Starkenburger Echo, 30.5.2002
Leserbrief zu den zahlreichen Berichten über die Nutzung der Windenergie im Odenwald

Windenergie - wo sind die Naturschutzverbände ?


Die Windenergie hat sich mittlerweile genauso zu einer Dinosaurier-Technik entwickelt, wie man dies anderen Kraftwerksarten nachsagt. Wer das nicht wahrhaben will, sollte sich nicht nur relativ kleine und ältere Anlagen ansehen. Er sollte die massenhafte Anhäufung dieser Anlagen z.B. bei Paderborn und in Norddeutschland (Dittmarscher-Land, Blick von der Brücke über den Nord-Ost-See-Kanal) "bewundern". Wer dieses "Bild" für akzeptabel hält, kann kaum mit der Natur "verbunden" sein.

Für den Odenwald dürften die in Rede stehenden Anlagen, z.B. bei Lindenfels, eine weitgehende Zerstörung der Landschaft bedeuten. Es kann doch nicht angehen, daß diese Anlagen in Landschaftsschutz- bzw. Naturschutzgebiete gestopft werden. Wozu hat man eigentlich diese Gebietsausweisungen getroffen? In den zahlreichen Berichten und Leserbriefen vermisse ich - auffällig - die Stimme der Naturschutzverbände. Diese Gruppen erregen sich gewaltig über Steinbrüche und Gewerbeansiedlungen. Sie ergehen sich dabei zum Teil in Diffamierungen, Vorwurf an die Politiker "der abgrundtiefen Heuchelei" (SE v.18.2.02) und persönlichen Angriffen. Andererseits "rechnet der BUND den Grünen hohe Standfestigkeit an (Steinbruch)". Warum diese merkwürdige Einseitigkeit? Warum Schweigen diese Verbände zu den im Vergleich geradezu gigantischen Eingriffen der Windkraftanlagen in Landschaften?

Diese Verbände beklagen derzeit ein Nachlassen des Interesses an einer aktiven Mitarbeit. Bei der zu unterstellenden Einäugigkeit gerade in Sachen Windnutzung, müssen sich die "ehrenamtlichen" Naturschützer nicht über ein zunehmendes Abseitsstehen von Bürgern wundern, denen die zunehmende Verbauung der Landschaft ein Greuel ist. Was soll in diesem Zusammenhang der BUND-Vorwurf über die Naturschutzpolitik: "Die Landesregierung zerschlage systematisch den amtlichen wie den ehrenamtlichen Naturschutz " (SE v.15.4.02).

Der Mensch muß sich mit allen technischen Nutzungen aus der Natur heraus halten, wenn dem so oft angemahnten Naturschutz zu einigermaßen Recht verholfen werden soll. Und wie sieht es dabei mit der grünen Politik aus? Die grüne Verbeugung gerade vor der Windenergie ist offensichtlich nur mit deren Erkenntnis zu erklären, daß die - sogar - gesetzlich verankerte Verminderung der Nutzung der Kernenergie zu schwerwiegenden Konsequenzen für einen gesicherte Stromversorgung führen wird. Mit aller Gewalt müssen deshalb Alternativen her, koste es was es wolle und gehe dabei die Landschaft vor die Hunde - macht nichts. Grüne Friedenspolitik ist gescheitert, es wird auch die grüne, auch die rote Energiepolitik scheitern müssen. Zitat: "Es ist nicht J. Fischer, der euch das (Militäreinsatz) zumutet. Die Realität mutet euch etwas zu" (SE v.18.3.02). Genau, die "Realitäten" sind das "Gemeine". Grüne Politik ist eben schon lange nicht mehr Naturschutzpolitik. [Anmerkung tf-: Das war sie noch nie!]

