Totengedächtnis



Die Ihr von uns gegangen,
so früh vom Krieg vernichtet,
die Lieb', die wir empfangen,
für immer uns verpflichtet.

Ihr habt mit kühnem Mute
Gestritten und geworben
Ihr glaubtet an das Gute
Und seid für uns gestorben.


Wir ehren Tat und Ringen
Wir achten Euer Wollen,
o mög' es uns gelingen
Euch würdig Dank zu zollen.

Die Kraft, die Euch gegeben
Zum Kampf, sei uns beschieden

Zu weihen unser Leben
Dem Volke und dem Frieden!
Des Krieges Buchstaben
Friedrich von Layen

Kummer, der das Wort verzehret,
Raub, der Hab und Gut verheeret,
Jammer, der den Sinn verkehret,
Elend, das den Leib beschweret,
Grausamkeit, die Unrecht lehret,
sind die Frucht, die Krieg gewähret.


Friede (1945)
Joseph Drexel

Unser Haus ist zermalmt, unserer Kinder Spiel
ist verstummt, ihr Lachen wie Luft verging.
Unsere Ställe sind stumm; unsere Felder gering
Aber am Kirchhof der neuen Kreuze sind viel.


Danklied zur Verkündigung des Friedens
Paul Gerhardt (1648!)

Gott Lob! Nun ist erschollen
das edle Fried- und Freudeswort,
daß nunmehr ruhen sollen
die Spieß und Schwerter und ihr Mord,
Wohlauf und nimm nun wieder
dein Saitenspiel hervor,

o Deutschland, und sing Lieder
im hohen vollen Chor.
Erhebe Dein Gemüte
zu Deinem Gott und sprich:
Herr, deine Gnad und Güte
bleibt dennoch ewiglich!

Volkstrauertag?
Prälat Sommer boykottiert erst mal

Ein Blick durch die Jahrzehnte im Amtsblatt "Hauensteiner Boten" zeigt die schwierige Kulturgeschichte dieses Feiertages

Volkstrauertag. Der Tag ist zu einem Ritual geworden, das kaum jemanden bewegt. Die Deutschen wollten nach 1945 vor allem das Land aufbauen, nicht sich mit der Vergangenheit beschäftigen. Stichwort Wirtschaftswunder. Auch die Kirchen konnten sich nie so recht mit dem Volkstrauertag anfreunden, der von den Nationalsozialisten als "Heldengedenktag" missbraucht worden war. Dies belegt exemplarisch eine kleine Kulturstudie des Volkstrauertages im Amtsblatt "Hauensteiner Bote" zwischen 1950 und 1990 - denn der Alltag der Deutschen ist am besten in ihren Alltagsmedien dokumentiert.

Was zeigt nun dieser Blick in den "Hauensteiner Boten"? 1950 wurde in der Bundesrepublik erstmals der Volkstrauertag nach dem Zweiten Weltkrieg offiziell gefeiert und der erste Jahrgang des Hauensteiner Amtsblattes erschien. Der Volkstrauertag war am 26. November 1950 nicht Thema für die Titelseite, sondern der 75. Geburtstag des Hauensteiner Bahnhofes. Erst auf den Seiten zwei und drei veröffentlichte das Blatt dann die Gefallenen und Vermissten Hauensteins aus dem Zweiten Weltkrieg. Dazu schrieb der Hauensteiner Apotheker und Heimatschriftsteller Lorenz Wingerter, der 1960 das Bundesverdienstkreuz am Bande erhielt, ein Gedicht.

Totengedächtnis
Die Ihr von uns gegangen,
so früh vom Krieg vernichtet,
die Lieb', die wir empfangen,
für immer uns verpflichtet.
Ihr habt mit kühnem Mute
Gestritten und geworben
Ihr glaubtet an das Gute
Und seid für uns gestorben.
Wir ehren Tat und Ringen
Wir achten Euer Wollen,
o mög' es uns gelingen
Euch würdig Dank zu zollen.
Die Kraft, die Euch gegeben
Zum Kampf, sei uns beschieden

Zu weihen unser Leben
Dem Volke und dem Frieden!

