Pressemitteilung
Nr. 4/98
Investition fehlgeschlagen -
Verbandsbürgermeister haftet gegenüber Ortsgemeinde
Läßt der Bürgermeister einer Verbandsgemeinde zu, daß
eine Ortsgemeinde mit einem Investitionsvorhaben beginnt, obwohl
Bedingungen der Kommunalaufsicht für eine Kreditaufnahme nicht
erfüllt sind, so muß er unter Umständen persönlich für den
Schaden aufkommen, der aus dem späteren finanziellen Fehlschlag
des Projekts entsteht. Dies geht aus einer Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz hervor.
Eine kleine Ortsgemeinde im Eifelraum, deren Wirtschaftsstruktur
auf den Fremdenverkehr ausgerichtet ist, plante ein Hotel mit
angeschlossenem Freizeit- und Erholungszentrum. Das Projekt
sollte teilweise von einem privaten Investor und teilweise von
der Gemeinde finanziert werden, wobei die kommunalen Eigenmittel
zu einem erheblichen Teil durch Kredit zu beschaffen waren. Die
zuständige Kreisverwaltung als Kommunalaufsichtsbehörde stimmte
der Finanzierungskonzeption - unter Zurückstellung von Bedenken
- nur unter bestimmten Bedingungen zu: Vor Baubeginn hatte der
Investor eine Bankbürgschaft von 1 Mio. DM zu stellen und
weitere 1,2 Mio. DM bei der Verbandsgemeindekasse bar
einzuzahlen.
Der Verbandsbürgermeister, der sich von Beginn an mit großem
Engagement für das Projekt eingesetzt hatte, unterrichtete den
Ortsgemeinderat zwar von diesen Bedingungen. Er ließ es dann
aber zu, daß mit der Investition begonnen wurde, obwohl die
Sicherheiten nicht erbracht worden waren. Nach beträchtlichem
Anstieg der Baukosten geriet der Investor in wirtschaftliche
Schwierigkeiten und fiel schließlich in Konkurs. Der
Ortsgemeinde entstand dadurch ein Schaden in Millionenhöhe.
Wegen eines Teilbetrages von etwa 850.000,00 DM nahm die
Verbandsgemeinde ihren damaligen, inzwischen aus dem Amt
geschiedenen Bürgermeister auf Schadensersatz in Anspruch. Das
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, das sich in der
Berufungsinstanz mit dem Fall zu beschäftigen hatte,sprach der
Verbandsgemeinde die Hälfte des eingeklagten Betrages zu und
wies die Klage im übrigen ab.
Der Bürgermeister habe schuldhaft gegen seine Dienstpflichten
verstoßen, befand das Gericht. Denn er habe es nicht zulassen
dürfen, daß mit der Investitionsmaßnahme begonnen wurde, bevor
die geforderten Sicherheiten geleistet waren. Das Gegenargument
des Bürgermeisters, er habe eine Interessenabwägung vornehmen
müssen, weil bei einem weiteren Zuwarten der Wegfall
öffentlicher Gelder und damit das Scheitern des ganzen Vorhabens
gedroht hätte, ließen die Richter nicht gelten: Es gehe
keineswegs darum, "dem aktiven und risikofreudigen
kommunalen Amtswalter, namentlich in strukturschwachen Gebieten,
in kleinlicher Manier in den Arm zu fallen und jede Initiative
abzutöten". Hier habe aber der Bürgermeister wegen der
bindenden Sicherungsvorgaben der Kommunalaufsicht keinen eigenen
Entscheidungsfreiraum mehr gehabt. Eine Abwägung zwischen Zielen
mit unterschiedlicher Priorität sei ihm daher von vornherein
abgeschnitten gewesen. "Der Beamtenstatus des
Bürgermeisters ist weder Privileg noch Selbstzweck. Er
verpflichtet den Bürgermeister, in seinem Verantwortungsbereich
die Beachtung rechtlicher Vorgaben sicherzustellen",
betonten die Richter.
Wegen der Schadenshöhe berücksichtigte das Gericht ein
erhebliches Mitverschulden des Ortsgemeinderates, der sich über
die kommunalaufsichtlichen Bedingungen ebenfalls hinweggesetzt
hatte. Deshalb begrenzte es den Schadensersatz auf die Hälfte
des geforderten Betrages. Aktenzeichen: 2 A 11925/96.OVG
Oberverwaltungsgericht 56068 Koblenz, Rheinland-Pfalz
Deinhardplatz 4, den 05. Februar 1998
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Pressemitteilung Nr. 14/98
Ratsmitglied
darf bei Eigeninteresse nicht am Beschluß über einen Bebauungsplan
mitwirken
Wer aus dem Satzungsbeschluß des Gemeinderates über
einen Bebauungsplan einen eigenen Vorteil ziehen kann, ist als
Ratsmitglied von der Mitwirkung an diesem Beschluß
ausgeschlossen. Dies gilt unter Umständen auch dann, wenn das
Ratsmitglied ein von der Planung betroffenes Grundstück noch vor
Inkrafttretendes Bebauungsplans verkauft hat. Das geht aus einer
heute veröffentlichten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz in Koblenz hervor.
