Richter entziehen Gemeinde die Planungshoheit

Alarmierend ist das Urteil der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts den Landkreis Alzey-Worms betrffend. Auf den Punkt gebracht ergibt sich für uns, die Betroffenen:

Äußerst dubiose Genehmigungspraktiken schufen "eine Beeinträchtigung in so hohem Maß", daß der verbleibende Rest an Lebensraum nach richterlicher "Einsicht" (unter Auslaßung rechtlicher Gründe) in der Folge vollends ZERSTÖRT werden darf! - Zumindest haben wir jetzt eine richterliche Bestätigung, daß diese Windschwachsinnsrotoren eine "Beeinträchtigung in so hohem Maß" sind ....

Die Planungshoheit liegt bei der Gemeinde. Das sagt das Gesetz! Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts spricht der Gemeinde Gau-Heppenheim dieses Recht ab.
Nach der Rechtslage und diesbzgl. Urteile, liegen die Richter falsch. Denn sowohl der Raumordnungs- als auch der Flächennutzungsplan sollen doch - wie stets propagiert - den Wildwuchs steueren. Auch wenn, bzw. gerade weil das Gebiet einen Vorrang für (die neun vorhandenen) Anlagen ausweist, ist damit auch eine absolute Begrenzung(!!) ausgewiesen. Genau diese Begrenzung sprechen die Richter den gesetzlich verankerten Steuerungsmechanismen (Raumordnungs- und Bauleitplanung) ab. - Das Argument "das Landschaftsbild sei bereits in so hohem Maße beeinträchtigt, dass es nicht einzusehen ist ...", ist auch nicht Ansatzweise aus irgendeinem Gesetz oder Recht hergeleitet, sondern gibt lediglich die persönl. "Einsicht" bzw. "nicht Einsicht" von Richtern wieder.

Falsch ist außerdem, daß das restliche Gebiet nun als Fläche für die Landwirtschaft deklariert sei. Denn bevor die Windräder kamen, waren alle fraglichen Flächen für die lanwirtschaftliche Nutzung vorgesehen. Die Gemeinde mußte gezwungenermaßen die "Steuermechanismen" anwenden und den Nicht-Windradflächen eine Nutzung zuweisen, sie also in diesem Fall als Landwirtschaftsflächen deklarieren, weil sonst der Windrad-Vorrang überhaupt keine Abgrenzung gehabt hätte und alle anderen Flächen als "weiße Flächen" im rechtsfreien Raum gestanden hätten. Seit Jahren wird den Gemeinden eingetrichtert, um sich vor Windradwildwuchs zu schützen, müßten sie Vorrangflächen ausweisen und die anderen Flächen als Ausschlußflächen deklarieren. Genau diese juristischen Vor- und Maßgaben, wirft nun ein - meiner Meinung nach - unqualifiziertes Gericht über den Haufen!

Wie sollen sich künfig Gemeinden oder Landkreise vor dem Raubbau noch schützen, wenn ihnen der gesetzliche Schutz abgesprochen wird????

Artikel in der Allgemeinen Zeitung:

"Im Wortsinn den Boden entzogen"
Gericht entscheidet: Auf dem Kloppberg dürfen weitere Windräder gebaut werden
Vom 29.11.2003
GAU-HEPPENHEIM - Auf dem Kloppberg bei Gau-Heppenheim dürfen zwei weitere Windkraftanlagen errichtet werden. Das hat das Verwaltungsgericht Mainz entschieden.
Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Dix

Der Windkraftbetreiber aus Lambsheim (Pfalz) hatte geklagt, weil die Gemeinde einen Bebauungsplan aufgestellt hatte, der die Zahl der Windräder in dem Areal faktisch auf die vorhandenen neun Anlagen beschränkte. Den Antrag der Firma, zwei weitere Windräder bauen zu dürfen, lehnte das zuständige Kreisbauamt deshalb ab (wir berichteten).

Diesen Bebauungsplan erklärte die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts jetzt für nichtig. Zwar folgten die Juristen nicht den Argumenten des Klägers, die Gemeinde betreibe eine reine Verhinderungsplanung; allerdings habe sie bei der Aufstellung des Bebauungsplans nicht hinreichend berücksichtigt, dass das Areal im Regionalen Raumordnungsplan sowie im Flächennutzungsplan vorrangig für die Windkraftnutzung vorgesehen ist.