Wenn sich hiesige Grüne negativ zum Regierungsbericht "Nachhaltige Energiepolitik" äußern, so werden die Widersprüche der Politik offenbar. In dem Bericht wird dargelegt, daß von einer "nachhaltigen Energiepolitik nur gesprochen werden kann, wenn sie die energiepolitischen Ziele Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit gleichrangig verwirklicht". Der Bericht bringt viele Wahrheiten, die Gift für gewisse Ideologien sind. Andererseits verbreitet er zum CO2- Problem (Treibhausgase) erhebliches Zahlengewirr. Das offenbar die Nichterreichbarkeit der CO2-Minderungsziele vernebeln soll.

Für den konkreten Fall heißt das, daß eine ultimative Nutzung der Windkraft im Odenwald, wie auch in anderen windarmen Gegenden, ohne Abwägung der Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Anlagen gegenüber der Landschaftszerstörung, nicht akzeptabel ist. Die Studie eines Institutes der TU Darmstadt hat für Hessen eine völlig unzureichende Nutzung von im Mittel nur 1200 Volllaststunden im Jahr ergeben.

Diese Abwägung muß zum Nein der Windkraftnutzung im Odenwald führen. Die alternativen Energien, wie Wind und auch Photovoltaik, sind wegen ihrer Naturhaftigkeit eben keine echten Alternativen. Es kann mit ihnen keine gesicherte Stromversorgung praktiziert werden. Es sind immer noch andere Kraftwerke notwendig, die bei Windarmut einspringen, die auch unbedingt für den Windraftbetrieb den sog. Erregerstrom bereitstellen müssen. Ebenso kann deren Einspeisung nur in Netze erfolgen, deren Stabilität (Frequenz, Spannung, Blindleistung) vom konventionellen Kraftwerkspark gewährleistet wird.

Eine autarke Versorgung Lindenfels (Trennung vom Verbundnetz) ist illusorisch. Die Anlagen müßten "inselbetriebsfähig" sein und die Bürgermeisterei müßte für eine permanente Lastverteilung sorgen (24 Stunden am Tag), also je nach Windaufkommen, Verbraucher zu und abschalten. Der kommunale Streit wäre programmiert.

Zur Wirtschaftlichkeit haben sich die Bau-Antragsteller (Anhörung im Oktober 2001) bemerkenswert deutlich geäußert. Innerhalb der ersten 5 Betriebsjahre seien keine Steuerabgaben zu erwarten. Wegen der Windarmut allgemein in Hessen, werden die Anlagen mit großer Wahrscheinlichkeit lebenslang keine Rendite und damit auch keine Steuern abwerfen. Weiterhin sind keine Abgaben für die Gemeinde für Wegenutzungen zu erwarten. Die sog. Konzessionsabgabe, um diese kann es sich nur handeln, haben nur die Stromversorger zu zahlen, die Strom an Endverbraucher liefern. Die Windkraftbetreiber sind das nicht, da sie den Windstrom an die Netzbetreiber verkaufen. Der Einzige der dauerhaft und sicher profitiert ist der Grundstücksinhaber. Es werden dem Vernehmen nach bereits Pachten bis 30.000 Euro pro Jahr und Standort bezahlt. Zahlt der Grundstückinhaber (Landwirt) Steuern?

Auffällig ist, daß die Antragsteller zu Konzessionen bereit waren. Bauverzicht für 2 Anlagen, keine Mobilfunkantennen. Warum dies, wenn doch dadurch die finanzielle Ertragskraft des Vorhabens von vorn herein geschmälert wird. Will man unbedingt einen Einstieg mit riesigen Anlagen in den Odenwald schaffen, quasi um einen Einstieg in dann noch umfangreichere Nutzungen erzwingen zu können? Ein Übel ist auch, daß die eigentlichen Betreiber/Besitzer anonyme Personen sind. Diese suchen Geldanlagen ganz egal für welche Zwecke. Das Umweltschutzmäntelchen kommt gerade recht.

