Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz e. V., GNOR
Landesgeschäftsstelle: Osteinstr. 7-9, 55118 Mainz, e-mail: mainz@gnor.de; www.gnor.de

ISSELBÄCHER, THOMAS & K. ISSELBÄCHER, Marburg

Konfliktfeld Vogelschutz und Windenergie in Rheinland-Pfalz
Störwirkungen und Gegenmaßnahmen

Seit geraumer Zeit steigen auch in windhöffigen Mittelgebirgslagen des Binnenlandes die Zahl und die Anträge zur Errichtung von Windenergiestandorten. Versucht man die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Natur insbesondere auf die Vogelwelt zu bewerten, so fällt auf, dass Untersuchungen zu diesem Thema hauptsächlich aus Küstenregionen oder küstennahen Gebieten vorliegen. Auf die binnenländische Situation lassen sich die Ergebnisse jedoch nicht vorbehaltlos übertragen.

Aus diesem Grund fertigte die Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz (GNOR) im Auftrage des Landesamtes für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz (LfUG) eine Grundlagenstudie zum Konfliktfeld Vogelschutz und Windenergie in einem Mittelgebirgsraum an. Im Rahmen dieser Studie wurden Untersuchungen zum Verhalten von Zugvögeln an Windparken in Rheinhessen und im Westerwald durchgeführt. Darüber hinaus wurde die Störungsempfindlichkeit ausgewählter rheinland-pfälzischer Brut- und Rastvogelarten gegenüber Windkraftanlagen beschrieben und Brut- und Rastlebensräume von besonders störungsempfindlichen Arten identifiziert. Es zeigte sich, dass bei bestimmten herbstlichen Witterungslagen und bei ungünstigen Standorteigenschaften der Windparke massive Beeinträchtigungen des bodennahen Vogelzuges stattfinden. Des weiteren kollidieren in vielen Fällen die Vorzugsräume der Windkraftnutzung und -Planung mit traditionellen und landesweit bedeutenden Rastgebieten von Vogelarten (z.B. Kiebitz, Gold- und Mornellregenpfeifer).

Die Ergebnisse dieser Studie münden in konkreten Maßnahmevorschlägen für Entscheidungsträger in der Planung, der Verwaltung und der Politik. Damit sollen die Belange des Vogelschutzes bei der künftigen Ausweisung von Windkraftstandorten besser und früher berücksichtigt werden.

Ergebnisse dieses Gutachtens (Vogelzug im Binnenland und an Windkraftanlagen, Lebensräume störungsempfindlicher Brut- und Rastvogelarten) werden präsentiert. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Vorstellung der erarbeiteten Handlungsempfehlungen.

[Bezugsquelle: Ministerium für Umwelt und Forsten; Kaiser-Friedrich-Str.7; 55116 Mainz;
Telefon: 06131 / 16 46 45; Telefax: 06131 / 16 46 49; e-mail: Poststelle@muf.rlp.de.
Die Schrift kostet 25.- DM, hinzu kommen Porto und Verpackung.]


KOWALLIK, CHRISTINE, Oldenburg & Osnabrück
Universität Osnabrück, AG "Gänseforschung", FB 5, Barbarastr. 11, 49069 Osnabrück

Windräder als Vogelscheuchen? - Über den Einfluss der Windkraftnutzung in Gänserastgebieten an der nordwestdeutschen Küste

Derzeit nimmt die Nutzung von Windenergie in den offenen Landschaften Norddeutschlands stark zu. Obwohl dies aus Sicht des Umweltschutzes wünschenswert ist, bleiben doch aus Natuschutzsicht schwere Bedenken gegen die Wahl vieler Standorte. Zentrale Frage ist hierbei, in wieweit sich Vögel an den Windrädern stören, d.h. wie groß die Abstände sind, die sie zu ihnen einhalten. Zu diesem Thema liegen zwar schon verschiedene Arbeiten vor, eine generelle - d.h. auch für die Landschaftsplanung verwendbare Antwort kann aber bisher noch nicht gegeben werden.

In dieser Arbeit wird versucht, die Störwirkungen der im Gebiet vorhandenen Windräder anhand der Verteilung der dort überwinternder Nonnengänse zu ermitteln. Es wurde dabei versucht, möglichst viele andere Faktoren auszuschließen, durch die die Gänseverteilung ebenfalls beeinflusst sein könnte. Das bedeutet, dass nur die Gänsenutzung solcher Flächen verglichen wird, die von ihrer sonstigen Ausstattung her als gleich attraktiv angesehen werden können.

