Rezension aus
Naturschutz und Landschaftsplanung, Eugen Ulmer Verlag, Heft 6/2000
zu Bundesverband Windenergie e.V., Osnabrück, 1999
S. Ihde und E. Vauk-Hentzelt (Hrsg.)
Vogelschutz und Windenergie-Konflikte, Lösungsmöglichkeiten und Visionen
155 Seiten, DM 20.-, ISBN 2-9806657-1-2


Windkraftdiskussion ohne Visionen

Dass die in Interessenvertretung der Windenergiewirtschaft die Diskussion über mögliche negative Auswirkungen von Windenergieanlagen auf wild lebende Vögel nicht allein dem beruflichen Naturschutz überlassen möchte, ist nicht nur interessenpolitisch legitim, sondern könnte als Beitrag zu einer Streitkultur auch der Sache des Naturschutzes dienen. Voraussetzung hierfür ist aber wie in jeder anderen Sachdiskussion, dass die Diskussionsbeiträge einem Mindestmaß an Fairness und Wahrhaftigkeit genügen.

Die Veröffentlichung des Bundesverbandes Windenergie unter dem Titel "Vogelschutz und Windenergie" bleibt hinter diesem Anspruch zurück. Statt die Veröffentlichung wenigstens überwiegend für die Darstellung der möglichen und tatsächlichen "Konflikte" zwischen Windenergie und Vogelschutz zu nutzen und "Lösungsmöglichkeiten" aufzuzeigen (was dem Untertitel der Veröffentlichung nach erwartet werden sollte), dienen drei der insgesamt sieben Einzelbeiträge einzig und allein der Relativierung des Konflikts:
 


Insoweit trifft man auf die üblichen Strategien naturschutzkritischer Gruppierungen im Umgang mit dem Naturschutz.

Der Konflikt wird geschichtlich ("Windmühlen gab es doch schon immer") oder auf andere Weise verharmlost ("andere Dinge sind für Vögel weitaus gefährlicher"). In diesem Zusammenhang sind auch die Farbfotos zu sehen: junge Dohlen im Maschinenraum und junge Turmfalken im Nistkasten am Mast einer Windenergieanlage.

Für die Selbsteinschätzung der Herausgeberinnen und des Bundesverbandes Windenergie, nach der das Buch "einen Überblick über viele aktuelle Themenbereiche des Vogelschutzes im Zusammenhang mit der Planung, dem Bau und dem Betrieb von Windenergieanlagen" gibt, kommen demnach nur mehr vier Einzelbeiträge in Frage: quantitativ gesehen 40 von insgesamt 155 Seiten, also etwa 25 % des Buchumfangs.

Immerhin kann von diesen Beiträgen gesagt werden, dass sie Konflikte (zwischen Windenergie und Vogelschutz im Binnenland und an der Küste) darstellen und Lösungsmöglichkeiten (Planungsgrundsätze) aufzeigen, auch wenn hierbei entgegen der Ankündigung auf dem Umschlag nicht durchweg von "wissenschaftlichen Arbeiten" die Rede sein kann. Die dargestellten Probleme und Problemlösungen waren aber bereits Gegenstand einer Vielzahl von Fachveröffentlichungen zum Teil derselben Autoren und mit den gleichen Sachaussagen, sodass es schwer fällt, hierin neue Erkenntnisse- oder Positionen auszumachen.

Die Veröffentlichung des Bundesverbandes Windenergie ist offenbar auch nicht auf eine naturschutzfachlich vorbereitete Zielgruppe ausgerichtet, sondern mehr auf das Informations- und Argumentationsbedürfnis der eigenen Klientel, die nur schwer den Zugang zu den Fachveröffentlichungen des Naturschutzes findet. So wenden der Abdruck von Bestimmungen aus Naturschutz- und Baurecht (14 Seiten) und das Glossar verständlich, das in großer Schlichtheit Begriffe wie Avifauna, Habitat, Ökosystem und Ornithologie erklärt (z.B. Ressource als "zur Verfügung stehende Materialien").

Uneingeschränkt positiv ist mit über 600 Titeln das Literaturverzeichnis, das allerdings (anders als angegeben) nicht nur Veröffentlichungen zum Konflikt Windenergie und Vogelschutz enthält, sondern zu Windenergie und Naturschutz insgesamt, also auch Landschaftsbild (und insofern ausnahmsweise mehr bietet, als es verspricht), aber auch nur der Nachdruck aus einer anderen Veröffentlichung (nämlich SCHREIBER 1998) ist.

