Hannoversche Allgemeine DIENSTAG, 11. AUGUST 1998, NR. 186 Vergeblich gekommen Zum
Bericht Windige Träume vom 22. Juli 1998: Mit Speck fängt man Mäuse, dachte der Geschäftsführer einer großen hannoverschen Entwicklungsgesellschaft für Windkraftanlagen, als er das kreative Potential zeitgenössischer Kunst mit der Windkraft verband. Dieses Potential siehst du dir an, sagte ich mir, und ging am 31. Juli, dem letzten Tag der Ausstellung Kunst und Windenergie, in das neue Rathaus. Ich war gespannt auf die Werke internationaler Künstler, die laut Zeitungsbericht ein Windrad in sanfte, anschmiegsame Hügel stellten, die den Rotor auf der Stange horizontal statt vertikal anbrachten, die in das Rückgrat der Windmaschine runde, bunte Plexiglas-Augen einbauten und die einen Rotor mit zwei riesigen Leuchtdisplays versahen. Doch ich kam vergeblich. Die Ausstellung ist schon abgebaut, sagte mir der Pförtner. Haben Sie denn noch einen Katalog mit Abbildungen? fragte ich ihn. Ja, hier habe ich etwas, murmelte er und schob mir ein Faltblatt über den Tresen. Ich faltete es auf und sah Prosaisch-Ökonomisches: eine Vielzahl von Hinweisen, warum es sich lohne, in Windkraft zu investieren... Winsen/Aller
Jochen
Schmidt Hannoversche
Allgemeine Mit Kunst fängt man Mäuse
Die Strompreise purzeln. Mit allen Mitteln der Kunst
versuchen die Planer und Betreiber von Windkraftanlagen
Deiche gegen die Flut der Strompreissenkungen zu
errichten. Die Geldmüller, so ein
ostfriesischer Ausdruck für die in Öko-Branche
euphemistisch genannten Windmüller, zittern
zur Zeit vor Angst, von der Preissenkungswelle
weggespült zu werden. Denn ihre Einnahmen sind an den
Preis einer Kilowattstunde gebunden. Und je höher dieser
Preis ist, desto höher ist die den Windmüllern gezahlte
Stromeinspeisevergütung. Und je höher die
Einspeisevergütung, desto höher der allgemeine
Strompreis! Ein lukrativer Teufelskreis. Damit sich der
Dukatenesel weiter in den Schwanz beißen kann, nehmen
PR-Werbung und Marketing-Mix der Windindustrie immer
skurrilere Formen an: An den Generatorstangen werden
Nistkästen und Hochsitze befestigt, Windmill-Climbing
wird als Bergsteigen auf dem platten Land proklamiert,
teure Erdhügel wie bei Dollbergen werden aufgeschüttet
und zur hohen Kunst erklärt. Ohne große Widerworte wird
erduldet, was eher als Horizontverschmutzung
denn als Muse zu bezeichnen ist. Mit Kunst, sagt die
hannoversche Windwärts Energie GmbH, fängt man Mäuse.
Im Gegensatz zu den Mäusen erkennen aber einige Bürger,
was nach dem Speck kommt: Der Strom wird teurer, das
Hotelzimmer mit Ausblick auf die schlagenden Rotoren
bleibt unbelegt, die Grundstücke verlieren an Wert, und
der Naturfreund wendet sich ab mit Grausen. Der Fahrgast
der deutschen Eisenbahn kann seine Seher schließen, doch
wehe dem Fahrer, der auf der Expo-Autobahn dasselbe tut!
Was gottlob noch nicht ist, wird noch werden. Mancher
ausländische Expo-Besucher ent- oder begeistert,
auf jeden Fall verwirrt durch die Windmonster am Rande
der Autobahn wird mit bösen Folgen zum
Hans-guck-in-die-Luft werden. Erst dann wird alle Welt
Zeter und Mord(io) schreien lauter, als die
Lärmschutzwände links und rechts der Autobahn schlucken
können. Durch eine Mauer nach Berlin. Ökologischer,
ökonomischer und ideologischer Anachronismus. Windwärts
gleich rückwärts. Winsen/Aller
Jochen Schmidt |