Erneut verantstaltete die VG Alzey-Land ein "frühzeitiges Bürgerbeteiligungsverfahren" – Erörterungstermin – Dienstag 19.März 2002, 14 Uhr in Ober-Flörsheim, die Ausweisung einer Sonderbaufläche für WINDENERGIENUTZUNG in Ober-Flörsheim (Flächennutzungsplan der VG Alzey-Land – Änderung Nr. 85/22) betreffend. Trotz des für Berufstätige ungünstigen Termin war die Veranstaltung nicht nur von Bürgerinnen und Bürger aus Ober-Flörsheim, sondern auch aus betroffen Nachbargemeinden gut besucht.

Aufgrund des großen Interesses verfaßte die BI Rheinhessen-Pfalz zur Information der Bevölkerung eine Pressemitteilung. (20. März 2002)

"Frühzeitige Bürgerbeteiligung"
Ausweitung der Fläche nach Süden stößt nicht auf Gegenliebe

Ober-Flörsheim - Bürgermeister Gardt eröffnete am 19. März in Ober-Flörsheim die zweite "frühzeitige Bürgerbeteiligung" zur Änderung des Flächennutzungsplans für den Bau von Windrädern. Als Vertreter der VG begrüßte er Herrn Kaspar, dem zwei Vertreter der Windfirma juwi zur Seite standen, Herr Jaestaedt von dem gleichnamigen Mainzer Planungsbüro und der Ornithologe Stübing, der zusammen mit M. Korn im Auftrag der Firma juwi ein Vogelgutachten erstellte.

Herr Kaspar informierte ca. 50 interessierte Bürgerinnen und Bürger aus Ober-Flörsheim und benachbarten Gemeinden über den nunmehr abgeänderten neuen Plan. Die ursprüngliche Absicht der Windfirma juwi, weitere 15 große Windrotoren in dem EU-Vogelschutzgebiet, 1250 m vor dem Ober-Flörsheimer Neubaugebiet zu errichten, hatte im Dezember 2001 ein raumordnerischer Entscheid relativiert. (Die AZ berichtete). Auf einer stark reduzierten Flächen sollten nur noch höchstens 8 Anlagen möglich sein. Als nördliche Grenze bestimmte die Raumordnungsbehörde die L 386, die südliche Grenze der Windradfläche sollte der Wirtschaftsweg "Holzstraße" bilden. Kaspars Ausführungen zufolge sei eine "Ausweitung" der von der oberen Planungsbehörde vorgegebenen, jedoch nicht metergenau bezeichneten Grenze nach Süden notwendig, um juwi die Errichtung der Anlagen zu ermöglichen. Auf die Frage nach der gesetzlichen Grundlage dieses Vorgehens verwies Kaspar auf eine in Aussicht gestellte "landesplanerische Stellungnahme" von einer untergeordneten Planungsbehörde. Die Antwort auf die Frage, ob diese untergeordnete Behörde mittels Stellungnahme den Entscheid der übergeordneten Behörde aufheben kann, blieb Kaspar schuldig.

Da der Ober-Flörsheimer Windpark als Erweiterung des Flomborner Windparks beantragt ist, wollte ein Bürger wissen, ob die Flomborner Windparkfläche, die bisher als nicht genehmigungsfähig galt, inzwischen genehmigt sei. Kaspar antwortete mit einem klaren "Nein".

Informationsbedarf hatte auch der erste Beigeordnete Wilhelm Nies. Seine erste Frage galt den naturnah zu gestaltenden Ausgleichflächen, welche juwi für den durch die Windräder entstehenden Schaden zu schaffen hat. Nies nannte Nachteile und Beeinträchtigungen, die benachbarten Landwirten durch solche Ausgleichflächen entstehen. Weder Jaestädt noch Kaspar konnten ihm diesbezügliche gesetzliche Regelungen oder Schadensersatzmaßnahmen nennen.

In aller Deutlichkeit verteidigte Nies die von Kaspar angesprochene Planungshoheit der Gemeinde. Er legte dar, wie der Gemeinde Ober-Flörsheim jegliche Planungshoheit genommen worden sei. Unterstützt von der VG schaffe juwi mit Grundstückskäufen und fertigen Plänen vollendete Tatsachen und dränge die Gemeinde zur Zustimmung. Für die Gemeinde bestünde jedoch keine Eile. Es habe sich gezeigt, daß sich Geduld auszahle, da juwi mittlerweile für 5 Windräder die gleiche Summe zu zahlen bereit sei wie vor einem Jahr für 15.

