Bürgerinitiative Rheinhessen-Pfalz
Zwischen Rhein und Donnersberg

Herrn
Ministerpräsident
Kurt Beck
Staatskanzlei
Peter-Altmeier-Allee 1
55116 Mainz

10.12.01

Guten Tag Herr Ministerpräsident,

im Zuge des Raumordnungsverfahrens kam die SGD Süd insgesamt zu dem Ergebnis, daß der auf der Ober-Flörsheimer Gemarkung geplante und als "Erweiterung" des Windindustriekomplexes Flomborn/Stetten deklarierte Zubau von Windindustrieanlagen mit den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung nicht vereinbar ist.

So stelle der Flomborner Windpark zwar eine Vorbelastung dar, doch könne dieses Argument nicht beliebig fortgeführt werden, wenn die Belastung eines Raumes selbst an seine Grenzen stoße.

Für die Entscheidungsfindung nicht zu unterschätzen seien die Einwände betroffener Verbandsgemeinden wie Monsheim, Westhofen, Göllheim oder Kirchheimbolanden, und betroffener Ortsgemeinden wie Stetten, Mölsheim, Flörsheim-Dalsheim, Gundersheim, Einselthum, Zellertal, usw. Dass sich die Argumente vornehmlich auf die Aspekte Vogelschutz, Landschaftsbild und Tourismus konzentrierten, erscheine plausibel.

Die hohe Anzahl von Unterschriften - insgesamt 1671 - von betroffenen Bürgern aus dem Raum mache darüber hinaus deutlich, dass die bestehenden Anlagen hinsichtlich der Akzeptanz vor Ort eine Grenze erreicht hätten. Die vorgetragenen Themenbereiche Vogelschutz, Landschaftsbild und Tourismus sprächen nicht gegen die Einwendungen, sondern untermauerten die Belastung des Raumes bzw. dessen Auslastung im Hinblick auf weitere geplante Anlagen.

An dieser Stelle möchten wir an den von Ihnen geschlossen Koalitionsvertrag erinnern, in dem bzgl. des weiteren Ausbaus der Windenergienutzung folgende Zusage getroffen wurde. "Dabei sollen Beeinträchtigungen der Landschaft vermieden und regionale Widerstände berücksichtigt werden."

Auf Grundlage der im Widerstreit vorgetragenen Auffassungen zu einzelnen Sachpunkten hinsichtlich des Naturschutzes, diesen Falls ein EU-Vogelschutz Gebiet betreffend, konnte die SGD Süd kein einheitliches, aber ein eine klare Entscheidung begünstigendes Meinungsbild, die Bedeutung des betroffenen Gebietes im Hinblick auf angestrebte Nutzungen und deren Verträglichkeit, erkennen. Diesbezüglich sprächen die Stellungnahmen eine eindeutige Sprache.

Der komplette Windkraftbereich läge in einem ("faktischen") Vogelschutzgebiet. Unstrittig sei, daß dieses Gebiet von geschützten Vogelarten (Weihen) intensiv genutzt und von landesweiter Bedeutung sei. Für die weitere Entwicklung des Vogelschutzgebiets sollte die Schaffung von Vertikalstrukturen vermieden werden. Sie führe nämlich dazu, dass die Offenheit des Geländes beschnitten würde. Gerade diese Aussage lege die Vermutung nahe, dass Windenergieanlagen nicht nur Störungen verursachten, sondern gerade in ihrer vertikalen Ausrichtung einer grundlegenden Weiterentwicklung des Gebietes im Hinblick auf einen angestrebten Schutzzweck zuwiderlaufen.

Auf Betreiben der Firma JuWi, die Zahl der Anlagen zu reduzieren, intervenierte das Umweltministerium. Diese bewirkte eine "ergänzende Bewertung" durch das Landesumweltamt. So habe das Umweltministerium "im Hinblick auf eine reduzierte Anzahl von acht Anlagen signalisiert, dass diese ohne erhebliche zusätzliche Belastung tolerierbar seien." Dieser Auffassung habe sich schließlich auch das Innenministerium angeschlossen.

Wir weisen darauf hin, daß die Intervention der genannten Ministerien eine Verletzung derzeit geltenden EU-Rechts bewirkt. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (u. a. Santona-Urteil vom 02.08.93, Basse Cobière-Urteil, C-374/98 vom 7.12.2000) zufolge gelten die strengen Schutzbestimmungen des Art. 4 Abs. 4 Vogelschutzrichtlinie unmittelbar für ein Gebiet, das wegen seiner herausragenden Bedeutung für den europäischen Vogelschutz in jedem Fall, also ohne jedes Auswahlermessen, unter Schutz gestellt werden muß. In einem faktischen Vogelschutzgebiet wirkt sich dieser Artikel als ein prinzipiell strikt zu beachtendes Planungsverbot aus. Zudem sind Windindustrieanlagen weder in FFH- noch in Vogelschutzgebieten zulässig (vgl. Hinweise zur Zulässigkeit von Windindustrieanlagen ...).

Wir möchten Sie, als Ministerpräsidenten dieses Bundeslandes, bitten, die Ihnen unterstellten Ministerien zu einer unverzüglichen Revision der Mißachtung von geltendem Gemeinschaftsrecht zu bewegen. Zudem wären wir Ihnen für die Beantwortung der Frage dankbar, woher die genannten Ministerien das Recht herleiten, auf Betreiben eines privaten Geschäftmannes Einfluß auf den Verlauf eines öffentlichen, behördlichen Verfahrens zu nehmen und damit geschäftliche Interessen Einzelner über EU-Recht, Gemeinwohl und Bürgerwillen zu stellen.

Ferner fordern wir die Einlösung der im Koalitionsvertrag getroffen Zusage, Beeinträchtigungen der Landschaft zu vermieden und regionale Widerstände zu berücksichtigen.

In Erwartung Ihrer Antwort verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen

Ihre
Bürgerinitiative Rheinhessen-Pfalz
Zwischen Rhein und Donnersberg