Hannoversche Allgemeine
DIENSTAG, 11. AUGUST 1998, NR. 186

Vergeblich gekommen

Zum Bericht „Windige Träume“ vom 22. Juli 1998:

     „Mit Speck fängt man Mäuse“, dachte der Geschäftsführer einer großen hannoverschen Ent­­wick­­lungs­­gesellschaft für Windkraftanlagen, als er das kreative Potential zeitgenössischer Kunst mit der Windkraft verband. Dieses Potential siehst du dir an, sagte ich mir, und ging am 31. Juli, dem letzten Tag der Ausstellung „Kunst und Windenergie“, in das neue Rathaus. Ich war gespannt auf die Werke internationaler Künstler, die laut Zeitungsbericht ein Windrad in sanfte, anschmiegsame Hügel stellten, die den Rotor auf der Stange horizontal statt vertikal anbrachten, die in das Rückgrat der Windmaschine runde, bunte Plexiglas-Augen einbauten und die einen Rotor mit zwei riesigen Leuchtdisplays versahen. Doch ich kam vergeblich. „Die Ausstellung ist schon abgebaut“, sagte mir der Pförtner. „Haben Sie denn noch einen Katalog mit Abbildungen?“ fragte ich ihn. „Ja, hier habe ich etwas“, murmelte er und schob mir ein Faltblatt über den Tresen. Ich faltete es auf und sah Prosaisch-Ökonomisches: eine Vielzahl von Hinweisen, warum es sich lohne, in Windkraft zu investieren...

Winsen/Aller                                                                                Jochen Schmidt

Hannoversche Allgemeine
ANZEIGER FÜR LEHRTE UND SEHNDE
vom 29. September 1999

„Mit Kunst fängt man Mäuse“

Zum Bericht „Mit dem Projekt können sich noch nicht alle anfreunden“ vom 15. Sept. 1999:

     Die Strompreise purzeln. Mit allen Mitteln der Kunst versuchen die Planer und Betreiber von Windkraftanlagen Deiche gegen die Flut der Strompreissenkungen zu errichten. Die „Geldmüller“, so ein ostfriesischer Ausdruck für die in Öko-Branche euphemistisch genannten „Windmüller“, zittern zur Zeit vor Angst, von der Preissenkungswelle weggespült zu werden. Denn ihre Einnahmen sind an den Preis einer Kilowattstunde gebunden. Und je höher dieser Preis ist, desto höher ist die den Windmüllern gezahlte Stromeinspeisevergütung. Und je höher die Einspeisevergütung, desto höher der allgemeine Strompreis! Ein lukrativer Teufelskreis. Damit sich der Dukatenesel weiter in den Schwanz beißen kann, nehmen PR-Werbung und Marketing-Mix der Windindustrie immer skurrilere Formen an: An den Generatorstangen werden Nistkästen und Hochsitze befestigt, „Windmill-Climbing“ wird als Bergsteigen auf dem platten Land proklamiert, teure Erdhügel wie bei Dollbergen werden aufgeschüttet und zur hohen Kunst erklärt. Ohne große Widerworte wird erduldet, was eher als „Horizontverschmutzung“ denn als Muse zu bezeichnen ist. Mit Kunst, sagt die hannoversche Windwärts Energie GmbH, fängt man Mäuse. Im Gegensatz zu den Mäusen erkennen aber einige Bürger, was nach dem Speck kommt: Der Strom wird teurer, das Hotelzimmer mit Ausblick auf die schlagenden Rotoren bleibt unbelegt, die Grundstücke verlieren an Wert, und der Naturfreund wendet sich ab mit Grausen. Der Fahrgast der deutschen Eisenbahn kann seine Seher schließen, doch wehe dem Fahrer, der auf der Expo-Autobahn dasselbe tut! Was gottlob noch nicht ist, wird noch werden. Mancher ausländische Expo-Besucher – ent- oder begeistert, auf jeden Fall verwirrt durch die Windmonster am Rande der Autobahn – wird mit bösen Folgen zum Hans-guck-in-die-Luft werden. Erst dann wird alle Welt Zeter und Mord(io) schreien – lauter, als die Lärmschutzwände links und rechts der Autobahn schlucken können. Durch eine Mauer nach Berlin. Ökologischer, ökonomischer und ideologischer Anachronismus. Windwärts gleich rückwärts.

Winsen/Aller                                                                                          Jochen Schmidt