Vertreter der BI Rheinhessen-Pfalz "zwischen Rhein und Donnersberg" appellierten an die Vertreter der Gemeinde Ober-Flörsheim, sich nicht von Geldversprechungen leiten zu lassen. Die Gemeinde sollte auf ihrem im Grundgesetz verbrieften Planungshoheitsrecht bestehen und im Interesse des Gemeinwohls der rechtswidrigen Ausweitung dieser nutzlosen wie schädlichen Windrotoranlagen eine Absage erteilen. Anschließend gaben Trude Fuchs (Flörsheim-Dalsheim) und Gerold Pfannebecker (Flomborn) im Namen der von ihnen vertretenen Bürgerinnen und Bürger ihre Anregungen zur Niederschrift. Dies zum Anlaß nehmend, beendete Herr Kaspar die Veranstaltung.


Zur Niederschrift

Die Bürgerinitiative Rheinhessen-Pfalz gibt im Namen sämtlicher Mitglieder sowie im Namen aller Unterzeichner beim Raumordnungsverfahren zur Niederschrift:

Einleitend stellen wir fest, daß die rechtliche Grundlage zur Änderung des F-Plans von dem Vertreter der VG nicht dargestellt werden konnte. Das Vorhaben erscheint nach wie vor rechtswidrig.

Wir lehnen jede weitere Verunstaltung unserer Heimat durch ebenso nutzlose wie schädliche Windrotoranlagen ab. Die Sinnlosigkeit der Windnutzung in unserem Land hat die Landesregierung mit Beantwortung der Großen Anfrage im August 2001 dokumentiert. Sie gibt an, dass die rund 450 Windrotoren in Rheinland-Pfalz lediglich 0,69 % des Stromverbrauchs erzeugen und keinen Beitrag zur Leistungsabsicherung darstellen können. Die Windnutzung kann weder zum Ersatz des Atomstroms beitragen, noch zur Verminderung des CO2-Austosses. Sie zerstört gesunde menschliche Lebensräume und stellt eine konkrete Gefahr für Leib und Leben dar. - Ein weiterer Ausbau ist weder sinnvoll noch gerechtfertigt.

Die Raumordnungsbehörde beschreibt in ihren Ausführungen zu der raumordnerischen Entscheidung (AZ.: 41/437/-362) über den Windpark in Ober-Flörsheim detailliert den Abwägungsprozess. Die Prüfung der raumordnerisch relevanten Belange sowie deren Gewicht im gesamten Zusammenhang ergab eine bereits bestehende Auslastung des Raumes, die weitere Anlagen nicht zulässt. Von Bedeutung dabei waren die von uns als unmittelbar beeinträchtigen Personen sowie die von betroffenen Gemeinden und Verbandsgemeinden vorgetragenen Bedenken. Neben überwiegenden öffentlichen Interessen führten auch schwerwiegende naturschutzfachliche Gründe zu der Feststellung einer Unvereinbarkeit des Vorhabens mit der avifaunistischen Bedeutung des Raumes.

Ebenfalls gewissenhaft dokumentiert hat die Raumordnungsbehörde das rechtswidrige Eingreifen des Umweltministeriums. Auf Betreiben der Windfirma juwi, die Zahl der Anlagen zu reduzieren, haben Ministerien - im absoluten Widerspruch zu ihren eigenen Anweisungen (vgl. u. a. Hinweise zur Beurteilung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen vom 18. Februar 1999, FM 3275-4531), nach denen Windrotoren in Vogelschutzgebieten generell nicht in Betracht kommen (vgl. Vogelschutzrichtlinie, Bundesnaturschutzgesetz) rechtswidrig in das Verfahren eingriffen und "im Hinblick auf eine reduzierte Anzahl von acht Anlagen signalisiert, dass diese ohne erhebliche zusätzliche Belastung tolerierbar seien". Diese Weisung der Ministerien an die nachgeordnete Planungsbehörde, im vorliegenden Fall die SGD Süd, hatte im Verfahren die gleiche Wirkung wie eine eigene Sachentscheidung der Ministerien. Doch dieses Recht beinhaltet die Befugnis der Ministerien nicht!

In keiner Weise begründet oder nachvollziehbar ist, inwiefern eine fragwürdige Revidierung offizieller Stellungnahmen, die zu den naturschutzfachlichen Belangen zugleich alle anderen Bedenken, die von den zahlreichen Trägern öffentlicher Belange erhoben wurden, aufhebt und dies ohne jede Berücksichtigung derselben.

Im Widerspruch zu ihren Erkenntnissen war die Raumordnungsbehörde vom Umweltministerium - zu Unrecht! - aufgefordert, den Entscheid zugunsten der wirtschaftlichen Eigeninteressen der Windfirma juwi zu formulieren (daß 8 Anlagen tolerierbar seien) wörtlich heißt es: ... wenn die Windkraftanlagen in ihrer Lage auf dem Plateaubereich zwischen Landesstraße 386 und dem Bereich der sog. Holzstraße (vgl. Linie 1 im Lageplan, Anlage 2) im Süden begrenzt werden und die Zahl auf maximal acht verringert wird.