Der Rat einer Gemeinde im Rhein-Nahe-Raum beschloß 1994, für
ein Gelände, in dem sich bislang Kleingärten befanden, einen
Bebauungsplan aufzustellen. Kurz darauf verkaufte ein Mitglied
des Gemeinderates sein eigenes, im Plangebiet gelegenes
Grundstück als Bauerwartungsland an einen Bauinteressenten.
Anfang 1996 beschloß der Gemeinderat unter Mitwirkung des
betreffenden Ratsmitgliedes den Bebauungsplan als Satzung. Der
Erwerber des Grundstücks erhielt noch vor Inkrafttreten des
Bebauungsplans eine Baugenehmigung für ein Wohnhaus.
Daraufhin riefen die Eigentümer eines anderen von dem
Bebauungsplan betroffenen Grundstücks das Oberverwaltungsgericht
an und rügten die Interessenkollision. Das
Oberverwaltungsgericht gab den Antragstellern recht. Es stellte
fest, daß der Bebauungsplan bis zu einer ordnungsgemäßen
Wiederholung des Satzungsbeschlusses nicht wirksam ist.
"Ein Ratsmitglied ist von der Entscheidung über einen
Bebauungsplan ausgeschlossen, wenn die Entscheidung ihm selbst
einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann &
tut;, betonten die Richter. Zwar sei das Ratsmitglied im
Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht mehr Eigentümer des in
Rede stehenden Grundstücks gewesen. Gleichwohl habe die
Ratsentscheidung in seinem Interesse gelegen. Dies folge daraus,
daß das Ratsmitglied das Grundstück im Hinblick auf die
voraussichtliche Bebaubarkeit zum Baulandpreis veräußert habe.
Für die Interessenkollision komme es nicht darauf an, ob ihm
für den Fall, daß die Erwartung des Käufers enttäuscht worden
wäre, eine Schadensersatzforderung gedroht hätte. Denn
jedenfalls hätten sein Ruf und sein Ansehen auf dem Spiel
gestanden, wenn seine Prognose, das Grundstück werde alsbald
bebaubar sein, sich nicht bewahrheitet hätte.
"Das gesetzliche Mitwirkungsverbot verfolgt das Ziel, den
Ratsmitgliedern persönliche Konfliktsituationen zu ersparen und
das Vertrauen der Bürger in eine saubere Kommunalverwaltung zu
erhalten", heißt es in dem Urteil. Deshalb müsse schon der
"böse Schein" einer Interessenkollision vermieden
werden. Aktenzeichen: 1 C 10789/97. OVGOberverwaltungsgericht -
Pressestelle - 56068 Koblenz, den 08. Mai 1998
Anmerkung: Die Entscheidung kann bei der Pressestelle des
Oberverwaltungsgerichts angefordert werden.
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BauGB § 2 Abs. 1; GemO § 18
Die Mitwirkung eines befangenen Gemeinderats an der Beratung
über die Aufstellung eines Bebauungsplans führt grundsätzlich
nicht zur Rechtswidrigkeit eines in einer nachfolgenden Sitzung
gefassten Aufstellungsbeschlusses, es sei denn, die nachfolgende
Sitzung stellt sich ausnahmsweise als bloße Fortsetzung der
vorausgegangenen Sitzung dar.
VGH Mannheim, 3.12.1999, 3 S 2702/98
veröffentlicht in: VGH Baden-Württemberg Rechtsprechungsdienst,
Leitsatzübersicht, 2000, Heft 3, S. 5
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Art. 4, 6 FFH-RL; § 17 FStrG; § 60 c NdsNatSchG
Ein Gebiet, das die Merkmale des Art. 4 Abs. 1 FFH-RL erfüllt
und dessen Meldung für die Aufnahme in das kohärente Netz
"Natura 2000" sich aufdrängt, ist vor vollständiger
Umsetzung der RL als potentielles FFH-Gebiet zu behandeln.
Berührt ein Straßenbauvorhaben ein derartiges Gebiet, ist seine
Zulässigkeit an den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL
zu messen (im Anschluß an BVerwG, Urteil vom 19.5.1998 - 4 A
9.97 -, BVerwGE 107, 1, 21 ff.)
Eine Alternativlösung ist i. S. des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL
nicht vorhanden, wenn sich diese nur mit einem
unverhältnismäßigen Kostenaufwand verwirklichen ließe. Die
Beurteilung unterliegt nicht der fachplanerischen Abwägung
gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG oder einer anderweitigen
Ermessensentscheidung der Planfeststellungsbehörde.