Allerdings stieß der Volkstrauertag in Hauenstein anfangs auf den Widerstand der katholischen Kirche und des Prälaten Georg Sommer. Dieser wetterte gegen den Volkstrauertag als einem nationalsozialistischen Überbleibsel. So feierte die katholische Gemeinde Hauensteins am Volkstrauertag 1950 um 9 Uhr eine heilige Messe für die Verstorbenen und Heimatvertriebenen - mehr nicht. In den offiziellen Kirchennachrichten wird das Wort Volkstrauertag nicht erwähnt.

Die Kirche konnte sich anscheinend mit einem staatlich verordneten Trauertag nicht anfreunden. Kein Wunder, hatten die beiden christlichen Konfessionen doch mit Allerheiligen und Allerseelen eigene Toten-Gedenktage. Die Priester fürchteten wohl eine Entwertung dieser Feirtage.

Dies wird ein Jahr später 1951 noch deutlicher. So lud Prälat Sommer schon drei Wochen vor dem Volkstrauertag an einem Sonntag um 7.30 Uhr zu einer "hl. Messe für unsere Gefallenen und Vermissten" - kurz nach Allerheiligen. Und drei Wochen später ist im "Hauensteiner Boten" am Volkstrauertag 1951 nur eine kleine Anzeige mit Zahlen zu den Opfern des Ortes in den Weltkriegen auf der Titelseite zu lesen. Frontkämpfer Ludwig Hengen hält 1960 Volkstrauertags-Rede. Sechs Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Hauensteiner offenbar keine Lust auf Trompetenspiel, Liedbeiträge, Fahnenabordnungen und Ehrungen von Soldaten - andere Probleme standen im Vordergrund. Im Ort selbst und in der damals sehr starken Hauensteiner CDU wurde im Gegenteil eher darum gestritten, ob die Bundesrepublik wieder eine Armee haben sollte oder nicht. Die Debatte um eine mögliche deutsche Wiederbewaffnung verdrängte bis Mitte der 50-er Jahre die Bedeutung des Volkstrauertages.

Dies änderte sich mit zeitlichem Abstand, mit den verblassenden Erinnerungen daran, was Krieg hautnah bedeutet. Am 11. November 1960 etwa lud Bürgermeister Hermann Seibel ganz offiziell auf der Titelseite des "Hauensteiner Boten" zur Feier des Volkstrauertages ein - anscheinend musste er etwas nachhelfen. Zwar schrieb der damalige Bürgermeister 1960, es sei "schon Tradition geworden", dass "am kommenden Sonntag eine Ehrung der Toten der beiden Weltkriege am Denkmal vor der Alten Kirche" stattfindet. Doch selbst schien er seinem Optimismus nicht so sehr zu trauen. Knapp ordnete der Bürgermeister im Mitteilungsblatt der Gemeinde an: "Nach dem Hochamt zieht die Gemeinde geschlossen zu dieser Ehrenstätte. Es beteiligen sich Vereine mit ihren Fahnen."
Dabei wirkten Männergesangverein und Musikverein mit, Ortspfarrer Alois Schirmer segnete das Denkmal an der St. Bartholomäuskirche, Gemeinde und Vereine legten einen Kranz nieder. Die Gedächtnisrede hielt der hochbetagte Ludwig Hengen. "Mit der Verpflichtung, dass die Gefallenen niemals vergessen werden und dass niemals wieder solche schweren Schicksalstage über uns hereinbrechen mögen", beendete der Frontkämpfer aus dem Ersten Weltkrieg seine Rede, wie eine Woche später der "Hauensteiner Bote" berichtete.

In dieser ganzseitigen Nachberichterstattung des Volkstrauertages von 1960 war allerdings die Spannung zwischen staatlichem Volkstrauertag und den kirchlichen Feiertagen Allerheiligen und Allerseelen weiter zu spüren - doch jetzt distanzierte sich die Gemeinde vom kirchlichen Anspruch. Die Schriftleitung des "Hauensteiner Boten" druckte einen Aufsatz von Bruno Walter vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge unter dem Titel "Ein Volk trauert" ab, in dem der Autor von einer "klaren und eindeutigen Abgrenzung des Tages gegenüber allen anderen, viel älteren und zur Tradition gewordenen, denen er seinerseits nicht den geringsten Abbruch tut, auch nie tun wollte oder gar will" schreibt.