Wenn - wie im Entscheid unmissverständlich ausgeführt - die Belastung bzw. Auslastung des Raumes durch die schon vorhandenen Windräder (Windpark) an ihre Grenzen stößt, und andererseits aus eben diesem Grund das Argument der "Vorbelastung" nicht beliebig fortgeführt werden kann, ist eine zusätzliche Belastung durch weitere acht Anlagen in keinem Fall gerechtfertigt oder tolerierbar, auch dann nicht, wenn es die rechtswidrige Einmischung eines Ministeriums fordert, und schon gar nicht, wenn es diese Forderung ohne Angabe von Sachverhalten vertritt, die sie rechtfertigen könnten.
Unabhängig davon stehen dem nun in "verringerter Anzahl" geplanten Vorhaben nach wie vor die von den verschiedensten Seiten erhobenen Bedenken entgegen.


Dessen ungeachtet strebt die Windfirma juwi die rechtswidrige Weiterfolgung ihres Vorhabens an, indem sie eine "Ausweitung" der von der Raumordnungsbehörde vorgegebenen südlichen Grenze (Holzstraße) fordert. Obwohl keine Gemeinde eine besondere Pflicht zur Förderung der Windenergie hat (VG Mainz, OVG Münster) und keines Falls eine Gemeinde der Gewinnoptimierung einer Firma verpflichtet sein kann, fasste unter Federführung von Bürgermeister Görisch der Haupt-, Finanz- und Personalausschuss der VG Alzey-Land in seiner Sitzung am 18.02.02 - dem Willen dieser rein profitorientierten Windfirma folgend - den Beschluss, eine landesplanerische Stellungnahme anzufordern, damit juwi weitere Windrotoren ins Vogelschutzgebiet bei Ober-Flörsheim und auf die Linie der zuvor von dem VG-Rat beanstandeten Nähe zur Ortsbebauung stellen kann. Dieser VG-Ratbeschluss verfolgt eine Rechtsverletzung und konterkariert zuvor gefasste Beschlüsse des VG-Rates.

Wir regen an, die VG Alzey-Land möge sich, da sie dem Gemeinwohls verpflichtet ist, mit den von Windrotoren ausgehenden vielfältigen Beeinträchtigungen und Gefahren befassen.

Abschließend regen wir an, die VG Alzey-Land möge unter Berücksichtigung der vorgetragenen Anregungen und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Raumordnungsbehörde zugunsten des Allgemeinwohls - Mensch - Natur und Landschaft entscheiden.


Staatskanzlei - Mainz - Deutschhaus Platz

An die BI Rheinhessen-Pfalz

Sie hatten sich Ende letzten Jahres im Zusammenhang mit dem Raumordnungsverfahren Oberflörsheim an Herrn Ministerpräsidenten Kurt Beck gewandt und Kritik an der behördlichen Vorgehensweise geübt.

Versehentlich unterblieb es, Ihnen einen Zwischenbescheid zu erteilen. Auf jeden Fall hat Herr Ministerpräsident Beck Ihr Schreiben zum Anlass genommen, sich sowohl vom Ministerium für Umwelt und Forsten wie auch dem für den Bereich der Raumordnung federführenden Ministerium des Innern und für Sport zum Sachstand berichten zu lassen.

Beide Ressorts berichten übereinstimmend, dass weder EU- noch nationales Recht verletzt worden sei. Sie weisen Ihre diesbezüglichen Vorhalte zurück.

Das Ministerium für Umwelt und Forsten weist darauf hin, dass die Firma JUWI modifizierte Planungen vorgelegt habe, als erkennbar geworden sei, dass die herausragende Bedeutung des Oberflörsheimer Plateaus als Rast- und Schlafplatz für bestimmte Vogelarten bei der weiteren Errichtung von Windkraftanlagen im besonderen Maße berücksichtigt werden müsse. Unter Einschaltung des Landesamtes für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht sowie der staatlichen Vogelschutzwarte sei das Vorhaben erneut bewertet worden. Unter Berücksichtigung der besonderen Belange- des Umweltschutzes habe diese Prüfung ergeben, dass eine Tolerierbarkeit weniger zusätzlicher Anlagen für den Bereich nördlich der Holzstraße bejaht werde.

Aus der Sicht der obersten Raumordnungsbehörde wird darauf hingewiesen, dass Artikel 4 Abs. 4 der EU-Vogelschutzrichtlinie sich nicht als striktes Planungsverbot auswirke. Anzustellen sei vielmehr eine besondere Verträglichkeitsprüfung.

Im Ergebnis wird das von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd durchgeführte Raumordnungsverfahren nicht beanstandet. Ansatzpunkte für ein aufsichtliches Einschreiten lägen nicht vor.

Die Staatskanzlei schließt sich dieser Bewertung an.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Marianne Wilfling

vom 22.03.2002

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Siehe auch
13 Windrotoren in einem EU-Vogelschutzgebiet

Sichtweisen

Windpark-Konzentration in der AZ