Drittschützende Wirkung

Die Frage der drittschützenden Wirkung stellt sich bei der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung erstmals bei der Klagebefugnis; der Nachbar ist nur klagebefugt, soweit er einen Verstoß gegen drittschützende Normen des Baurechts geltend macht. Macht er nur geltend, daß die Baugenehmigung gegen Normen des öffentlichen Baurechts verstößt, die nicht drittschützend sind, so ist seine Klage bereits unzulässig. Die Baugenehmigung ist dann zwar rechtswidrig, verletzt ihn aber nicht in eigenen Rechten (§ 113 I VwGO). Die Frage des Drittschutzes stellt sich weiter zu Beginn der Begründetheitsprüfung; denn nach § 113 I 1 VwGO ist eine Anfechtungsklage nur begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger hierdurch in seinen Rechten verletzt ist. Die Frage einer drittschützenden Wirkung ist dabei keine Frage des Prozeßrechts, sondern des materiellen Rechts, hier des materiellen Bauordnungsrechts.
Das materielle Bauordnungsrecht läßt sich gut anhand der mit ihm verfolgten Zwecke darstellen. Es werden zu behandeln sein: die Gefahrenabwehr; die Verhütung von Verunstaltungen; die Wahrung sozialer und die Wahrung ökologischer Standards. Diese vier Zielvorgaben greift das Gesetz in drei Ansätzen auf: erstens in der Regelung allgemeiner Anforderungen in § 3, zweitens in den Regelungen über das Grundstück und seine Bebauung (§§ 4 - 9) und drittens in den Regelungen über bauliche Anlagen selbst, insbesondere die Art und Weise der Bauausführung (§§ 10 - 51).
I. Die bauordnungsrechtliche Generalklausel
Daß Bauordnungsrecht in erheblichen Teilen besonderes Gefahrenabwehrrecht ist, bringt die sog. bauordnungsrechtliche Generalklausel in § 3 I 1 BauO deutlich zum Ausdruck. Bauliche Anlagen sind danach so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instandzuhalten, daß die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit, nicht gefährdet werden. Die Begriffe "öffentliche Sicherheit", "öffentliche Ordnung" und "Gefahr" sind so zu verstehen wie im ASOG.
Die bauordnungsrechtliche Generalklausel hat grundsätzlich keine drittschützende Wirkung. Sie schützt Belange der Allgemeinheit. In dem Merkmal der öffentlichen Sicherheit sind jedoch auch Individualrechtsgüter enthalten. Insoweit ist eine drittschützende Wirkung denkbar. Die Problematik entspricht derjenigen des Anspruchs auf polizeiliches Einschreiten.
Die bauordnungsrechtliche Generalklausel bringt auch zum Ausdruck, daß Bauordnungsrecht nicht nur Baupolizeirecht ist, sondern auch dem Schutz sozialer und ökologischer Standards dient. Die natürlichen Lebensgrundlagen werden in § 3 I 1 angesprochen; von sozialen Belangen ist in § 3 I 2 BauO die Rede. Insoweit hat die bauordnungsrechtliche Generalklausel, ebenso wie hinsichtlich des Gefahrenabwehrmotivs, die Funktion einer Auffangklausel, die in der Regel durch speziellere Vorschriften verdrängt wird, die etwa die Stand- oder Verkehrssicherheit gewährleisten oder dem Schutz vor Feuergefahr, Lärm und Witterungseinflüssen dienen sollen.
Freie Universität Berlin Fachbereich Rechtswissenschaft P r o f . D r . M a r k u s H e i n t z e n
W S 1 9 9 9 / 2 0 0 0 Vorlesung Grundkurs Öffentliches Recht IV Donnerstag, den 16. Dezember 1999

