Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft, Haftung der Gesellschafter
BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00 - OLG Nürnberg, LG Ansbach
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
s. dazu auch BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483
Amtl. Leitsätze:
a) Die (Außen-)Gesellschaft
bürgerlichen Rechts besitzt Rechtsfähigkeit, soweit sie durch
Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten
begründet.
b) In diesem
Rahmen ist sie zugleich im Zivilprozeß aktiv- und passiv
parteifähig.
c) Soweit der
Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft
bürgerlichen Rechts persönlich haftet, entspricht das
Verhältnis zwischen der Verbindlichkeit der Gesellschaft und der
Haftung des Gesellschafters derjenigen bei der OHG
(Akzessorietät) - Fortführung von BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483.
Zentrale Probleme:
Aus der Presseerklärung des BGH zur vorliegenden Entscheidung:
"Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die Grundform der Personengesellschaft. Sie liegt vor, wenn mehrere Personen sich in Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließen, ohne ein Handelsgewerbe zu betreiben und ohne eine andere, spezielle Rechtsform für die Kooperation zu vereinbaren. Im Wirtschaftsleben kommt diese Gesellschaftsform häufig im kleingewerblichen Bereich, bei Sozietäten von Ärzten, Rechtsanwälten und anderen Freiberuflern und bei Kooperationen mehrerer Unternehmen anläßlich eines gemeinsamen Projekts, wie beispielsweise der bauwirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft (ARGE), vor.
Das Reichsgericht und später der Bundesgerichtshof standen zunächst auf dem Standpunkt, daß die Gesellschaft selbst nicht rechtsfähig sei, sondern daß aus den von der Gesellschaft geschlossenen Geschäften ausschließlich die Gesellschafter selbst berechtigt und verpflichtet würden. Im Laufe der Zeit ging der Bundesgerichtshof aber zunehmend dazu über, die Gesellschaft als Gruppe der in ihr zusammengeschlossenen Gesellschafter selbst als Träger der in ihrem Namen begründeten Rechte und Pflichten anzusehen. So hat er die Gesellschaft beispielsweise für fähig erachtet, Mitglied in anderen Gesellschaften zu werden oder Scheckverbindlichkeiten einzugehen. Gleichwohl hat es auch der Bundesgerichtshof bisher abgelehnt, die Gesellschaft selbst im Zivilprozeß als klagende oder beklagte Partei zuzulassen. Infolgedessen mußten im Zivilprozeß bisher immer sämtliche Gesellschafter selbst (als sog. Streitgenossen) verklagt werden, wenn anschließend in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden sollte. Dies hatte im Klage- und Vollstreckungsverfahren, wenn die genaue Zusammensetzung des Gesellschafterkreises nicht bekannt oder umstritten war, immer wieder zu erheblichen praktischen Problemen bei der Rechtsverfolgung geführt, so beispielsweise bei Publikumsgesellschaften in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die über eine Vielzahl von Mitgliedern verfügen und deren Mitgliederbestand sich kontinuierlich verändert.
Mit der jetzt verkündeten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof diese praktischen Probleme für die Rechtssuchenden beseitigt. Wenn die Gesellschaft selber und nicht ihre einzelnen Gesellschafter als Träger der in ihrem Namen begründeten Rechte und Pflichten anzusehen ist, so kann ihr insoweit eigene Rechtsfähigkeit nicht abgesprochen werden. Konsequenterweise muß sie diese Rechte auch selber (vertreten durch den oder die jeweils geschäftsführenden Gesellschafter) vor Gericht als Klägerin geltend machen (sog. aktive Parteifähigkeit) oder vor Gericht als Beklagte auf die Erfüllung ihrer Pflichten verklagt werden können (sog. passive Parteifähigkeit). Infolgedessen ist zur Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen künftig nicht mehr die Erwirkung eines Urteils gegen sämtliche, möglicherweise gar nicht bekannten Gesellschafter erforderlich. Es genügt ein Urteil (oder ein sonstiger Vollstreckungstitel) gegen die Gesellschaft selber.