Sollen mit dem Bau einer Ortsumgehungsstraße innerörtliche
Unfallschwerpunkte entschärft und weitere Verkehrsunfälle mit
Todes- und Verletzungsfolgen vermieden werden, so können diesem
Ziel "Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des
Menschen" i. S. des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL zugrunde
liegen. Gleiches gilt, wenn bestehende schädliche
Umwelteinwirkungen durch Lärm und Autoabgase zugunsten der
Anwohner der Ortsdurchfahrtsstraße vermieden oder erheblich
verringert werden sollen.
Auch "Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des
Menschen" i. S. des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL können
eine erhebliche Beeinträchtigung eines (hier: potentiellen)
FFH-Gebiets nur rechtfertigen, wenn es sich bei ihnen um
"zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen
Interesses" i. S. des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL handelt.
Sollen mit dem Bau einer Ortsumgehungsstraße innerörtliche
Unfallschwerpunkte entschärft werden und führt dies
zwangsläufig zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines (hier:
potentiellen) FFH-Gebiets, das einen prioritären natürlichen
Lebensraumtyp und/ oder eine prioritäre Art einschließt,
erfordern "Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit
des Menschen" (Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL) eine konkrete
Ermittlung und Bewertung des bisherigen Unfallgeschehens im
Vergleich zu dem Zustand nach Durchführung der Planung i. S.
einer Gesamtbilanzierung. Bei abschnittsweiser Planung hat sich
die erforderliche Prognose auf die Gesamtplanung zu erstrecken.
BVerwG, 27.1.2000, 4 C 2.99, (OVG Lüneburg, 18.11.1998, 7 K
912/98)
veröffentlicht in: Deutsches Verwaltungsblatt, 2000, Heft 11, S.
814
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HBO §§ 61 Abs. 2, 78 Abs. 1; § 3 LSchVO Taunus
Die Bauaufsichtsbehörde kann zum Anlaß für Maßnahmen der
Gefahrenabwehr auch die Verletzung von Vorschriften des
Naturschutzes und der Landschaftspflege nehmen (Abweichung von
VGH Kassel v. 21.4.1986 - 3 UE 1714/85, NuR 1987, 84/85 und
Kassel v. 5.12.1994 - 4 TH 2165/94, NuR 1995, 296).
VGH Kassel, 20.12.1999, 4 TG 4637/98
veröffentlicht in: Natur und Recht, 2000, Heft 5, S. 288
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BNatschG §§ 20f Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 1; VwVG HE §§ 69,
74; VwVG HE § 44 Abs. 2 Nr. 5
Mit einer vollstreckbaren Verfügung, die die Beseitigung einer
Außenbereichshütte anordnet, wird von dem Betroffenen nicht die
Begehung einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 44 Abs.2 Nr. 5
HVwVfG (VwVfG HE) verlangt, wenn dabei das Nest eines Zaunkönigs
zerstört wird.
Nicht jede Beseitigung einer Nist-/Zufluchtstätte fällt unter
die Schutznorm des § 30 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG. Aus dem
Tatbestandsmerkmal dieser Vorschrift "der Natur
entnimmt" folgt, daß der Schutzzweck dieser Vorschrift
nicht die Vereitelung oder wesentliche Erschwerung einer
bestimmungsmäßigen Nutzung von Bauwerken und Räumlichkeiten
mitumfaßt, sondern diesen Bereich ausgrenzt.
VGH Kassel, 22.9.1993, 3 UE 1064/91
veröffentlicht in: Natur und Recht, 2000, Heft 5, S. 287
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VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
Wird der Landschaftsschutz eines die Gemarkungen mehrerer
Gemeinden erfassenden großräumigen Waldgebietes bei der
generellen Überarbeitung der Landschaftsschutzverordnung in
verschiedenen (Rand-)Bereichen aufgehoben, um dort mit Blick auf
die aktuelle Flächennutzungsplanung der Gemeinden die Ausweisung
von Siedlungsflächen zu ermöglichen, sind die
Beeinträchtigungen, die sich erst aus der baulichen Nutzung und
der dafür erforderlichen Rodung des Waldes auf einer der
künftigen Siedlungsflächen für die dortigen Nachbarn des
bisherigen Schutzgebietes ergeben, der Aufhebung des
Landschaftsschutzes nicht zuzuordnen, wenn bei Aufhebung des
Landschaftsschutzes noch kein Bebauungsplanverfahren eingeleitet
und die Erteilung der erforderlichen Waldumwandlungserklärung
ungewiß war.
Die Nachbarn des bisherigen Schutzgebietes können im Hinblick
auf diese Beeinträchtigungen nicht i. S. von § 47 Abs. 2 S. 1
VwGO geltend machen, "durch" die Aufhebung des
Landschaftsschutzes in ihren Rechten verletzt zu sein oder in
absehbarer Zeit verletzt zu werden.
VGH Mannheim, 24.6.1999, 5 S 2967/97
veröffentlicht in: Natur und Recht, 2000, Heft 5, S. 275