Zur Verunstaltung des Landschaftsbildes durch zwei Windenergieanlagen außerhalb eines förmlich unter Natur- und Landschaftsschutz gestellten Bereiches
OVG Münster, Urteil vom 12. Juni 2001, AZ: 10 A 97/99
von Rechtsanwalt Dipl. Fw. (FH) Patrick Habor, Göttingen


In der hier vorgestellten Entscheidung fasst das OVG Münster noch einmal wesentliche Aspekte, die im Rahmen der bisherigen Genehmigungspraxis im Zusammenhang mit der Errichtung von Windkraftanlagen/Windparks von Bedeutung sind, zusammen.

Die Entscheidung ist insbesondere bemerkenswert, weil sie als Korrektiv zu der Verwaltungspraxis bis hin in die Ministerien herangezogen werden sollte.

Der Kläger begehrte die Erteilung einer Bebauungsgenehmigung für die Errichtung von zwei Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe von 60,5 Metern und ein Rotordurchmesser von 52 Metern im Außenbereich. Der Flächennutzungsplan wies an dieser Stelle, sowie für weitere Flächen, eine Konzentrationszone für Windenergieanlagen aus.

Das Gericht entschied, dass diesem grundsätzlich nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegierten Vorhaben öffentliche Belange entgegenstehen und wies die Klage ab.

Im Rahmen der Abwägungsentscheidung, die auch für privilegierte Vorhaben im Außenbereich erforderliche sei, entfalte das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs seine eigentliche Bedeutung. Hiernach kann sich ergeben, dass ein privilegiertes Vorhaben an dem vorgesehenen Standort unzulässig ist. Als im § 35 BauGB genannter öffentlicher Belang kommt insbesondere auch die Verunstaltung des Landschaftsbildes in Betracht. Die Vorschrift soll auch außerhalb von Natur- und Landschaftsschutzgebieten den Außenbereich vor ästhetischen Beeinträchtigungen bewahren. Das städtebauliche Verunstaltungsverbot beruhe auf der Erkenntnis, dass eine naturschutzrechtlich nicht besonders geschützte Landschaft empfindlich gegen ästhetische Beeinträchtigung sein kann. Außerhalb besonders geschützter Landschaftsbestandteile müsse zwar eine qualifizierte Beeinträchtigung im Sinne eine Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes gegeben sein, diese läge jedoch vor, wenn ein Vorhaben in seiner Umgebung grob unangemessen ist und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden wird. Die konkreten Abwägungen zu dem Standort erfolgt in der Entscheidung im übrigen sehr ausführlich.

Das Gericht führt weiter aus, dass Vorbelastungen in keiner Weise den Bau das Landschaftsbild beeinträchtigender oder gar verunstaltender Windkraftanlagen rechtfertigen. Insbesondere die drehende Bewegung der Rotorblätter lenke zwangsläufig den Blick des Betrachters auf die Windkraftanlage, was verbunden mit der hier exponierten Lage am Berghang eine schwerwiegende negative Abweichung auch im Bezug auf den ästhetischen Eindruck darstelle.

Besonders bemerkenswert ist die Entscheidung im Hinblick auf § 4 Abs. 3 Nr. 4 Landschaftsgesetz NRW, der bestimmt, dass die Errichtung von zwei nah beieinander liegenden Windkraftanlagen nicht als Eingriff in Natur und Landschaft gilt. Maßstab für eine Beurteilung nach Bundesrecht sei eine Einzelfallentscheidung unter Zugrundelegung eines für ästhetische Eindrücke offenen Betrachters und keine Pauschalisierung im Sinne der genannten landesrechtlichen Regelung.

Anders gesagt: Die Vorschrift § 4 Abs. 3 Nr. 4 Landschaftsgesetz NRW verstößt gegen Bundesrecht.

In Übereinstimmung mit einer Vielzahl von vergleichbaren Entscheidungen greift das zitierte Urteil noch einmal den Gedanken auf, dass die Privilegierung nur für sogenannte einfach gesetzliche Gebiete gelten kann. Für Gebiete, in denen bereits eine Schutzverordnung existiert (Landschaftsschutzgebiet, Naturpark), ist danach die Errichtung von Windkraftanlagen unzulässig.

Mit den weiteren Ausführungen zu § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, wonach der Errichtung von Windkraftanlagen öffentliche Belange auch dann entgegen stehen, wenn Darstellungen in einem Flächennutzungsplan oder als Ziel eines Raumordnungsplans an anderer Stelle erfolgt sind, betritt die Entscheidung des OVG Münster kein Neuland. Ergänzt werden muss jedoch, dass in jedem Fall die Gründe für die alleinige Ausweisung bestimmter Flächen als Konzentrationszonen von den Gemeinden umfassend gutachterlich belegt sein sollten, um dem Argument einer bloßen Verhinderungsplanung entgegenwirken zu können.

Auch wenn die nachbarschützende Wirkung des Aspektes der Landschaftsästhetik wohl abgelehnt werden muss, sollte die Entscheidung gerade im Rahmen von Stellungnahmen der Naturschutzverbände zur Mitwirkung in der Bebauungsplanung herangezogen werden. Ebenso hilfreich dürfte die Argumentation im Rahmen von Normenkontrollverfahren gegen Bebauungspläne sein. Gerade deshalb sollte, wo immer es geht, die Aufstellung eines Bebauungsplanes gefordert und von den Kommunen auch beschlossen werden. Der Aspekt der Landschaftsästhetik, der grade im Außenbereich von ganz besonderer Bedeutung ist, wurde bisher insbesondere von den Genehmigungsbehörden im Zusammenhang mit der Errichtung von Windkraftanlagen in vielen Fällen stiefmütterlich behandelt. Es steht zu hoffen, dass dies auch wegen des hier vorgestellten Urteils nicht so bleibt und jedenfalls ästhetisch besonders wertvolle Landschaften großräumig vor der Errichtung von Windkraftanlagen geschützt werden können.

http://members.tripod.de/WilfriedHeck/ovgnrw31.htm