"Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein".

(Spruch aus der Frühzeit der DDR ein, wo nachts unter Scheinwerferlicht "Ernteschlachten" ausgefochten wurden.)

 

Zum Erntedanktag 2001 - Von Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

Zum Erntedanktag dieses Jahres ziehen wir dreifach positive Bilanz

Die neue Rekordernte bei Getreide danken wir der Leistung unserer Bäuerinnen und Bauern, aber auch dem Entgegenkommen der Natur, der günstigen Witterung.

Unsere Politik hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher wieder Vertrauen fassen und Lebensmittel nachfragen, die sie lange liegen gelassen haben. Das gilt für Rindfleisch, aber auch für die lange in der Nische gehaltenen Ökowaren.

Das eröffnet neue Wege, die vor allem junge Landwirte erkennen und gehen wollen. Es macht sie nachdenklich, dass die Rekordernte von etwa 50 Millionen Tonnen Getreide von weniger als einer halben Million Betrieben erzeugt wurde. Das ist im Vergleich zu 1991, also über nur ein Jahrzehnt hinweg, eine Zunahme von etwa 25 Prozent Erntemenge bei etwa 25 Prozent weniger Betrieben. Wenn aber die Bauern abwandern, was geschieht dann mit den Dörfern? Wir brauchen neue Konzepte für den ländlichen Raum. Unser Wettbewerb für Modellregionen ist ein Angebot der Politik an die Regionen, sich direkt zu beteiligen, und viele haben bereits ihr Mitmachen angekündigt.

Was geschieht mit den Regionen hoher Viehdichte, in denen der Verkauf von Vieh und Fleisch funktioniert, aber die Wiederherstellung von Boden- und Gewässerqualität und die Entsorgung von Gülle die eigentlichen Probleme sind? Hier müssen und werden wir handeln mit dem Ziel, überall ein verträgliches Verhältnis von Vieh und Fläche zu erreichen. Die neuen Kriterien bei der Bereitstellung staatlicher Mittel sind ein Angebot der Politik, dieses Ziel zugunsten der nächsten Generationen zu erreichen. Die ökologische Bilanz muss überall wieder stimmen.

Das gilt auch im globalen Maßstab: Wir importieren jährlich erhebliche Mengen an Öl- und Eiweißfrüchten als Futtermittel, und dies zum Teil aus Regionen der Welt, die weit davon entfernt sind, gute oder gar vielfältige Ernährung ihrer eigenen Bevölkerung sicherzustellen. Wir liefern Getreide in Regionen, die weit entfernt sind von eigenen nachhaltigen Agrarstrukturen.

Der freie Welthandel ist eine gute Errungenschaft unserer offenen Welt. Darum müssen wir seine Auswirkungen immer wieder kritisch überprüfen. Fair muss der Warenaustausch werden, gerade auch mit Blick auf die 826 Millionen hungernder bzw. unterernährter Menschen weltweit. Nothilfe müssen und werden wir immer leisten, das steht nicht in Frage. Auch Export und Import am Weltmarkt, die Teilnahme am internationalen Wettbewerb soll und wird für unsere Landwirte eine Option bleiben. Aber gerade am Erntedanktag steht es uns gut an, nicht nur rein ökonomisch zu kalkulieren. Unsere Geldleistung für Importe hilft nicht überall, eigenständige und nachhaltige Strukturen für eine gute Selbstversorgung zu entwickeln. Unsere Verkäufe und Lieferungen helfen nicht überall, ausgewogene Ernährung dauerhaft sicherzustellen. Seit Jahren verkaufen wir zum Beispiel deutschen Roggen als Fischfutter an Südkorea. Das ist ein einträgliches Geschäft und doch zugleich ein Hohn für die unterversorgte Bevölkerung in Nordkorea oder anderen Regionen - unabhängig davon, welches die Gründe für Hunger sind.

Unsere Verantwortung für die Welternährung ist groß und erschöpft sich nicht in Handelsgeschäften oder Schenkungen. Unsere Verantwortung für die Ökobilanz im eigenen Land und darüber hinaus ist ebenso groß, weil damit die Lebensgrundlagen gemeint sind, die wir erhalten wollen. Gemeinsam sollten wir in der Lage sein, die besten Wege zu finden zu mehr Nachhaltigkeit.