
zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesregierung.
EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti hat in einem Schreiben an
Wirtschaftsminister Werner Müller seinen Anspruch unterstrichen,
das Erneuerbare Energiengesetz (EEG; siehe Lexikon) zu
überprüfen. Nach Montis Auffassung stellt die Subventionierung
von Ökostrom eine unerlaubte Beihilfe dar. Dagegen hatte der
Europäische Gerichtshof im März bescheinigt, dass die im EEG
verankerten Mindestpreise und Abnahmepflichten für Strom aus
Wind, Sonne oder Biomasse rechtens sind. Doch Monti besteht
darauf, das EEG in Brüssel unter die Lupe zu nehmen. Das
Luxemburger Urteil beziehe sich nur auf private
Elektrizitätsunternehmen, argumentiert der Kommissar. Es seien
in Deutschland jedoch auch öffentliche Regionalversorger und
Stadtwerke zur Einspeisung von Ökostrom verpflichtet. Diese
wiederum könnten die Mehrkosten über Umschichtungen in den
Haushalten abwälzen. Der Vorstoß des Italieners stößt in
Berlin auf Empörung. Im Umfeld Müllers hieß es, die Kommission
müsse aufpassen, "ihre wirtschaftspolitische Neutralität
nicht zu verletzen".
Auch im Streit um die Zukunft der Steinkohle steuert Müller auf
Konfrontationskurs. Die für Energiepolitik zuständige
EU-Kommissarin Loyola de Palacio will eine Anschlussregelung für
den EGKS-Vertrag vorlegen, der im Juli nächsten Jahres
ausläuft. De Palacios Vorschlag sieht vor, dass Beihilfen für
den Kohlebergbau nur noch bis 2007 verlängert werden sollen. In
einem Brief an die Kommissarin wies Müller dies als unzureichend
zurück.
Wirtschaftsminister kämpft
für erneuerbare Energien
Brief an EU-Energiekommissarin
ms/uhl
EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti will im wieder
aufgeflammten Streit um die deutsche Förderung von Ökostrom
offenbar die Wogen glätten: "Wir wollten nur informieren,
dass die Sache nicht vom Tisch ist", sagte ein Sprecher am
Montag. Wie das Handelsblatt berichtete, hatte der
Wettbewerbskommissar in einem Schreiben an Bundesfinanzminister
Hans Eichel (SPD) deutlich gemacht, dass er die Förderung von
Ökostrom durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nach wie
vor für beihilferechtlich bedenklich hält.
Diese Frage hatte ursprünglich als geklärt gegolten, nachdem
der Europäische Gerichtshof (EuGH) im März die Verpflichtung
privater Elektrizitätsunternehmen, Ökostrom zu Mindestpreisen
abzunehmen, nicht als staatliche Beihilfe gewertet hatte. Montis
Argument dagegen: Der EuGH habe sich nur auf private
Energieversorger bezogen. Aber auch öffentliche Unternehmen wie
Stadtwerke würden zur Zahlung der Mindestpreise verpflichtet.
Daher sei der Beihilfebegriff des EuGH, der eine Beteiligung
öffentlicher Kassen gefordert hatte, hier durchaus erfüllt.
Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) hat
inzwischen die EU-Energiekommissarin Loyola de Palacio in einem
Brief gebeten, sich für eine Einstellung der Beihilfeverfahren
zum EEG und zum KraftWärme-Kopplungs-Gesetz einzusetzen.
"Das Urteil des EuGH hat nach Überzeugung der
Bundesregierung ohne jede Abstriche unsere Rechtsauffassung
bestätigt, dass beide Regelungen keine Beihilfe
darstellen", betonte Müller.
Nach Einschätzung Müllers hätte eine Fortsetzung des
Beihilfestreits eine "verheerende Wirkung" auf die
Bereitschaft von Wirtschaft und Verbrauchern, in moderne,
umweltfreundliche Energietechniken zu investieren. Das EEG ziele
darauf, den Anteil regenerativen Stroms im deutschen Strommarkt
in den nächsten zehn Jahren zu verdoppeln.