Der Erwirkung eines Urteils gegen einen Gesellschafter persönlich bedarf es nur, wenn auch in dessen Privatvermögen vollstreckt werden soll. Dazu stellt das jetzt verkündete Urteil in Fortführung einer früheren Entscheidung klar, daß die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vorbehaltlich einer anderweiten Absprache mit dem Gläubiger) für die während ihrer Zugehörigkeit zu der Gesellschaft begründeten vertraglichen Verbindlichkeiten der Gesellschaft in ihrem jeweiligen Bestand, z.B. auch bei Erhöhung durch Verzugszinsen, auch persönlich mit ihrem privaten Vermögen haften (sog. Prinzip der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung). Die Haftung der Mitglieder jedenfalls einer wirtschaftlich tätigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts gestaltet sich insoweit ähnlich derjenigen einer offenen Handelsgesellschaft.
Konkret ging es in dem entschiedenen Fall darum, daß die Klägerin eine ARGE in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts neben ihren Gesellschaftern auf Zahlung einer in ihrem Namen begründeten Wechselverbindlichkeit in Anspruch genommen hat. Das Oberlandesgericht Nürnberg als Vorinstanz hat die gegen die Gesellschaft gerichtete Klage auf der Grundlage der bisherigen Auffassung als unzulässig abgewiesen, weil die ARGE als Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Zivilprozeß nicht parteifähig sei. Diese Entscheidung konnte nach Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft durch den Bundesgerichtshof keinen Bestand haben."
Zur Haftung s. auch die Anm. zu BGHZ 142, 315 = BGH NJW 1999, 3483
Haftungsbegrenzung in der BGB-Gesellschaft und Stellvertretungsrecht: "GbR mbH"
BGH, Urt. v. 27.9.1999 - II ZR 371/98
Fundstelle:
BGHZ 142, 315
NJW
1999, 3483
JuS 2000, 188 (Karsten
Schmidt)
s. dazu nunmehr unbedingt auch BGH v. 29.1.2001 - II ZR 331/00
Zentralproblem des Falles:
Die Frage, inwieweit bereits die
BGB-Gesellschaft (§§ 705 ff BGB) einer rechtsfähigen
juristischen Person angenähert ist, ist in der
gesellschaftsrechtlichen Literatur sowie in der Rechtsprechung
überaus streitig. Eine wichtige Frage ist dabei diejenige der
persönlichen Haftung der Gesellschafter. Zwar herrscht Einigkeit
darüber, daß die Gesellschafter für Gesellschaftsschulden
unmittelbar persönlich haften, jedoch ist streitig, ob diese
Haftung (bei vertraglichen Verpflichtungen) unmittelbar durch den
Vertragsschluß zustandekommt, weil und soweit der bzw. die
geschäftsführenden Stellvertreter im Namen und mit
Vertretungsmacht für die übrigen Gesellschafter handeln und
diese deshalb gem. §§ 164 I, 714 BGB rechtsgeschäftlich
mitverpflichten (so die "traditionalistische"
Auffassung der Rechtsprechung [Doppelverpflichtungstheorie],
die sich auf den Gesetzestext sowie auf den historischen
Gesetzgeber berufen kann) oder ob die BGB-Gesellschaft
(Gesellschaft bürgerlichen Rechts = GbR) eine
verpflichtungsfähige Rechtsperson ist und in dieser Eigenschaft
primär aus den sie betreffenden Schuldverhältnissen berechtigt
und verpflichtet wird, während die Gesellschafter selbst aber kraft
Gesetzes gegenüber Dritten generell für die
Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften (so die
"modernere" Auffassung der Literatur, die den
Rechtsgedanken des § 128 HGB heranzieht [Theorie der akzessorischen
Haftung bzw. der kollektiven Einheit]).
Nach der traditionalistischen Auffassung gibt es also unmittelbar
und nur die Haftung der Gesellschafter, eine Haftung "der
Gesellschaft", welcher kraft Gesetzes eine Haftung
der Gesellschafter folgen würde (zum OHG- bzw KG-Recht vgl. §
128, 161 II, 171 HGB, wo ausdrücklich von
"Verbindlichkeiten der Gesellschaft" die Rede ist)
existiert gar nicht.
Dieser Streit ist von entscheidender Bedeutung für die Frage, ob
und wie es möglich ist, auch bei einer GbR zu einer
Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen und damit zu
einem Ausschluß der persönlichen Haftung der Gesellschafter zu
kommen.