Drohender Atomkrieg sorgt 1961 für neues Trauer-Bewusstsein
Von nun arrangierte sich die Kirche in Hauenstein mit dem Volkstrauertag. Vielleicht auch, weil der "Kalte Krieg" zwischen Amerika und der damaligen Sowjetunion die Menschen daran erinnerte, dass "heißer" Krieg zu Beginn der 60-er Jahre (Korea, Kuba-Krise, Vietnam) wieder möglich geworden war und noch viel schrecklicher als alle anderen Kriege sein könnte. Welches Klima damals herrschte, macht etwa eine Ankündigung im "Hauensteiner Bote" vom Oktober 1960 deutlich. Darin wird zu einer Veranstaltung zum Thema "Wie verhalte ich mich in einem Atomkrieg" eingeladen.

Doch Deutschland gewöhnte sich an den "Kalten Krieg". Das Wirtschaftswunderland kümmert sich um andere Dinge. Der Volkstrauertag wird zur Routine. Er ist nicht mehr Zankapfel zwischen Staat und Kirche, nicht mehr Anlass für bewegende Reden ehemaliger Kriegsteilnehmer. Zwar widmet der "Hauensteiner Bote" vom 13. November 1970 dem Volkstrauertag die Titelseite. Aber neben einem großen Bild eines "finnischen Heldenfriedhofes" ist nur lapidar vermerkt: "Anlässlich des Volkstrauertages am Sonntag findet vor dem Kriegerdenkmal an der alten Kirche eine kurze Gedenkfeier statt. Nach dem Hochamt, gegen 11.15 Uhr, stellen sich die Fahnenabordnungen der Vereine an der Christ-Königs-Kirche auf und begeben sich, zusammen mit dem Geistlichen, zum Kriegerdenkmal. Die Gedenkfeier beginnt gegen 11.30 Uhr." Auf dem Programm stehen Lieder des Männergesangvereins und Musikvereins, eine Ansprache, Kranzniederlegung und Segnung des Ehrenmals. Und abends um 18 Uhr findet in der Christ-Königs-Kirche eine Andacht für die Opfer des Krieges statt.

Aus dem "Heldenfriedhof" 1970 wird 1980 die "Kriegsgräberstätte"
Diese Form des Volkstrauertages hält sich bis heute. Das Gedenken an die Toten der beiden Weltkriege wird immer sachlicher. Statt wie 1970 im "Hauensteiner Bote" in der Bildunterschrift zum Volkstrauertag-Bild noch der Begriff "Heldenfriedhof" steht, wird 1980 die Sprache zum Volkstrauertag ziviler und gleichsam politisch korrekter. Unter dem Bild des deutschen Soldatenfriedhofes im französischen Solers notiert der "Hauensteiner Bote" lapidar: "Die Kriegsgräberstätte, auf der 2.228 Tote des 2. Weltkrieges ruhen, wurde vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ausgebaut, und am 28.7. 1962 eingeweiht."

Dass der Volkstrauertag in der alternden Bundesrepublik Deutschland zu einer leeren Erinnerungshülse und bloßen Pflichtveranstaltung geworden ist, dokumentiert der "Hauensteiner Bote" vom 15. November 1990: Selbst nach zehn Jahren werden in der Ankündigung des staatlichen Trauertages immer noch - bis auf kleine Änderungen - 1980 wie 1990 die gleichen Formulierungen gebraucht: "Nach dem Hochamt, gegen 11.00 Uhr, begeben sich die Fahnenabordnungen der Vereine zusammen mit den Geistlichen zu der Gedenkstätte. Bei der Gedenkfeier wirken der Kirchenchor und der Musikverein mit."

Und heute im Jahr 2001?
Seit dem Ende des "Kalten Krieges" 1989 kämpfen deutschen Soldaten wieder in Auslandseinsätzen: Bosnien, Mazedonien, Somalia oder gegen den internationalen Terrorismus. Was aber macht Deutschland, wenn die ersten gefallenen Soldaten zu beklagen sind - und zwar in größerer Zahl? Was bedeutet uns angesichts Afghanistan dann der Volkstrauertag?S

Von Johannes Seibel
RON - RHEINPFALZ ONLINE, Samstag, 17. Nov , 03:45 Uhr