Windmühlen für die Nordsee
 
Sylt-Schickeria stellt sich gegen den geplanten
Windpark
 

 
Von Christopher Heinze
 
 Regenerative Energien gewinnen immer größere Bedeutung. Ökostrom aus Windkraft, produziert auf hoher See - eine scheinbar überzeugende Idee. Doch der Widerstand gegen die Windräder formiert sich.
 
 
       Auf offener See, 30 Kilometer westlich vor der Küste Sylts, soll der erste deutsche Offshore-Bürgerwindpark entstehen. Der Name: “Butendiek”, das ist plattdeutsch und heißt “außendeichs”.
       
       120 Meter hoch sind solche Windräder, jedes mit 40 Meter langen Rotorblättern. Bei Verwirklichung des Projekts werden 80 Stück rund 250 Megawatt erzeugen, Strom für mehr als 200.000 Haushalte. So sehen zumindest die Pläne der Initiatoren, der Offshore-Bürgerwindpark Butendiek GmbH (OSB), aus.
       
BÜRGERNAHES BETEILIGUNGSMODELL
       Das besondere an dem Projekt ist einmal die Dimension: Wird der Windpark wie geplant gebaut, ist er einer der größten seiner Art. Auch nicht alltäglich: die Idee des regionsbezogenen Beteiligungsmodells. Die OSB will vor allem Menschen aus Nordfriesland und Schleswig-Holstein als Teilhaber gewinnen.
       
       Das notwendige Kapital soll von den Anteilseignern kommen, die sich jeweils mit 10.000 Mark Mindesteinlage beteiligen können. “Wir wollen keinen Bürgerwindpark für Besserverdienende”, betont Wolfgang Paulsen, einer der neun Gesellschafter der OSB. Mit 20.000 Anlegern könnte dann das notwendige Kapital von 200 Millionen zusammenkommen.
       
       Das Interesse ist nach OSB-Informationen vorhanden, mehr als 5000 Reservierungen lägen ihnen bereits vor. Die Ziele sind hoch: Der Windpark soll von Anfang an schwarze Zahlen schreiben, so Paulsen. Auf Informationsveranstaltungen werben die Gesellschafter für ihre Idee, wollen weitere Partner überzeugen.
       
INITIATIVE FÜR DIE REGION
       “Wir möchten, dass die Wertschöpfung der Investition vor Ort bleibt”, erklärt Dirk Ketelsen von der OSB, “denn so schaffen wir Akzeptanz für das Projekt.” Wirtschaftliche und ökologische Aspekte heben die Initiatoren heraus, letztendlich profitiere die ganze Region von der umweltfreundlichen Energiegewinnung.
       
       Grundlage der geplanten Rendite - über die Höhe will man noch keine Angaben machen - ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Über einen Zeitraum von neun Jahren garantiert es einen Abnahmepreis von 17,8 Pfennig pro erzeugte Kilowattstunde Windstrom, sofern die Anlagen bis zum Jahr 2006 am Netz sind.
       
       Ein Vorbild für die OSB gibt es schon: der dänische Bürgerwindpark Middelgrunden, der vor Kopenhagen 20 Anlagen betreibt, finanziert von 8000 privaten Anlegern. Middelgrunden ist der bislang weltgrößte Offshore-Windpark und die größte private Betreibergemeinschaft.
       
“DER HORIZONT GEHÖRT ZU SYLT”
       Das Projekt stößt aber bereits jetzt bei einigen Insulanern auf heftigen Widerstand. Aus dem Sylter Nobel-Ort Kampen kommt der stärkste Gegenwind: Die Vorstellung von 120 Meter hoch ragenden “Spargeln”, die bei guter Sicht von der Küste aus zu sehen sein würden, behagt der auf mondänes Publikum eingestellten Gemeinde überhaupt nicht: “Der Horizont gehört zu Sylt”, wettern die Verantwortlichen. Und: die Landschaftsästhetik werde durch Offshore-Anlagen empfindlich gestört, und bei Sonnenschein könnten die Rotorblätter Lichtreflexe auslösen.
       
       Außerdem stellten die Windräder eine zusätzliche Gefahr für die Schifffahrt dar. Bei einer möglichen Havarie seien verheerende Folgen zu erwarten, schreibt die Bürgermeisterin von Kampen, Ruth Sönksen, in einem offenen Brief an den Sylter Landschaftszweckverband. Sönksen weiter: “Zusätzliche Risiken können wir an der Nordsee nicht gebrauchen.”
       
GENEHMIGUNG IST NOCH FRAGLICH
       Ob der Windpark von der zuständigen Behörde, dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg, genehmigt wird, steht noch in den Sternen. Erst mal werden Forderungen und Bedenken aller Interessenträger - vom Naturschutz über die Schifffahrt bis zu Tourismusverbänden - zusammengetragen.
       
       Dazu gehört auch eine aufwendige Umweltverträglichkeitsstudie, durch die Flora und Fauna vor Ort erfasst werden muss. Trotzdem ist die OSB optimistisch, mit überzeugenden Argumenten ihr Projekt durchzubringen. “Denn wir wollen Klimaschutz nicht gegen Artenschutz ausspielen”, so Wolfgang Paulsen.
       
20. April 2001