Der vorliegenden Entscheidung liegt dabei die - rechtspolitisch
sicherlich richtige - Vorstellung zugrunde, daß eine solche
Haftungsbegrenzung grundsätzlich unerwünscht ist, weil der
Gesetzgeber dafür die Rechtsform der GmbH geschaffen hat, deren
Gläubigerschutzvorschriften (insbes. über das Mindestkapital)
nicht über die Konstruktion einer "GbR mit beschränkter
Haftung" umgangen werden sollen.
Der BGH glaubt, im vorliegenden Fall den Streit zwischen der
tradtionalistischen und der der "modernen"
Haftungstheorie offenlassen zu können, weil auch nach der
"traditionalistischen Theorie" der Haftungsausschluß
unwirksam sei.
Danach ist eine de facto Haftungsbeschränkung der GbR auf
dem "Umweg" über das Stellvertretungsrecht möglich:
Da - anders als im Recht der OHG/KG (vgl. § 126 II, 161 II HGB)
- die Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer GbR beliebig
einschränkbar ist, wird dem Geschäftsführer Vertretungsmacht
nur für solche Geschäfte eingeräumt, in welchen er - was nach
§ 305 BGB natürlich möglich ist - mit dem Dritten
(Vertragspartner) die Haftung aus dem Vertrag auf das
Gesellschaftsvermögen beschränkt. Gelingt ihm dies, besteht
keine persönliche Haftung der Gesellschafter, weil es so
vereinbart ist. Gelingt ihm dies nicht und wird die
Haftungsbeschränkung nicht Vertragsbestandteil, fehlt es an der
Vertretungsmacht, weil der Geschäftsführer seine
Vertretungsmacht überschreitet. Die übrigen Gesellschafter
werden überhaupt nicht verpflichtet, weil die
Tatbestandsvoraussetzung des § 164 I BGB ("innerhalb der
ihm zustehenden Vertretungsmacht") nicht vorliegt (sofern
nicht ein Fall der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vorliegt).
Der Geschäftsführer haftet als falsus procurator nach §
179 BGB. Die übrigen Gesellschafter sind dann also immer
geschützt: Entweder durch die vertragliche Haftungsbeschränkung
oder über die fehlende Vertretungsmacht desjenigen, der für sie
gehandelt hat. Da dieser "Trick" ist nur für das Recht
der OHG/KG gesetzlich ausgeschlossen ist, kann man im
Umkehrschluß annehmen, daß er im Recht der GbR grundsätzlich
zulässig ist. Die Rechtsprechung hat aber - aus den erwähnten
Gründen des Gläubigerschutzes, verlangt, daß die Beschränkung
der Vertretungsmacht des Geschäftsführers, nur Verträge mit
der Vereinbarung einer Haftungsbegrenzung auf das
Gesellschaftsvermögen schließen zu dürfen, für den
Vertragspartner zumindest erkennbar sein muß (vgl. RGZ 63, 62
[65]; 90, 173 [176]; 155, 75 [87]; BGH NJW 1985, 619; NJW-RR
1994, 98). Ist dies nicht der Fall, hat sie im Außenverhältnis
umfassende Vertretungsmacht des Geschäftsführers bejaht. Ist
diesem dann nicht gelungen, in dem von ihm abgeschlossenen
Vertrag die Haftungsbegrenzung zu vereinbaren, haften die
übrigen Gesellschafter nach §§ 164 I, 714 BGB vollumfänglich
persönlich.
In der vorliegenden Fallkonstellation sind daher zwei Fragen zu unterscheiden:
Zur ersten Frage führt der
BGH zutreffend aus, daß die bloße Benutzung eines Stempels mit
dem Aufdruck "GbR mbH" (aus dem nach §§ 133, 157 BGB
maßgeblichen Empfängerhorizont) noch nicht ausreicht, um die
vom geschäfstführer nicht ausdrücklich erwähnte
Haftungsbegrenzung zum Inhalt seiner Willenserklärung und damit
zum Gegenstand der vertraglichen Einigung zu machen.