Auch wenn die Gemeinde jahrelang eine "Vorreiterrolle" auf dem Gebiet der Windenergienutzung gespielt habe, könne sie es nicht als ihr Recht ansehen, die Zahl und Höhe der Anlagen zu beschränken, heißt es in dem Urteil. Die Argumente der Gemeinde gegen die Aufstellung weiterer Windräder - etwa eine wachsende Abneigung bei den Bürgern und die zunehmende Verschandelung des Landschaftsbildes - sind nach Ansicht der Richter nicht so erheblich, dass sie "den vorrangigen Belang der Nutzung erneuerbarer Energien überwinden könnten". Das Landschaftsbild sei bereits in so hohem Maße beeinträchtigt, dass es nicht einzusehen sei, warum nun die Zahl der Anlagen beschränkt werden solle.

Zudem bemängelt das Gericht, dass der Bebauungsplan nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist. "Je konkreter der Flächennutzungsplan ist, um so weniger Spielraum bleibt der Gemeinde bei der Bebauungsplanung", heißt es in dem Urteil weiter. Der Flächennutzungsplan gebe nun einmal vor, dass sich in dem Areal die privilegierte Windkraft grundsätzlich gegen konkurrierende Nutzungen durchsetzen müsse. Zwar schließe das nicht grundsätzlich aus, die Zahl der Windräder zu begrenzen; weil in dem Bebauungsplan aber das gesamte Gebiet - die Standorte der bestehenden Windkraftanlagen ausgenommen - nun als Fläche für die Landwirtschaft deklariert worden seien, habe die Gemeinde dem gesetzlich vorgegebenen Konzept der Konzentration von Windräder in einem Sondergebiet "im Wortsinn den Boden entzogen".

Das Gericht sieht deshalb eine "faktische Vereitelung" des Flächennutzungsplans durch den Bebauungsplan. Weil die Gemeinde den Plan ohne die faktische Beschränkung der Zahl der Windräder auf die vorhandenen Anlagen wohl kaum erlassen hätte, sei der gesamte Bebauungsplan nichtig, so das Gericht.

Dem Bau der zwei Windräder stehen nach Ansicht der Juristen keine öffentlichen Belange entgegen. "Die Vorhaben sind daher antragsgemäß zu genehmigen."


"Bürgerwillen ignoriert"
Vom 29.11.2003
dix. GAU-HEPPENHEIM - Mit großer Enttäuschung reagiert Manfred Becker, Bürgermeister der Gemeinde Gau-Heppenheim, auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, dass auf dem Kloppberg weitere Windräder aufgestellt werden dürfen (siehe nebenstehenden Bericht). "Erst gibt man den kleinen Finger..." meint der Ortschef in Anspielung auf die Tatsache, dass die Gemeinde in der Vergangenheit zugestimmt habe, dass Windkraftanlagen aufgestellt werden - "zuletzt mit Zähneknirschen". Das Urteil respektiere in keiner Weise den Willen der meisten Bürger, die keine weiteren Windräder mehr wollten, bedauert Becker.

Auch die Betreiberfirma der bereits vorhandenen Windkraftanlagen sei verärgert über die Entwicklung, berichtet der Ortschef. Nach deren Ansicht vertrage das Areal nämlich keine zusätzlichen Windräder; weitere Anlagen nähmen den bestehenden einen Teil des Windes weg. "Die haben gesagt: wenn da noch mehr hinkönnten, dann würden wir das selbst machen", berichtet Becker. Aus diesem Grund habe die Firma ja auch den Bebauungsplan finanziert, mit dem die Aufstellung weiterer Anlagen verhindert werden sollte - erfolglos, wie sich nun herausstellte. Die Nachbargemeinde Hochborn habe im Übrigen einen ähnlichen Plan gefasst, der dann wohl auch keine Gnade vor Justizas Schranken finden werde.

Für Manfred Becker ist aber das letzte Wort noch nicht gesprochen. Er kann sich vorstellen, dass Kreis und Verbandsgemeinde gemeinsam mit den betroffenen Gemeinden gegen das Urteil vorgehen.