Es zeigt sich, dass der Nahbereich von Windrädern nahezu völlig gemieden wird. Diese Flächen gehen als Nahrungsgebiet für die Gänse komplett verloren. Auch in einem weiteren Bereich (von mehreren 100 m2) ist die Nutzung der Flächen durch die Gänse gegenüber dem Umland noch deutlich gemindert.

Diese Arbeit entstand in Kooperation mit der Rijksuniversiteit Groningen, der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer Wilheimshaven und der Staatlichen Vogelschutzwarte, Hannover. Sie wurde gefördert durch die Niedersächsische Wattenmeerstiftung.


BORBACH-JAENE, JOHANNES & HELMUT KRUCKENBERG, Osnabrück & Verden
Universität Osnabrück, AG "Gänseforschung", FB 5, Barbarastr. 11, 49069 Osnabrück

Einfluss eines Windparks auf ein Gänserastgebiet

Im Rheiderland (Landkreis Leer, Niedersachsen) wurden die Auswirkungen einer Windparkerrichtung auf die Raumnutzung nahrungssuchender arktischer Blessgänse (Anser albifrons) untersucht. In dem Gebiet wurden vor dem Bau häufig rastende Gänse festgestellt. Nach dem Bau im Jahr 1995 mieden die Gänse das Nahrungsgebiet bis 300 m vollständig und nutzten den Bereich zwischen 300 - 500 m mit einer um ca. 50 % geminderten Intensität. Insgesamt wurden 344 ha Nahrungsfläche entwertet.

Mögliche Wirkfaktoren wie auch die Perspektiven einer potentiellen Habituation werden diskutiert. Es wird auf den zukünftigen Forschungsbedarf eingegangen.

Diese Arbeit entstand mit freundlicher Unterstützung der Staatlichen Vogelschutzwarte am Niedersächsischen Landesamt für Ökologie, Hannover und der NABU Zählergruppe Leer.


BERGEN, FRANK, Bochum & Radolfzell
Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Biologie, Allgemeine Zoologie und Neurobiologie, 44780 Bochum, frank.bergen@ruhr-uni-bochum.de

Windkraftanlagen und Frühjahrsdurchzug des Kiebitz (Vanellus vanellus): eine Vorher/Nachher-Studie an einem traditionellen Rastplatz in Westfalen.

Im Rahmen der Arbeit wurde der Frühjahrsdurchzug des Kiebitz (Vanellus vanellus) vor (1998, 1999) und nach (2000) der Errichtung von 17 Windkraftanlagen (WKA) an einem traditionellen Rastplatz im Binnenland untersucht. Auf einer in Nordrhein-Westfalen liegenden 309 ha großen Fläche wurden in der Zeit zwischen Anfang Januar und Anfang April nahezu pentadenweise Zählungen der rastenden Individuen durchgeführt. Es zeigte sich, dass die räumliche Verteilung der Kiebitze sich nach der Errichtung des Windparks deutlich von den Vorjahren unterschied. Insbesondere die Bereiche mit der höchsten WKA-Dichte wurden gemieden. Auch die Verteilung der Individuen auf 100 m breite, radiale Entfernungsklassen ergab Hinweise auf ein Meideverhalten der Art gegenüber WKA. Der durchschnittliche Abstand zur nächsten WKA lag mit 303 m ± 116 m sowohl über dem theoretisch zu erwartenden Wert, als auch über den Werten aus den Vorjahren.

Die Relevanz des dadurch entstehenden Lebensraumverlustes hängt letztlich davon ab, ob in der Umgebung für Kiebitze Ausweichflächen gleicher Qualität zur Verfügung stehen. Ist das nicht der Fall, sollte bei der zukünftigen Planung von WKA ein Mindestabstand von 300 m zu bedeutenden Rastplätzen der Art eingehalten werden.


