Vom Winde verarscht
Windenergie gilt als umweltfreundlich. Doch damit das
Stromnetz stabil bleibt, müssen Atomkraftwerke mitlaufen.
von klaus hart
Wieso spricht sich ein Unternehmer in Sachen Windenergie für
den Betrieb von Atomkraftwerken aus? Fritz Vahrenholt, der
Vorsitzende des Windenergieunternehmens Repower und ehemalige
Hamburger Umweltsenator, regte nach einem Bericht des
Tagesspiegel an, die Atommeiler bis in die Jahre 2025 oder
2030 statt wie bisher vereinbart nur bis 2021 arbeiten zu
lassen. »Das macht es uns einfacher, die 40 000 Megawatt
veralteter Kohlekraftwerke und die 33 000 Megawatt
Kernenergie zu ersetzen. Mit einem langsameren Auslaufen der
Kernenergie kaufen wir uns Zeit.« Das gleiche gelte für die
Steinkohle, zitiert der Tagesspiegel Vahrenholt.
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass das Geschäft mit
der Windenergie dem mit der Atomkraft gar nicht so
widerspricht, wie es den Anschein haben mag. Die rot-grüne
Bundesregierung setzt jedenfalls nicht nur strenge
Umweltvorschriften außer Kraft, sondern verstößt auch
gegen Regelungen der Europäischen Union (EU), um das
Geschäft mit der Windkraft zu ermöglichen. Besonders kurios
ist, dass der Handel propagandistisch mit dem Argument
verschleiert wird, durch mehr Windkraftwerke schade man dem
Geschäft der Atomindustrie und den Betreibern
konventioneller Großkraftwerke, tue also ein gutes Werk.
Doch der Atomkraftwerksbauer Siemens-KWU und viele Banken
sind von Anfang an im Geschäft mit dem Wind dabei und
erwirtschaften damit hohe Profite. So betrachtet, ist es nur
folgerichtig, dass sich gerade die Windkraftbranche für noch
längere Laufzeiten der Atomkraftwerke ausspricht. Der
Atomausstieg wird sowieso nur dem Wählervolk als
beschlossene Sache verkauft.
Hinter den Kulissen läuft es anders. Ohne ein mögliches
Gegenvotum Joschka Fischers unterzeichnete die deutsche
Delegation bei der New Yorker Überprüfungskonferenz zum
Atomwaffensperrvertrag im Jahr 2002 das Abschlussdokument, in
dem es heißt: »Die Konferenz erkennt die Vorteile der
friedlichen Nutzung der Atomenergie und nuklearer Techniken
an und ihren Beitrag, um in den Entwicklungsländern
nachhaltige Entwicklung zu erreichen sowie um generell das
Wohlergehen und die Lebensqualität der Menschheit zu
verbessern.« Atomenergie sei daher überall auf dem Erdball
zu fördern.
Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) distanzierte
sich davon nie. Der große Ausrüstungshersteller für
Windkraftwerke, Siemens-KWU, kann in aller Ruhe in Brasilien
bei Rio de Janeiro mit dem französischen Partner Framatome
das Atomkraftwerk Angra III fertigstellen. Und im Jahr 2030
genießt Trittin längst seine Ministerpension.
Tatsächlich sind Windkraft- und Atomkraftwerke »Schwestern
im Netz«. Den Begriff prägten zwei deutsche
Energieexperten: Gustav Sauer aus dem
schleswig-holsteinischen Umweltministerium und Lothar
Schedereit, der Geschäftsführer des Hamburger
Energieberatungsunternehmens Renorga. Die Windkraft sei nur
eine Zusatzenergie und garantiere keine
Versorgungssicherheit, betonen sie. Derzeit würden die
Schwankungen, die bei der Stromerzeugung aus Windkraft
entstünden, von Atomkraftwerken »glattgebügelt«. Damit
die Spannung im Netz stabil bleibt, müssen also
konventionelle Kraftwerke stets gleichzeitig, »stand-by«,
in Betrieb sein.