Antragsbefugnis des Pächters im Normenkontrollverfahren
BVerwG Urteil vom 05.11.1999 4 CN 3/99
Während früher für die Antragsbefugnis im Rahmen des Normenkontrollverfahrens die Geltendmachung eines „Nachteils" ausreichte, verlangt § 47 Abs. 2 VwGO – vergleichbar § 42 Abs. 2 VwGO – nunmehr die Geltendmachung einer Rechtsverletzung („in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden").
Da Nachbarabwehrrechte grundstücks- und nicht personenbezogen sind, ist Nachbar im Sinne des baurechtlichen Drittschutzes grds. nur der Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigte. Einem lediglich obligatorisch berechtigten Grundstücksnutzer (z.B. Mieter, Pächter) stehen nach h.Rspr. keine Abwehrrechte zu, sodass sie keine Rechtsbehelfe gegen die dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung erheben können (vgl. BVerwG NVwZ 1998, 956). Daraus ist geschlossen worden, obligatorisch Berechtigte könnten nach § 47 VwGO auch keine Normenkontrollanträge mehr stellen (OVG NW NVwZ 1997, 1002, 1003).
Das BVerwG hat allerdings das „Recht" i.S.d. § 47 Abs. 2 VwGO weit ausgelegt. Soweit der Antragsteller geltend machen kann, dass seine Belange in der Abwägung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden sind, ist eine Rechtsverletzung i.S. des § 47 Abs. 2 VwGO zumindest möglich.
BVerwG a.a.O.: „Wie der Senat in seinem Urteil vom 24.9.1998 (BVerwGE 107, 215) entschieden hat, hat das in § 1 Abs. 6 BauGB enthaltene Abwägungsgebot drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Deshalb kann auch das Abwägungsgebot „Recht" i.S. von § 47 Abs. 2 VwGO sein."
Dies gilt nach Auffassung des BVerwG auch für obligatorisch Berechtigte.
BVerwG a.a.O.: „Unerheblich ist, dass der Ast. nur Pächter der Weidefläche ist. Abwägungsrelevant ist nämlich nicht nur ein durch die Planung berührtes subjektiv-öffentliches Recht. Abwägungserheblich kann vielmehr auch jedes mehr als geringfügige private Interesse sein, soweit es schutzwürdig ist (BVerwGE 59, 87, 101 ff.). Die Tatsache, dass eine bestimmte Grundstücksnutzung nur auf Grund eines Miet- oder Pachtvertrages geschieht, führt nicht aus sich dazu, dass die damit zusammenhängenden Interessen bei der planerischen Abwägung unberücksichtigt zu bleiben hätten (BVerwGE 59, 87, 101 ...)."
Ergänzung zu: AS-Skript VerwaltungsR BT 2 (1998), S. 26 ff.


Bürgerantrag an den Rat der Gemeinde Langerwehe vom 24. 8. 1998:
"Die Antragsunterlagen sowie die Baugenehmigung sind durch unrichtige An- und Vorgaben von Seiten Energiekontor erschlichen worden... Die Lärm- und Lichteffekte, die die WKA verursachen, wurden künstlich heruntergerechnet und zu gering angegeben...Energiekontor hat trotz Hinweises durch den Kreis Düren auf die nicht rechtskräftige Baugenehmigung mit aller Gewalt rücksichtslos die Anlagen erstellt und ist letztlich als Betreiber voll verantwortlich ... stellt sich die Frage einer eventuellen "Amtshaftung" (Kreis/Gemeinde/Ratsmitglieder) und gegen wen die Regreßforderungen geltend gemacht werden können.
Unserer Auffassung nach hat der Rat der Gemeinde Langerwehe das gesetzlich verbriefte Gebot der Rücksichtnahme gegenüber den Bürgern des angrenzenden Wohngebietes massiv verletzt. Der Rat hat trotz bekannter Immissionsgrenzwertüberschreitungen die Anregungen und Bedenken der Bürger zurückgewiesen: "Die Abwägung dieser geringen Beeinträchtigungen gegenüber den Vorteilen der Nutzung regenerativer Energien im Sinne des Umweltschutzes führt zum Ergebnis, daß diese Beeinträchtigungen hingenommen werden müssen."
Auskunft: Monika Frischmuth, Karl-Arnold-Str. 27, 52379 Langerwehe, Tel./Fax 02423 3718, e-mail: rudi.frischmuth@t-online.de