Bei der zweiten Frage umgeht der BGH mit m.E. nicht
vertretbarer Argumentation das eigentliche Problem: Er behauptet
nämlich in zwei lapidaren Sätzen (unter II.),
der Geschäftsführer habe seine Vertretungsmacht gar nicht
überschritten, weil es ihm lediglich vorgeschrieben war, den
Stempel zu benutzen, d.h. so zu handeln, wie er gehandelt hat.
Das ist schon angesichts der klaren Vertretungsregelung im
Gesellschaftsvertrag (§ 7 I) nahezu absurd. Richtigerweise muß
man hier die Frage stellen, ob - sofern nicht ein Fall der
Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vorlag - die Begrenzung der
Vertretungsmacht im Einzelfall nach außen erkennbar war, was man
angesichts der klaren Bezeichnung der Gesellschaft als "GbR
mbH" zumindest im Geschäftsverkehr bejahen kann (vgl. aber
BGH NJW 1992, 3037, wonach die Namensangabe "GbR mbH"
auf dem Briefkopf nicht genügt). Damit wäre im vorliegenden
Fall primär das Vorliegen einer Duldungs- oder
Anscheinsvollmacht zu prüfen gewesen. Lag eines solche nicht
vor, ließe sich mangels Vertretungsmacht eine Verpflichtung der
Gesellschafter verneinen.
Einige Ausführungen des BGH, insbesondere aber der (amtliche)
Leitsatz der Entscheidung deuten aber auch darauf hin, daß
zumindest obiter die Doppelverpflichtungstheorie
verabschiedet wird und auch der BGH nunmehr von einer gesetztlich
akzessorischen Haftung der Gesellschafter für Schulden der
Gesellschaft ausgeht. Nimmt man eine solche akzessorische gesetzliche
(und eben nicht über das Stellvertretungsrecht herbeigeführte) Haftung
an, bleibt kaum Raum für den "Trick" mit der
Begrenzung der Vertretungsmacht. Eine Haftungsbegrenzung ist dann
nicht generell, sondern nur für den jeweiligen Einzelvertrag
durch vertragliche Vereinbarung möglich. Gelingt sie nicht,
bleibt es bei der unbeschränkten persönlichen Haftung. Damit
wäre die "GbR mbH" tot. Liest man die Entscheidung
genau, läßt der BGH die Frage aber letztlich offen, weil er im
Ergebnis dieses Falles auch nach der traditionalistischen
Auffassung eine Haftungsbegrenzung (zumindest in der Begründung
aber zu Unrecht) verneint. Es wäre zu wünschen gewesen, daß
der BGH zu diesem dogmatisch wie praktisch äußerst wichtigen
Problem deutlich und unmißverständlich Stellung nimmt.
Amtl. Leitsatz:
Für die im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründeten Verpflichtungen haften die Gesellschafter kraft Gesetzes auch persönlich. Diese Haftung kann nicht durch einen Namenszusatz oder einen anderen, den Willen, nur beschränkt für diese Verpflichtungen einzustehen, verdeutlichenden Hinweis beschränkt werden, sondern nur durch eine individualvertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden.
II. Die von der Bekl. bei dem Abschluß des
Mietvertrags mit der Kl. beabsichtigte Haftungsbeschränkung auf
das Gesellschaftsvermögen wäre nach alledem nur dann wirksam
geworden, wenn sie durch eine individuelle Absprache der Parteien
in diesem Mietvertrag einbezogen worden wäre. Das ist nicht
geschehen. Deshalb haben die, Bekl. persönlich für die der Kl.
gegenüber bestehenden Mietschulden einzustehen. Der Bekl. zu
1 handelte mit Vertretungsmacht. Nach dem Willen seiner
Mitgesellschafter sollte er im Rechtsverkehr so auftreten, wie er
aufgetreten ist, und für die Gesellschaft den Mietvertrag
abschließen. Die bloße Fehlvorstellung der Gesellschafter, sie
könnten ihre Verpflichtungen aus Geschäften der Gesellschaft
durch einen auf diesen Wunsch hinweisenden Zusatz zum Namen der
Gesellschaft auf das Gesellschaftsvermögen beschränken, ist
nicht geeignet, die dem Bekl. zu 1 eingeräumte Vertretungsmacht
gegenüber Dritten in Frage zu stellen.