Wenn erst Offshore-Anlagen mit ihrer hohen Leistungsabgabe
ans Netz gingen, entstünden wegen des sehr instabilen
Seewindes noch größere Spannungsschwankungen als bei den
Anlagen an Land, prophezeien Sauer und Schedereit. Also
brauche man zum Ausgleich viel stärkere konventionelle
Generatoren.
Repower etwa beteiligt sich am Aufbau einer solchen
Offshore-Anlage, gerne »Parks« genannt, in der Ostsee, die
bis zum Jahr 2005 fertiggestellt werden soll. Dagegen regt
sich inzwischen Protest an der Küste
Mecklenburg-Vorpommerns. Viele Gemeinden leben dort von
touristischen Zielen wie dem Nationalpark Vorpommersche
Boddenlandschaft.
Im extrem heißen Sommer dieses Jahres merkten die Deutschen
erstmals, dass Windkraftwerke oft nur vor sich hindösen und
dabei keine oder kaum Leistung abgeben. Die Rotoren drehen
sich nur etwa 1 530 von insgesamt 8 760 Stunden im Jahr. Die
derzeit in Deutschland betriebenen 14 200 Windanlagen können
konventionelle Kraftwerke nicht ersetzen und decken gerade
mal fünf Prozent des deutschen Stromverbrauchs.
Zudem steckt die Branche in der Krise. Große Hersteller wie
Nordex erlitten Einbrüche an der Börse. Der Aufbau von
unnützen Überkapazitäten wurde mit Steuergeldern
finanziert. Kein Wunder, dass sich nun einige Amtsträger
sicherheitshalber windkraftkritisch geben: der
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) etwa,
Brandenburgs Umweltminister Wolfgang Birthler (SPD), seine
Kollegin in Sachsen-Anhalt, Petra Wernicke (CDU), der
baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel
(CDU), die Führung der FDP.
Und auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zeigt sich
skeptisch. »Windenergie ist wegen der Verpflichtung zur
Abnahme des Stromes zu hohen Preisen für die Betreiber zu
einer Gelddruckmaschine geworden«, sagte etwa Erhard Ott,
ein Mitglied im Bundesvorstand von Verdi, der Berliner
Zeitung. »Die Förderung der Windenergie muss schrittweise
reduziert werden.«
Das Einstreichen hoher Subventionen, der
Zwangseinspeisevergütung, sei »Abzocke«, meint Clement
nun. Von konventionellen Kraftwerken kaufen die
Energieversorger die Kilowattstunde Strom für etwa drei
Cent. Bei den Windkraftunternehmern müssen sie das Drei-bis
Vierfache zahlen, was sie dann an den Verbraucher
weitergeben. Das Magazin Fakt des MDR zog kürzlich das
Fazit: »Windenergie sorgt in Deutschland vor allem dafür,
dass die Reichen reicher werden und Arbeitsplätze wegen der
hohen Kosten verlorengehen. Öko-Nutzen Null!«
»Heimische Vögel lassen sich von Windrädern nicht
stören«, steht dagegen in einer Argumentationshilfe des
Bundesumweltministeriums. Es gibt aber auch andere
Sichtweisen. Nachzulesen sind sie etwa in den Studien
»Windenergienutzung auf See« und »Weiterer Ausbau der
Windenergienutzung im Hinblick auf den Klimaschutz«, die im
Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellt wurden. Hier
erfährt man, dass Windanlagen »ein nach dem
Bundesnaturschutzgesetz zu schützendes Gut«
beeinträchtigten. Die Errichtung der Anlagen sei stets ein
Eingriff in den Naturhaushalt, da Grund und Boden überbaut,
das Landschaftsbild verändert werde, Vögel getötet oder
verletzt würden.
Man muss es zweimal lesen. Diese Studien aus dem
Umweltministerium besagen schlicht, dass Windkraftnutzung
eigentlich umweltfeindlich sei.