BACH, LOTHAR, Bremen
Freilandforschung, zool. Gutachten, Hamfhofsweg 125 b, 28357 Bremen, email: totharbach@aol.com

Fledermäuse und Windkraft

In den letzten Jahren wurden in verschiedenen Ländern Europas und in Amerika größere Anzahlen toter Fledermäuse unter Windenergieanlagen (WEA) gefunden, die offensichtlich durch Kollision mit den Rotoren starben. Sinn des Vortrages ist nun, einmal die potentiellen Probleme von Fledermäusen und WEA aufzuzeigen. Darunter zählen u.a. Jagdgebietsverlust durch Meidung des WEA-Umfeldes, Ultraschallemission, Fledermausschlag etc.. So findet Fledermausschlag scheinbar vornehmlich während des Fledermauszuges statt. Demnach kommt den geplanten off-shore-Windparks nicht nur im Vogelzug, sondern auch im Fledermauszug eine wichtige Rolle zu. Auch werden erste Ergebnisse einer Untersuchung zur sommerlichen Nutzung eines Windparkes durch Fledermäuse vorgestellt.

Somit ist der Sinn dieses Vortrages nicht nur, neue Daten zu einem neuen Untersuchungsfeld vorzustellen, sondern auch auf das Problem an sich aufmerksam zu machen und zu weitergehenden, gezielten Untersuchungen anzuregen.


BALLASUS, HAUKE, Bielefeld
Universität Bielefeld, AG Ethoökologie & Naturschutz, Lehrstuhl für Verhaltensforschung Email: Hauke.Ballasus@Biologie.Uni-Bielefeld.de oder hballasus@web.de

Habitatwert beeinträchtigende Wirkungen von
Freileitungen auf überwinternde Gänse

Freileitungen unterschiedlichen Bau- und Spannungstyps sind weit mehr als ein ästhetisches Problem für Gänse. Während direkt schädigende Wirkungen wie die Kollision mit den Leiterseilen bei Gänsen unter normalen Sicht- und Windverhältnissen relativ selten eintreten, wurden indirekte Effekte nachgewiesen, die eine starke Beeinträchtigung des Habitatwerts durch Freileitungen dokumentieren. Negative Effekte können als Meidung leitungsnaher Flächenbereiche, einem geänderten Aktivitätsverhalten (Ballasus & Sossinka 1997, Sossinka & Ballasus 1997) oder auch als Abweichung des räumlich-zeitlichen Nutzungsmusters von Nahrungsflächen (Ballasus im Druck) zu Tage treten. Schließlich sind Änderungen bestimmter Trupp-Parameter wie der Individuenzahl oder dichte in der Nähe von Freileitungen denkbar, über die eine indirekt schädigende Wirkung eintreten kann. Auf allen diesen Ebenen sind Schwellenwerte zu erwarten, unterhalb derer negative Effekte eintreten. Die potentiellen Wirkebenen und die Darstellung der jeweils gen Schwellenwerte sind Schwerpunkt eines mehrjährigen Forschungsprojektes zur Raum- und Flächennutzung überwinternder Gänse am Unteren Niederrhein. Der Vortrag geht auf einen Auszug der wichtigsten Ergebnisse dieses Forschungsschwerpunktes ein. Die Datenerhebung dazu wurde in den Wintern 1994/95 sowie 1996/97 - 1999/2000 durchgeführt. Von sehr häufigen Gänsekartierungen bis hin zu biochemischen Vegetationsanalysen kamen verschiedenste Methoden zum Einsatz.


BORBACH-JAENE, JOHANNES, Osnabrück
Universität Osnabrück, AG "Gänseforschung", FB 5, Barbarastr, 11, 49069 Osnabrück

Einfluss der Salzwiesenbeweidung auf die Raumnutzung der Nonnen und Ringelgans an der Leybucht, Nordwestniedersachsen

Nonnen- und Ringelgänse sind gerngesehene Wintergäste auf den Salzwiesen der nordwestdeutschen Küstenlandschaft. Im Rahmen der Ausweisung von Nationalparken an den Küsten wurde und wird die Bewirtschaftung dieser Salzwiesen in zunehmenden Maße eingeschränkt, um der Natur dort ihren freien Lauf zu lassen.

Ziel einer Untersuchung der Universität Osnabrück an der Leybucht war es den Einfluss dieser Bewirtschaftungsänderung auf das Raum/zeitverhalten der Nonnengans zu ermitteln.

