Ulrike Dickhaus
Gemeinderätin

Mölsheim, den 1.1.2002

Btr.: Mein Austritt aus der Partei zum 1.1.2002

Liebe Noch- Mitglieder,

mein erster Vorsatz für das neue Jahr wird nun umgesetzt: Ich trete zum 1.1.2002 aus der Partei B 90/ Die Grünen aus.

Anno 78 habe ich gemeinsam mit Rezzo die Leute in Heidelberg zu überzeugen versucht, dass eine grüne Partei in der BRD notwendig sei als parlamentarischer Arm zur Durchsetzung der Forderungen der BIs im Öko-, AntiAKW- und Friedensprozessbereich. Daran glaubte ich damals fest.

Zunächst als viel beachtete und damit erfolgreiche Opposition in den Landesregierungen agierend, erschien diese Parteigründung sinnvoll und richtig. Es wurde aber lange Jahre nicht bemerkt, dass die gesellschaftlich relevanten Themen weiter von den Bürgerinitiativen voran getrieben wurden: Frauengruppen, Homogruppen, BIs gegen die Nachrüstung, mächtige nicht staatliche Organisationen wie Greenpeace, BUND u.ä. bestimmten die politischen Themen und zwangen die herrschenden Parteien Stellung zu beziehen und Veränderungen herbeizuführen.

Die Funktionäre und Funktionärinnen der grünen Partei schwammen auf dieser BI- Arbeit wie Fettaugen auf der Suppe, krakeelten aber um so lauter, dass diese Themen aus originärer Parteiarbeit entstanden seien. Ansonsten verbrachten sie die Arbeit mit Balgereien um die Fleischtöpfe, Richtungskämpfe genannt.

Zeitweise gelang es der Partei, die Farbe Grün mit jedweder gesellschaftlicher Veränderung zu verbinden und die Erfolge für sich einzuheimsen. Um so schneller blätterte der Lack dieses potemkinschen Dorfes ab, als sie als Juniorpartner und Watschenmann der SPD die Regierungsarbeit übernahmen. Denn hinter den verheißungsvollen Fassaden des fortschrittlichen grünen Hauses zeigten sich kleinbürgerliche Funktionäre, die, um an der Macht und am damit verbundenen Geld teilzuhaben, alles, für das ihre Basis gekämpft hatte, elegant und skrupellos beiseite stießen.

So verdankt die Bevölkerung den Rot-Grünen den schlimmen Rückschritt in der Energiepolitik: Industrie und Stromkonzerne können weitere 30 Jahre Kernenergie berechnen, jetzt aber ohne sich um die leidige Endlagerung Sorgen machen zu müssen. Der Unrat wird nun in aller Öffentlichkeit bei jedem der schrottreifen, von Jahr zu Jahr in ihrem Betrieb gefährlicher werdenden AKWs gelagert. - Genial! Wir ziehen in die Toscana im Falle eines GAUs!

Der Bevölkerung Sand in die Augen streuend, wird deren Aufmerksamkeit auf sogenannte alternative Energiegewinnung gelenkt. Rot- Grün schuf die Voraussetzung, dass jeder grüne Stadtindianer seine paar Mark in alternativen Fonds anlegen konnte und - indem wir alle überteuerte Energiepreise zahlen müssen - nette Renditen bekommt. Bei Geld wird bekanntlich das kritische Denken abgestellt, unsere Landschaften werden von den Stromkonzernen mit privilegierten "Windparks" zugestellt, keiner der grünen Fondsnehmer fragt mehr nach Sinn oder Unsinn, wenn sich die Räder auch bei völliger Windstille brav drehen, weil sie vom Strom des benachbarten AKWs angetrieben werden. Das grüne Hirn ist vom Begriff "alternativ" zugekleistert, man will gar nicht wissen, dass die WKAs erst ab Windstärke 3-4 problemlos laufen können und beschäftigt sich nicht mit der fatalen Rolle , die die rücksichtslose Ausweitung der Windkraft für die Verlängerung der Laufzeiten der AKWs spielt.

Die Förderung individueller Lösungen wie Solar, KW-Koppelung für Privathäuser, Herausnahme der umweltfreundlichen Gasheizungen aus der Ökosteuer etc. sind nach kurzen hoffnungsvollen Phasen schnell wieder unter den Teppich gekehrt worden. - Kurz und gut: Die Macht der Stromkonzerne ist nicht gebrochen worden, sondern von Rot-Grün zementiert worden.

Und so geht es weiter, wohin man auch politisch schaut:

Der rot-grüne anthroposophische Innenminister zerschlägt grundgesetzlich verbriefte Rechte bei der Asyl- und sogenannten Anti-Terrorgesetzgebung: In Zukunft soll das gesamte Volk wie Schwerverbrecher erkennungsdienstlich behandelt werden.

Rot-Grün bringt deutsche Soldaten in allen kriegerischen, pardon anti-terroristischen, Geschehnissen unter und schürt diese Konflikte sogar noch mit außenministerieller Meisterschaft (wie auf dem Balkan von Herrn Fischer geschehen).

Rot-Grün lässt dementsprechend auch die deutsche Rüstungsindustrie nicht verkommen. Dass weitere Haushaltsdefizite durch Aufrüstung und Einsatz entstehen müssen, scheint nur den Regierten klar zu sein.

Nach gut 20 Jahren grüner Partei bin ich jedenfalls wieder da angekommen, wo ich vor der Gründung schon war. Ich arbeite wieder in BIs mit, zur AntiAKW ist nun noch eine AntiWindkraft gekommen, und Gremien zur Verteidigung der menschlichen Grundrechte. - Wahrscheinlich wird mein Telefon schon längst wieder abgehört usw.,usw.

Ich habe Respekt vor den Wenigen, die noch innerhalb der Partei oppositionell weiter arbeiten. Die können dann nach den nächsten Bundestagswahlen in der Opposition gegen die vorherigen Beschlüsse ihrer eigenen Partei arbeiten, während die Obergrünen wie Fischer und andere rechtzeitig zur neuen Mehrheit übergewechselt sein werden.

Den sarkastischen Ton dieses Briefes möge man mir nachsehen, zu lange hat sich der Frust über das Tun der grünen Partei angestaut.

Mit Grüßen
Ulrike Dickhaus