Von
Klaus Hart
Für den innenpolitischen Hausgebrauch predigen Joseph Fischer und Jürgen Trittin den Atomausstieg – in internationalen Dokumenten verpflichten sie Deutschland auf einen klaren Pro-Atomkraft-Kurs, handeln entsprechend. Ein alter Hut für echte Naturschützer, die nichts auf Regierungs-Blabla geben, weil sie beispielsweise das letztes Jahr von Rot-Grün in New York unterzeichnete Kommunique der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag genau kennen. Zuständige Grünen-und SPD-Politiker, das Bundesumweltministerium selber, sind erwartungsgemäß selbst auf mehrfache Rabe-Ralf-Anfrage nicht bereit, den Widerspruch zu erklären, manche Amtsträger tun gegenüber dieser Zeitschrift allen Ernstes so, als sei ihnen das Dokument gar nicht bekannt. Das erklärt sich aus den Formulierungen des Dokuments. „Die Konferenz erkennt die Vorteile der friedlichen Atomenergie-Nutzung und nuklearer Techniken an“, steht da geschrieben, „und ihren Beitrag, um in den Entwicklungsländern nachhaltige Entwicklung zu erreichen, sowie um generell das Wohlergehen und die Lebensqualität der Menschheit zu verbessern.“ Notwendig sei, die friedliche Nutzung der Atomenergie durch alle Staaten über Kooperation zu fördern, speziell in der Dritten Welt. Dafür müßten Technologie, Ausrüstungen sowie wissenschaftliche Informationen im Rahmen effizienter Programme ausgetauscht werden. Joseph Fischers Diplomaten hatten in New York die Möglichkeit, das Dokument entweder gar nicht zu unterzeichnen oder zumindest sogenannte Gegenvoten einzubringen. Beides geschah wohlweislich nicht. Von den intelligentesten Köpfen der SPD wurde dies natürlich bemerkt. Dr. Holger Rogall, Hochschullehrer, renommierter Berliner Umweltpolitiker, im Abgeordnetenhaus umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, zum Raben Ralf: “Man kann nicht den Atomausstieg beschließen und nachher an einer anderen Stelle sich verpflichten, die Entwicklung der Atomenergie-Nutzung voranzutreiben – das ist unakzeptabel, mißlich und ein Widerspruch, mit dem die Politik eigentlich nicht leben kann. Die deutsche Diplomatie ist gehalten, die Ziele der Bundesregierung auch auf anderen Ebenen deutlich zu machen. Daß dies hier so gelaufen ist, halte ich nicht für glücklich. Das ist schon ein dolles Ding...“ Hartwig Berger, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zeigte sich gegenüber dem Raben Ralf überrascht, daß Fischer/Trittin international solche Positionen vertraten:“Hoffentlich hat die Bundesregierung Vorbehalte gemacht! Ich halte das für keine ernsthafte Atomausstiegspolitik, was von der Bundesregierung mit den Stromkonzernen beschlossen wurde – das ist Verschleppungsstrategie, die gute Chancen hat, in einem langen Jammer zu enden. Ich habe mich, ebenso wie die Mehrheit der Grünen, immer dafür eingesetzt, daß der Bund nicht Ausbau und Fortsetzung der Atomwirtschaft in anderen Ländern unterstützt.“
Die
windkraftkritische Umweltschützerbewegung Deutschlands hat das Atom-Doppelspiel
der Regierung natürlich längst kritisiert. „Solar-und Windenergie“, so der
Darmstädter Energieexperte Wilfried Heck, „sind in der international verbindlichen
Politik genauso marginal zu werten wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz, ein
Koalitionsvertrag oder ein unverbindlicher „Atomkonsens“:Unbedeutend, additiv
und jederzeit änderbar – nicht unumkehrbar.“ Natürlich hält sich Rot-Grün
neoliberal an seine internationalen Verpflichtungen – in Brasilien ging dieses
Jahr ein neues Siemens-AKW in den Dauerbetrieb, daneben ist ein weiteres im
Bau, die bereits gelieferten Teile sind mit Hermes-Bürgschaften abgesichert.
Die Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung eines Atomkrieges(IPPNW)kritisiert
in einer Presseerklärung vom 14.Dezember 2000 „die Mit-Finanzierung von bislang
vier Atomkraftwerksblöcken durch die rot-grüne Bundesregierung. Mit ihrer
Stimmenenthaltung im Direktorium der Europäischen Bank für Wiederaufbau und
Entwicklung (EBRD) hat die Deutsche Bundesregierung den Weg freigemacht für
den Fertigbau von zwei neuen Atomkraftwerksblöcken(K2R4) in der Ukraine unter
Beteiligung von Siemens und Framatome. Nach einem ungeschriebenen Gesetz der
EBRD werden Kredite nicht gegen das Votum wichtiger Länder bewilligt. Die
G-7-Staaten und Italien hätten also die Möglichkeit gehabt, die Atomkredite
für K2R4 zu verhindern.“ Die weitere Mitfinanzierung bezieht sich auf Hermes-Bürgschaften
für zwei neue Atomkraftwerksblöcke in China zugunsten von Siemens, ferner
auf die Exportgenehmigng für die Hanauer Plutoniumfabrik von Siemens nach
Rußland sowie auf eine Hermes-Bürgschaft für die Nachrüstung des slowenischen
Atomkraftwerks Krsko durch Siemens. Der deutsche Staatssekretär Wolfgang Ischinger
aus Fischers Auswärtigem Amt hatte in New York das Pro-Atomkraft-Dokument
in einer Ansprache vor den 187 Unterzeichnerstaaten in den höchsten Tönen
gewürdigt.