Nonnen- und Ringelgänse präferieren beweidete Salzwiesen und. konzentrieren sich dort in großer Zahl. Unbeweidete Salzwiesen werden in den ersten Jahren nach der Beweidungseinstellung ebenfalls intensiv genutzt. Diese Nutzung ist aber über die Jahre rückläufig.

Auswirkungen weitergehender Beweidungseinschränkungen auf die Rastpopulation der Nonnengans und deren Raumnutzung werden diskutiert.

Diese Arbeit entstand in Kooperation mit der Rijksuniversiteit Groningen, der Nationalparkverwaltung, Wilhelmshaven und der Staatlichen Vogelschutzwarte, Hannover. Sie wurde gefördert durch die Niedersächsische Wattenmeerstiftung


BÄBLER, RENÉ, Bern
Universität Bern, Zoologisches Institut, AG Ethologie & Naturschutz, Länggastr. 27, 3012 Bern, Schweiz

Beeinflussen Jagd und Tourismus die Reaktionsempfindlichkeit von Gämsen
(Rupicapra rup. rupicapra)?

"Die Jagd macht die Tiere scheu!" Diese Meinung ist weit verbreitet und theoretisch auch gut begründbar. Es müssten sich als Folge der Selektion oder Lernfähigkeit diejenigen Tiere durchsetzen, die den Menschen als Gefahr sehen und sich entsprechend scheu gegenüber ihm verhalten. Andererseits sollten Tiere, die nicht bejagt werden, im Menschen keinen Feind sehen und entsprechend zutraulich sein oder zumindest sich leicht gewöhnen können. Dies sollte vor allem in Gebieten der Fall sein, wo die Tiere regelmäßig mit den Menschen in Kontakt kommen, das heißt, hier müssten die Tiere besonders wenig empfindlich reagieren.

Ob solche Unterschiede in der Reaktionsempfindlichkeit bei Gämsen (Rupicapra rup. rupicapra) existieren, wurde im Rahmen der Diplomarbeit in 14 Gebieten im Berner Oberland (Schweiz) während des Sommers 2000 untersucht. Die Gebiete unterschieden sich sowohl in der Bejagung (Jagd-/ Banngebiet) als auch in der Tourismusintensität. Zwischen Setzzeit im Mai und Jagdbeginn im September wurden durch sichtbare Annäherung eines Experimentators die Fluchtdistanzen und Fluchtstrecken von weiblichen Gämsen mit einem Laserdistanzmessgerät gemessen.

Aus dem Vergleich der Gebiete mit und ohne Jagd sowie unterschiedlich starkem Tourismus ergaben sich keine Unterschiede, welche auf den Einfluss dieser Faktoren schließen ließe. Dass die Jagd die Tiere scheu macht, jedenfalls was weibliche Gämsen im Berner Oberland betrifft, kann aufgrund dieser Untersuchung nicht bestätigt werden.

* * * * *
Alle Beiträge: Verhaltensanpassungen an menschlichen Einfluß und ihre Grenzen, 6. Symposium der Arbeitsgruppe Ethologie und Naturschutz e. V. in Osnabrück, 29.03. bis 01.04.2001


Bundesweite Fachtagung zum Thema "Windenergie und Vögel - Ausmaß und Bewältigung eines Konfliktes", am 29.und 30.November 2001 in der Technischen Universität Berlin.

Kurzfassung des Vortrags von Axel Müller & Hubertus Illner, Soest:

Beeinflussen Windenergieanlagen die Verteilung
rufender Wachtelkönige und Wachteln?*