Besonders ärgerlich ist die abgedruckte "Rote Liste der gefährdeten Vogelarten", die ganz offensichtlich nur eine Auswahl gefährdeter Arten einer zudem seit Jahren veralteten Roten Liste enthält, auch nicht alle Gefährdungskategorien berücksichtigt und insofern die ganz spezielle Rote Liste des Bundesverbands Windenergie zu sein scheint. Von den aufgeführten Arten wird gesagt, sie (und nur sie?) könnten für Standortentscheidungen relevant sein. Nach welchen Kriterien und von wem diese Auswahl getroffenwurde, bleibt unklar.

Von der Veröffentlichung des Bundesverbands Windenergie sollte aber auch erwartet werden können, dass sie den Konflikt "Windenergie und Vogelschutz" übergreifend und aus bundesweiter Perspektive beleuchtet. Die Autoren sind aber fast ausschließlich Freiberufler oder Vertreter von Planungsbüros, die als Auftragnehmer der Standortplanung von Windkraftanlagen befasst sind.

Naturschutzbehörden (etwa die Staatlichen Vogelschutzwarten, denen bei dem Thema sicherlich eine besondere Kompetenz zugebilligt werden müsste) kommen nicht Wort. Auch geographisch ist der Blickwinkel eng: Die Auswahl der Beiträge beschränkt sich überwiegend auf Nordwestdeutschland - so auch, wenn die Verpflichtungen der EG-Vogelschutzrichtlinie nur im Hinblick auf Niedersachsen beleuchtet und hier unzutreffend (aber wohl der Wunschvorstellung der Windenergieseite folgend) als so gut wie erfüllt angesehen werden.

Wenn der Veröffentlichung für den Naturschutz und die Landschaftspflege etwas abgewonnen werden kann, dann am ehesten wegen des gewährten Einblicks in die Argumentationslinien der Windenergiewirtschaft und wegen der abgedruckten Ansichten von vier Umweltverbänden zu Windenergie und Naturschutz, die alllerdings ebenfalls längst an anderer Stelle erschienen sind. Deren Auffassungen sind insofern bemerkenswert, weil an ihren exemplarisch geprüft werden kann, inwieweit Umweltverbände "vorwiegend die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege vertreten", was das Bundesnaturschutzgesetz von ihnen für eine Anerkennung als Naturschutzverband verlangt. So gesehen finden sich in der Veröffentlichung bemerkenswerte Ansichten. Visionen (siehe Titel) indessen keine.

Mitarbeiter (Dipl. Ing.) des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie in Hildesheim und bundesweit bekannter Fachmann für die Eingriffsregelung (Naturschutzgesetz).
Kritischer Autor von: "Windkraftanlagen und Eingriffsregelung" oder: "Kann denn Windkraft Sünde sein?" in: Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 5/93, Beiträge zur Eingriffsregelung II, S. 152ff.

Anmerkung von Manfred Knake: Frau Ihde, die "Vogelschutzexpertin", ist VORSTANDSMITGLIED im BWE


EGE - Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e. V.
European Group of Experts on Ecology,
Genetics and Conservation

Presseinformation 10/2003

Immer häufiger Uhus tot unter Windenergieanlagen
Vogelschützer kritisieren Windenergiewirtschaft, Länder und Kommunen


Nachdem in Deutschland immer mehr Windenergieanlagen errichtet werden und kaum eine Gegend vor diesen Anlagen sicher ist, häufen sich die Fälle, in denen Uhus an Windenergieanlagen zu Tode kommen. "Die Uhus werden von den Rotoren buchstäblich zerfetzt", so der Geschäftsführer der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e. V. (EGE), Wilhelm Bergerhausen.

Zwar sehen Uhus wie alle Eulen auch bei Nacht. Die Uhus mit einer Flügelspannweite von 1,80 m sind aber keine wendigen Flieger und offenbar nicht in der Lage, den Rotorblättern, die am äußeren Ende weit mehr als einhundert Stundenkilometer erreichen können, erfolgreich auszuweichen. Das Risiko, mit den Anlagen zu kollidieren, ist insbesondere für die noch unerfahrenen jungen Uhus hoch.

Fünfzehntausend Windenergieanlagen stehen in Deutschland, davon viele in Uhulebensräumen. Und die Zahl nimmt noch zu. Für die Vogelschützer eine unhaltbare Situation: Der Uhu war in der Mitte des letzten Jahrhunderts in Deutschland fast ausgerottet. Heute leben in Deutschland dank großer Anstrengungen des Naturschutzes wieder etwa achthundert Brutpaare - vor allem in den deutschen Mittelgebirgen. "Was hier in Jahrzehnten erreicht wurde, macht zusehends der rücksichtslose Ausbau der Windenergie zunichte. Kaum ein anderer Teil der Wirtschaft setzt sich so rigoros gegen den Naturschutz durch. Diese Branche gilt völlig zu Unrecht als umweltfreundlich", kritisiert Wilhelm Bergerhausen.