Verfahren § 214 BauGB, UVP, Drittschutz bei WKA

1. Kommunalaufsicht durch BI/privat möglich

2. Verwgericht durch BI/privat möglich oder RA auf der Grundlage der zitierten BVerwG-Rspr.

3. Neue Entscheidung BVerwG 4 CN 1/98 vom 21.10.99 in NVwZ 2000, 807,808, wonach "auch Mieter einer Wohnung (Anm: also nicht nur Grundstückseigentümer) durch einen B-Plan oder seine Anwendung einen Nachteil erleiden oder zu erwarten haben und deshalb im Normenkontrollverfahgren gem § 47 II 1 VwGO antragsbefugt sind.

Er kann namentlich geltend machen, sein Intersse, von zusätzlichem Lärm, den die Verwirklichung des B-Plans mit sich bringen wird, verschont zu bleiben, sei in der Abwägung nicht berücksichtigt worden." Dies wird in den B-Plänen fast immer unterschlagen mit dem Hinweis: nur Mieter,
unbeachtlich Prüfkriterium im Sinne des § 1 V 2 Nr. 1 BauGB ist:
"allg. Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit
in der Wohn- und Arbeitsbevölkerung". Allerdings muß die Nähe zum Plangebiet hinreichend nachteilig sein, in der Regel TA-Lärm-Werte.

TA-Lärm ist allerdings nicht allein ausschlaggebender Faktor, da die besonders nachteilige Charakteristik des Lärms durch WKA der Behörde eine Ermessen gibt (pflichtgemäße Ermessenausübung, sonst die Behördenentscheidung in Frage stellender Ermessenfehlgebrauch) auch WKA trotz Einhaltung der 45 dB sich gegen WKA zu entscheiden (VG Arnsberg). Ist dies nicht abgewogen worden ist auch dies ein Ansatz wegen Ermessensfehlgebrauch!

Die Skepsis in Sachen drittschützender Wirkung der UVP

1. UVP ist EU-Recht und spricht vom Schutz der Gesundheit der Menschen.

TA-Lärm ist nur eine dt. Verwaltungsvorschrift mit ihren die Menschen ungleich einstufenden dB-Vorgaben (35,40,45db usw) gegen die Gleichbehandlung der Menschen und ihrer Gesundheit verstoßend. WHO stellt aber bereits ab 35 dB langfristig Gesundheitseinschränkungen als unstreitig fest. Auch hat die EU gemäß FAZ vom 28.07.00 große Aktionen/RL gegen Lärm angekündigt.

Drittbetroffenheit liegt deshalb stets vor, wenn Lärm durch WKA innerhalb der TA-Lärm, bzw. 35 dB überschritten werden, bzw "Lästigkeit durch WKA-Lärm (s.o.) vorliegt", bzw Verstoß gegen § 47a BImSchG verstoßen wird diesbezüglichen Drittschutz hat der EuGH bereits bestätigt und bejaht. [Fundstellen?]

2. Es wird bei der UVP immer noch ein weiteres Prüfkriterium (Teilstudie zur UVP) mit subjektivem Drittschutz vergessen:
Gemäß Art 3 UVP-RL sind auch die unmittelbaren Auswirkungen auf "Sachgüter" zu prüfen, d.h. die Auswirkungen auf den Wert von Immobilien. Dies gibt den Immo-Eigentümern mithin auch einen subjektiven Anspruch auf Prüfung des Wertverlustes gem. UVP durch WKA, parallel zu den Lärmproblemen. Es ist derzeit nicht einschätzen ob ein Wertverlust nur dann zu berücksichtigen ist, wenn auch die Lärmeinwirkung gesundheitsbeeinträchtigend ist. D.h. selbst ein Wertverlust eines Hauses in 1000 m Entfernung könnte unbeachtlich sein, wenn dort unter 35 dB-Lämwerte vorliegen, selbst wenn das Haus 10% weniger Wert ist. Allerdings ändert das nichts an der pflichtigen Wert-Studie gem. UVP-RL bzgl. "Sachgüter". Es bleibt dann ein psychologisch wichtiges Kriterium.