Der Südrand der Westfälischen Bucht wird durch einen überwiegend ackerbaulich genutzten Höhenzug markiert, welcher der eigentlichen Mittelgebirgsschwelle vorgelagert ist. Das Gelände steigt hier aus der Hellwegbörde sanft auf Höhen zwischen 250 und 400 m an, um dann steil zum Möhnetal abzufallen. Aufgrund der exponierten Lage sind die höheren Lagen des Haarstrangs und der östlich anschließenden Paderborner Hochfläche sehr windhöffig. Auf einer Fläche von ca. 250 km2 stehen hier bereits weit über 200 WEA, entsprechend etwa 20% aller Anlagen in Nordrhein-Westfalen, darunter die größten Windparks im europäischen Binnenland.
Gleichzeitig stellt diese seit Jahrhunderten vom Getreideanbau dominierte Landschaft einen überregional bedeutenden Verbreitungsschwerpunkt der Wachtel und des Wachtelkönigs dar, insbesondere in den über 150 m hoch gelegenen Teilbereichen des Haarstrangs.
Daraus ergibt sich die günstige Gelegenheit zur Untersuchung des Einflusses der WEA auf die Revierverteilung beider Zugvogelarten.Mit standardisierten speziellen Erfassungsmethoden (Dämmerungs- bzw. Nachterfassungen, teilweise unterstützt mit Klangattrappe) wurden beide Arten in mehreren Jahren akustisch erfasst. Es wurden vergleichend Windparkflächen und von WEA weiter entfernte, sonst aber vergleichbare Kontrollflächen kartiert. Ein zweiter Untersuchungsansatz war die Erfassung der Rufer in denselben Flächen vor und nach der Errichtung von WEA.
Anhand ausgewählter Beispiele werden erste Ergebnisse der laufenden Untersuchungen vorgestellt. Die Verteilungsmuster beider Arten zeigen ein Meideverhalten gegenüber WEA. Zumindest beim Wachtelkönig scheinen zudem zu Windparks größere Abstände eingehalten zu werden als zu Einzelanlagen. Die Ergebnisse werden vor allem vor dem Hintergrund einer Beeinflussung des akustischen Umfeldes der beiden Arten durch WEA diskutiert.

*Teile der Freilanderfassungen wurden durch die Vogelschutzwarte NRW / LÖBF und durch das Bundesamt für Naturschutz gefördert.


P.M. Magazin: Artenschutz & Verhaltensforschung
Die Mama ist ein Flugzeug
Eine Geschichte von Menschen und Gänsen

Selbst wer es mit eigenen Augen gesehen hat, kann es kaum glauben: In einigen Hundert Metern Höhe fliegt Christian Moullec mit seinem Ultralight-Flugzeug – und ihm folgt in der typischen V-Formation ein Schwarm von rund zwanzig Zwerggänsen. Er tauscht mit ihnen Blicke aus, und gelegentlich berührt er ihre zarten Federn im Flug mit den Händen. Andere Zugvögel begegnen dem seltsamen Vogelschwarm in den Lüften, Tausende von Eiderenten, Kranichen, Sperlingsvögeln, Reihern und viele Greifvögel, die auf gleicher Höhe fliegen. Manchmal geschieht es, dass sich einige Wildvögel zu der Gänseschar gesellen – Augenblicke, die Christian Moullec zu seinen intensivsten Erlebnissen zählt: »Das ist der Traum eines jeden Vogelbeobachters, selbst Teil eines Schwarms zu sein. So etwas vergisst man nie wieder.« So konnte er beobachten, was bisher noch niemand gesehen hat, z. B. dass »kleine Merline in 500 Meter Höhe ziehen und immer wieder einmal – quasi im Vorbeifliegen – einen Singvogel fangen. Den halten sie mit einer Kralle fest und verspeisen ihn während des Flugs«. So wunderbar es sein muss, die Erdenschwere abzulegen und sich mit wilden Vögeln in die Lüfte zu erheben, so ernst ist der Anlass für dieses Projekt: Es gibt fast keine Zwerggänse mehr, in Europa nur noch 50 Paare. Ursprünglich überwinterten sie in West- und Osteuropa, am Kaspischen Meer und im Südosten Chinas. Doch sowohl in ihren Brutgebieten als auch an ihren Überwinterungsplätzen werden sie gejagt. Ihr besonderes Pech ist zudem, dass sie häufig mit Blessgänsen, den meistgejagten Gänsen Eurasiens, vergesellschaftet sind und mit diesen etwas größeren Vögeln oft verwechselt werden. So werden Zwerggänse geschossen, obwohl sie nahezu überall ganzjährig geschützt sind. »Wenn wir nichts unternehmen, wird die Zwerggans in 20 bis 30 Jahren ausgestorben sein«, befürchtet Johann Mooij, Gänsekoordinator der deutschen Zentrale für Wasservogelforschung und Feuchtgebietsschutz. Vogelschützer versuchen deshalb, Zwerggänse in ungefährliche Winterquartiere in Westeuropa umzuleiten – dabei hilft ihnen Christian Moullec mit seinem Ultralight-Flieger.

Von Marianne Oertl