TAZ Vermischtes 23.7.2001 22:26
"Der schlechte Verlierer
Monti"
Wettbewerbskommissar will Bundesregierung an den Ökostrom
gehen: Erneuerbare-Energien-Gesetz und Förderung der
Kraft-Wärme-Kopplung sind für ihn Subventionen
BERLIN taz Die Briefe des Mario Monti sind
gefürchtet. Mit seinem jüngsten Schriftstück - adressiert an
Bundesfinanzminister Hans Eichel - macht der
EU-Wettbewerbskommissar solcherlei Ruf alle Ehre. Zwei
Prestigeobjekte der rot-grünen Regierung, schreibt Monti,
würden staatliche Subventionen festschreiben und seien damit
nicht zu halten: das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das
Abkommen zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung. Die Einleitung
eines förmlichen Beihilfeverfahrens gegen die Bundesregierung
sei daher "nicht auszuschließen", zitierte das Handelsblatt
den Wettbewerbskommissar. Sein Argument: Von den Zuwendungen aus
staatlichen Mitteln "sind auch öffentliche Unternehmen
betroffen". Einfacher ausgedrückt: Monti missfällt, dass
kommunale Stadtwerke von der Förderung profitieren, was
"drastische Wettbewerbsverluste der Privaten" brächte.
Michaele Hustedt, energiepolitische Sprecherin der
Bündnisgrünen, bezeichnete Monti gestern "als schlechten
Verlierer". Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes
(EuGH) im März sei "Ruhe im Karton" gewesen. Das
Gericht hatte eine Klage der großen deutschen Stromversorger
behandelt, die die staatliche Förderung als Subvention einstufen
lassen wollten. Die Förderung sei rechtens und keine in Brüssel
genehmigungspflichtige Beihilfe, urteilten die EuGH-Richter
damals, was die Berliner Regierenden zu dem Statement
veranlasste, das Urteil sei bahnbrechend, weil es erstmals
ökologisch Belange vor ökonomische stellte.
Juristen allerdings hatten wiederholt gewarnt, dass die
Urteilsdarstellung "Ökologie vor Ökonomie" viel zu
vereinfacht, der Spruch tatsächlich komplexer und komplizierter
sei. Genau dort setzt jetzt Monti an.
Hustedts Argumentation setzt ganz anders an: "Die
Förderung ist keine Beihilfe im EU-Sinne, weil sie nicht aus dem
Haushalt, sondern über eine Umlage finanziert wird." Zudem
könne Monti ein Verfahren nur mit Zustimmung der Kommission
einleiten. "Die wird er nicht bekommen", erklärte die
Grüne und rechnete vor, dass er weder von den deutschen
Kommissaren Michaele Schreyer und Günter Verheugen noch von
Energiekommisarin Loyola de Palacio Zustimmung bekäme. Zudem
gebe es inzwischen auch in Spanien, Dänemark und Frankreich
Einspeiseverordnungen - nach deutschem Vorbild. Hustedt:
"Das Einzige, was Monti mit seinem Brief erreicht: Er
verschreckt Investoren". taz Nr. 6504 vom 24.7.2001, Seite
9, 83 Zeilen TAZ-Bericht NICK REIMER
Financial Times Wirtschaft 23.7.2001 23:12
Marktplatz: Strom für gute
Nerven
Von Matthias Dezes, Frankfurt
Die neuen Energieformen von heute werden zweifellos die wichtigsten Energieträger von morgen sein - sofern "morgen" in 20 Jahren ist.
Clever also, wer sich schon heute in Fonds oder Zertifikate einkauft, die Aktien von Brennstoffzellen-Herstellern, Entwicklern von Wasserstoff-Technologien oder Anbietern von Solartechnik enthalten.
Allerdings handelt es sich hierbei um Technologien und Produkte, die entweder erst in vergleichsweise kleinen Volumina verkauft werden oder sich erst in der Erprobungsphase befinden, wie zum Beispiel die Brennstoffzellen-Technologie. Dass der Brennstoffzelle und letztlich auch dem Wasserstoff langfristig die Zukunft gehören, bezweifelt niemand mehr ernsthaft. Doch sind gerade die Aktien solcher Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit auf diese Technologien konzentrieren, extrem anfällig gegen schlechte Nachrichten.
Langfristige Gewinne
Die gestern geäußerte Kritik des EU-Wettbewerbskommissars Mario Monti am deutschen "Erneuerbare-Energien-Gesetz" hat relativ geringfügige Auswirkungen. Eher schon lösen Meldungen, die den Beginn des Wasserstoff-Zeitalters in noch weitere Ferne rücken, bei den Brennstoffzellen-Technologieformen Ballard und Fuel Cell Energy einen Kurssturz aus. Zudem kommuniziert die Brennstoffzellen-Lobby falsch. Sie setzt auf das Thema Auto, obwohl hier die Verwendung der Brennstoffzelle am schwierigsten erscheint. Andere Bereiche wie der stationäre Einsatz in der Stromgewinnung, in denen sich Brennstoffzellen bewährt haben, werden vernachlässigt.
Ergo: Wer auf die neuen Energien als Geldanlage setzt, braucht starke Nerven, darf sich aber langfristig zu den Gewinnern zählen.
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