Allerdings macht die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen für diese Entwicklung auch die Bundesländer verantwortlich. "Naturschutz ist in Deutschland Sache der Länder. Sie haben die Pflicht, bedeutende Vogellebensräume vor den Geschäftsinteressen einer kleinen Minderheit zu schützen, kommen dieser Pflicht aber kaum nach". Bis auf Brandenburg, wo Windenergieanlagen immerhin einen Abstand von dreitausend Metern zu Uhubrutplätzen einhalten müssten, ließen viele Länder und Kommunen nahezu jeden Wildwuchs zu.

Beispiel Niedersachsen: Zwar gebe sich die christlich-liberale Landesregierung nach außen hin kritisch, was den weiteren Ausbau der Windenergie im Binnenland angehe. "Tatsächlich unternimmt sie nichts, Uhulebensräume vor Windenergieanlagen zu schützen. Flächennutzungspläne zum Beispiel der Stadt Hardegsen im Solling und der Stadt Osterode am Harz bereiten den Bau von Windparks mit einigen Dutzend Anlagen in aller nächster Nähe zu den wenigen Uhubrutplätzen vor, die es in Niedersachsen gibt", sagt Bergerhausen. Im Landkreis Lüchow-Dannenberg habe erst kürzlich das Umweltministerium die Genehmigung eines Windparks angeordnet, dem der Landkreis aus Gründen des Vogelschutzes zuvor die Zulassung versagt habe. Gerade an der Windenergie werde viel verdient. Das sei die Erklärung, wenn der Naturschutz unter die Räder komme.

Der Schutz des Uhus ist in Niedersachsen besonders unzureichend, weil die niedersächsische Landesregierung entgegen der Pflicht der Europäischen Vogelschutzrichtlinie von 1979 kein einziges von sechzig niedersächsischen Uhuvorkommen unter den Schutz der Europäischen Vogelschutzrichtlinie gestellt hat. Wegen dieses Versäumnisses ermittelt die Europäische Kommission gegen Niedersachsen.

In der Eifel, wo die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen ihren Sitz hat, ist die Lage kaum besser: Auch hier entstehen immer mehr Windenergieanlagen in Uhulebensräumen. In der Maareifel bei Daun sind es gleich drei Brutpaare, die von einem Windpark bedroht sind. Was das bedeutet, sehen die Vogelschützer in der Nordeifel: "Allein in der Brutzeit 2003 fanden wir zwei tote Uhus in einem einzigen Windpark bei Nideggen - ganz offensichtlich von Rotoren erschlagen. Verunglücken die Altvögel, verhungern die Jungen im Nest. Auch die rotgrüne Landesregierung in Düsseldorf forciert den Ausbau der Windenergie und unternimmt nichts zum Schutz des Uhus", sagt Wilhelm Bergerhausen.

Optimistisch sind die Vogelschützer nur in einer Hinsicht: Die Europäische Kommission ermittelt gegen Deutschland wegen des unzureichenden Schutzes von Uhulebensräumen. Die Errichtung von Windparks dürfte sich in vielen Fällen als Verstoß gegen das europäische Naturschutzrecht erweisen. Das kann den Abriss der Anlagen bedeuten.

Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen
EGE e. V.
Postfach 1146
52394 Heimbach
Telefon 02446/3321
Fax 02446/3043
e-Mail Egeeulen@aol.com


Fledermäuse

When Blade Meets Bat - Die Wechselwirkung von Fledermäusen und Windturbinen erscheint als ein grösseres und unerwartetes Problem in den nördlichen Appalachen. Von Mitte August bis Oktober 2003, während der Herbst-Wanderungsperiode, starben mindestens 400 Fledermäuse an 44 Turbinen des Bergsteiger-Windenergiezentrum der FPL Energie auf dem Bergrücken in West Virginia. Die Fledermäuse starben wohl nach Kollisionen mit den Windturbinen - aber warum so viele Tiere an dieser besonderen Stelle getötet wurden, bleibt ein Mysterium. Der öffentliche Aufschrei über die hohe Anzahl droht die Errichtung von einigen weiteren hundert Windturbinen, welche für das triste Gebiet West Virginias, den westlichen Marylands und in Southcentral Pennsylvaniens geplant sind, zu stoppen oder zu verzögern. Rotor trifft Fledermaus.