Die Volkswirtschaft wird mehrfach geschädigt: Die Anlagen werden zum Teil immer noch mit Staatsmitteln subventioniert. Die Investoren erlangen Steuervorteile durch diese Beteiligungen. Der allgemeinen Stromverbraucher subventioniert den Betrieb durch anteilige Strombezugskosten. Wobei noch die Anteile hinzukommen, die von Gewerbe und Industrie aufgrund von Besonderheiten in den Strombezugsverträgen fallweise nicht bezahlt werden müssen (neues Urteil). Das ist das grundsätzliche Übel des Einspeisegesetzes: Private subventionieren per Gesetz andere Private. Es sollte die Maxime gelten, daß der Interessent regenerativen Stroms auch diesen vollständig bezahlt. Das Argument der Schaffung von Arbeitsplätzen ist schwach; es handelt sich um subventionierte Arbeitsplätze.

Wer übernimmt eigentlich die Verantwortung für sicher zu erwartende Schäden? Die Windkraft hat ihren Gau noch vor sich. Werden alle Anlagen zwangsabgeschaltet, wenn erstmals ein Mensch durch wegfliegende Flügelteile zu Tode kommt? Bei anderen Energienutzungen scheint man sich solch einen Fall geradezu herbei zu sehnen.

Wer kommt für Entschädigungen auf, die wie vor Tagen durch den Brand einer Windanlage zu einer 13stündigen Vollsperrung der BAB Dortmund - Kassel geführt haben? Hierbei tritt massiv die Abstandsfrage auf. Nun ist auch die Waldbrandgefahr real. Wer sorgt für die Entfernung der Fundamente im Falle eines Rückbaues von Anlagen? Die Kommunen sollten auch beachten, daß die Benachteiligung von Nachbargrundstücken (Lärm, Disco- Effekt, Eisabwurf) zu deren Wertminderung führt. Mit der Folge der Verminderung der Grundsteuer. Diese Fälle sind real.

Zu den vielen politischen Pressemeldungen ist weiteres auszuführen. Z.B.: Ohne Zweifel hat die Windenergie ein großes "technisches Potential". Die üblichen Darlegungen und Rechnungen gegen andere Energiearten beschränken sich meist auf Kilowattstundenmengen. Die Stromversorgung ist jedoch ein Problem der jederzeitigen Leistungsgleichheit zwischen Verbrauch und Erzeugung (Kilowatt). Wenn nun das Organ des Verbandes Deutscher Ingenieure, die Zeitschrift "Brennstoff-Wärme-Kraft", als Kronzeuge der Großartigkeit der Windenergienutzung herhalten soll, so kennzeichnet das die "Verzerrte Diskussion" (SE v.6.12.01). In diesem Fall handelt es sich um einen (üblichen) Beitrag eines einzelnen Wissenschaftlers. Es steht also nicht die "geballte Kraft aller deutschen Ingenieure" dahinter. Diese Arbeit weist max. 128 TWh pro Jahr Windstrom auf dem Festland und Inseln aus, allerdings ohne sog. verbrauchsseitige und erzeugungsseitige "Einschränkungen" dieses Potentialwertes. Der Beitrag beschränkt die wahrscheinliche Windnutzung auf etwa 35 TWh pro Jahr, wenn diese Einschränkungen berücksichtigt werden. Das unterschlägt die Pressemeldung. Zum Vergleich, derzeit beträgt der Stromverbrauch der allgemeinen Versorgung etwa 480 TWh pro Jahr.

Die sog. Offshore-Nutzung (Anlagen in der "deutschen" Nord- und Ostsee) wird mit 237 TWh pro Jahr beziffert. Wenn es zu diesem gewaltigen und unstetigem Stromaufkommen käme, würde das gesamte Verbundnetz umgestaltet werden müssen. Ebenso stünden Fragen der Bereitstellung der Ersatzleistung, die Netzstabilität und die aufkommende Speicherproblematik von Strom (Pumpspeicher-Kraftwerke) massiv auf der Tagesordnung. Auf die Einsprüche der ehrenamtlichen Naturschützer, z.B. beim Bau von weiteren Hochspannungsnetzen und Speicherkraftwerken, darf man gespannt sein.

Dipl.-Ing. E. Wagner
Odenwaldstr. 10
Bensheim