Allgemeine Zeitung, vom 16.06.2001
(Regionalteil der gedruckten Ausgabe mit Bild)


Unterschrift: "Vor allem bei der Montage werden die Dimensionen der immer zahlreicher werdenden Windräder sichtbar. Archivbild: Vogt-Gladigau."

Windräder sorgen für viel Wirbel
Öko-Strom-Produzenten geraten in die Kritik/Landschafts- und Naturschutz als Argumente Mainz/Wiesbaden

Wie die Spargel bei Sonne schießen sie in Rheinhessen aus dem Boden - moderne Windmühlen zur Gewinnung von Öko-Strom. Auch in Hessen und in der Nahe-Region sind Windkraftanlagen auf dem Vormarsch und lösen teils Zustimmung, meist aber Ablehnung in Politik und Bürgerschaft aus.

Von unserem Redaktionsmiglied Gernot Zerwas

Nur selten ist das Echo so positiv wie in Dienheim am Rhein (Kreis Mainz-Bingen), wo der Mainzer Matthias Pravetz und die Lambsheimer Gesellschaft für Alternative Ingenieurtechnische Anwendungen (GAIA) je eine Anlage beantragt haben. Stimmt der Gemeinderat zu und erhebt die Kreisverwaltung keine Einwände wegen der Rheintalschutzverordnung, wäre die beiden Windräder in drei bis vier Monaten genehmigungsreif.

"Hohe Hürde"
Die Landespflege der Kreisverwaltung könnte die Dienheimer Riesen aber zu Fall bringen, noch bevor sie gebaut sind. Als eine "hohe Hürde" für die Windräder bezeichnet ein Sprecher der Behörde die Rheintalschutzverordnung. Weil es um den Schutz des landschaftlichen Charakters geht, werden Windräder im Rheintal "aus landespflegerischer Sicht sehr kritisch gesehen".
Der Gemeinderat in Harxheim (Kreis Mainz-Bingen) hat Bauanträge abgelehnt, weil die Gemarkung zu klein sei und die Windräder aus Fremdenverkehrssicht kontraproduktiv seien. Laut Kreisverwaltung ist Tourismus ein stichhaltiges Argument. Liegt die Kommune aber außerhalb der Rheintalschutzverordnung, wie Harxheim, sei der Tourismus wegen des "Schutzes der Kulturlandschaft" zu berücksichtigen, verliere aber an Gewicht.
Die Betreiber versprechen den Kommunen gute Einnahmen: 20000 Gewerbesteuer pro Jahr und Anlage plus Konzessionsabgaben und Wegegebühren nennt GAIA. Der Betreiber des Flomborner Windparks (Kreis Alzey-Worms) Matthias Willenbach [so in der AZ!], kommt auf 6500 Mark pro Windrad und Jahr für Abgaben und Gebühren.[Huegelland Anmerkung: Gewerbesteuer fällt nirgends an!]

Parks im Gegenwind.
In der Region um Alzey sind in den vergangenen Jahren ganze Windparks entstanden. In Hochborn/Gau-Heppenheim ist ein Park mit 17, bei Flomborn mit 13 Windrädern gebaut worden. Hinzu kommen fünf in Spiesheim und jeweils drei in Framersheim [auf dem Kloppberg inkl. Framersheim stehen 21!] und Dautenheim [3]. Willenbacher will zu seinem Park in Flomborn einen weiteren mit zehn bis 15 Windrädern in Ober-Flörsheim errichten. Der Gemeinderat von Flörsheim-Dalsheim [Mölsheim & Eppelsheim] hat eine entsprechende Änderung des Flächennutzungsplanes der Verbandsgemeinde Alzey-Land abgelehnt, weil das Gelände ornithologisch wertvoll sei und weitere Windräder dem sich gerade entwickelnden sanften Tourismus schaden könnten.

Die Bürgerinitiative "Rheinhessen-Pfalz - Zwischen Rhein und Donnersberg" sieht in den Windindustrieparks einen massiven Eingriff in die Landschaft und streitet deshalb gegen den neuen Park. Sie führt den Naturschutz als Argument an und bezweifelt den ökologischen Wert der Windindustrie, weil die Energie-Bilanz der Anlagen negativ sei. Die Bürgerinitiative fordert auch den Rückbau des Flomborner Parks, weil er in einem Gebiet errichtet worden sei, das nach "der Forderung des Landesamtes für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht von Windkraftanlagen zur Sicherung der Lebensräume hochgradig bedrohter Bodenbrüter und der Rastplatz-Funktion für durchziehende Vögel freizuhalten" sei, heißt es auf der Internet-Seite der BI.

Anonyme Schmähbriefe
Der Streit um Flomborn und Ober-Flörsheim wird nicht nur mit Argumenten geführt. In anonymen Briefen wird der Betreiber bezichtigt, "korrupt" zu sein. Als dieser bei einer Einwohnerversammlung [=Erörterungstermin!] versuchte, den Anonymus mittels Schriftproben auf Anwesenheitslisten ausfindig zu machen, wurden ihm die Listen nach der Versammlung gewaltsam entrissen. Große Widerstände gibt es auch gegen die in Idstein-Wörsdorf (Rheingau-Taunus-Kreis) geplanten vier bis sieben Windräder. Im rheinhessischen Eimsheim (Kreis Mainz-Bingen) sammelt ein Bürger Unterschriften gegen den dort geplanten Windpark. In Feilbingert (Kreis Bad Kreuznach) ist vor einigen Wochen das erste Windrad montiert worden, und am Orlener Stock sind im Regionalplan Südhessen sechs Hektar Sonderbaufläche ausgewiesen worden.