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29.11. - 31.12.01

FAZ 31.12.2001, Leserbrief
Wind und Sonne, Zahlen und Kosten
Zum Artikel "Für die Opposition ist der ‚Atomausstieg' nicht endgültig" (FAZ vom 15. Dezember): Die Regierungskoalition, vor allem der grüne Koalitionspartner, feiert den "unumkehrbaren Ausstieg" aus der Stromversorgung durch Kernenergie.
Selten hat eine Regierung ein Gesetz durchgedrückt, das so wenig zu Ende gedacht ist.Vor allem mit Wind und Sonne will Minister Jürgen Trittin die Energiewende schaffen, ohne dies mit Zahlen und Kosten zu belegen. Derzeit werden dreißig Prozent unseres Strombedarfs aus deutschen Kernkraftwerken gedeckt. Trotz des rasanten Ausbaus des Wind- und Sonnenstroms beläuft sich dessen Anteil auf weniger als 2,5 Prozent. Abgesehen davon, daß mit derzeit etwa 11000 Windkraftanlagen die Belastungsgrenze der Landschaft erreicht ist, kosten Wind- und Sonnenstrom bereits jetzt 1,3 Milliarden Mark Subvention über den von allen zu zahlenden Strompreis. Ein ohnehin schon utopischer Anteil von nur 15 Prozent würde jährlich etwa acht Milliarden Mark Subvention kosten. Mit Stromsparen läßt sich der Verbrauch sicher noch reduzieren. Die Grünen in Nordrhein-Westfalen haben diese Ersparnis allerdings schon mit dem von ihnen geforderten Ausstieg aus der Braunkohle, die ebenfalls etwa dreißig Prozent unseres Strombedarfs deckt, verrechnet. Hinzu kommt, daß der Anteil des Steinkohlestroms (derzeit 25 Prozent) stetig zurückgeht. Die Subventionen werden für nicht mehr bezahlbar gehalten, obwohl sie im Verhältnis erheblich geringer sind als für Wind und Sonne.
Es fehlt vor allem bei den Grünen an einem realistischen Konzept für die künftige Stromversorgung und deren Bezahlbarkeit. Die von Wirtschaftsminister Werner Müller ermittelten Kosten werden ignoriert. Es ist anmaßend, wenn eine heutige Bundestagsmehrheit einen unumkehrbaren Ausstieg aus der Kernenergie feiert, der erst in zwanzig Jahren vollzogen ist. Als ob den heute Zwanzigjährigen vorgeschrieben werden könnte, ob sie demnächst weiter aus deutschen oder dann verstärkt aus französischen Kernkraftwerken Strom beziehen dürfen. - Josef Hüttemann, Düren

Berliner Tagesspiegel, 23.12.01
Warum werden Sie so wenig gelobt, Herr Trittin?
Der Umweltminister über grüne Mentalität und seine Probleme mit Blumenfarmen am Kilimandscharo
Wenn Sie an das Programm denken, mit dem Sie vor drei Jahren angetreten waren: Ist die Energiepolitik der rot-grünen Regierung dann ein Erfolg?

Ja, die Energiewende, das nationale Klimaschutzprogramm und der Atomausstieg gehören zu unseren großen Erfolgen. Mit dieser Vorreiterrolle konnten wir auch die ausgezeichnete Bilanz beim internationalen Klimaschutz in diesem Jahr hinbekommen. Ich selbst war sehr skeptisch, ob das Internationale Klimaprotokoll ein Erfolg werden würde. Aber wir haben international eine Führungsrolle im Klimaschutz übernommen, weil wir zeigen konnten, es geht: Man kommt raus aus der Atomenergie und kann gleichzeitig andere Alternativen aufbauen. Für uns sind Hocheffizienz und Atomausstieg kein Widerspruch, sondern ergänzen sich prächtig. Atomanlagen sind nicht effizient. Das sind eben keine Technologien, die wir entwickeln müssen, wenn wir der Herausforderung des Klimaschutzes - die Reduzierung von Kohlendioxid, bei gleichzeitiger Wahrung unseres Lebenstandards - meistern wollen. Es gab bisher kein Jahr, in dem umweltpolitisch so viele strategische Reformen umgesetzt worden sind wie 2001: Atomausstieg, Klimavereinbarung, die umfassende Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes. Eigentlich könnten Umweltverbände uns hier loben.
Was würden Sie gerne von ihnen hören?
Es wäre schön, wenn die Verbände unsere Arbeit sachlich würdigen. Schließlich haben wir wesentliche Kernpunkte von Vorhaben verwirklicht, die über zwanzig Jahre lang gefordert worden sind. Jetzt weiß auch jeder, um was es im nächsten Jahr bei der Wahl geht. Soll dieser eingeschlagene Kurs fortgesetzt werden? Oder will man diese Errungenschaften der Energiewende gefährden durch eine Politik, die kurzfristig billiger Energie den Vorrang vor effizienter und intelligenter Energiepolitik gibt. Wir haben all diese Maßnahmen durchgesetzt gegen wütenden Protest und wütende Widerstände von FDP und CDU. Und wenn die Ausgangsfragestellung für das Bundestagswahljahr lautet, wer regiert neben einem Bundeskanzler Schröder, dann weiß jeder nach diesem Jahr und nach diesen Resultaten, was da auch auf dem Spiel steht.
Was bleibt dem Umweltminister für das Jahr 2002 überhaupt noch zu tun?
Wenn es nicht immer neue Herausforderungen geben würde, wären wir Grünen nicht notwendig. Der Umweltminister müsste sagen, es bedarf keines Umweltministers mehr. Aber im Ernst: Wir stehen nun vor der Aufgabe, im nationalen wie im europäischen Bereich uns der Bekämpfung des Lärms zu widmen. In den klassischen Umweltmedien Luft und Wasser haben wir schon viele Emissionen eindämmen können. Aber der Lärm ist ein großes Problem, Ursachen sind unter anderem der Verkehr und die Zersiedelung der Landschaft.
Aber der Lärm ist nicht das Problem, das Ihnen am meisten Kopfzerbrechen bereitet?
Eine der größten Herausforderungen der Politik ist für mich die Globalisierung und die Notwendigkeit, einen sozialen und ökologischen Rahmen für sie zu entwickeln. Da kommt der Umweltpolitik eine Schlüsselstellung zu. Ich will das an einem Beispiel erläutern. Es gibt im Flugverkehr zwar keine Direktverbindung mehr von Deutschland nach Nairobi, weil Afrika ein abgehängter Kontinent ist. Aber nachts fliegen zwei Jumbo-Jets nach Frankfurt, die voll mit Blumen sind. Rheinische Gärtnereien züchten ihre Blumen in Nairobi und fliegen pro Nacht zwei Jumbo-Jets hier nach Deutschland. Warum? Sie kriegen dort die Ressource Wasser umsonst. Also züchte ich meine Blumen nicht mehr in der Vor-Eifel, sondern in der Nähe des Kilimandscharo und fliege sie zum deutschen Verbraucher. Das ist Teil der Globalisierung, der unterm Strich sicher nicht zum Nutzen der Menschen ist.
Was wollen Sie dagegen tun?
Jetzt verstehen Sie vielleicht, warum ich als Umweltminister gemeinsam mit der Entwicklungshilfeministerin der Auffassung bin, dass gerade in Afrika, wo die Menschen arm sind, Wasser einen Preis haben muss. Denn wenn es nichts kostet, kriegen die Menschen dort auch kein Wasser, aber diejenigen bedienen sich, die es im großen Stil verbrauchen und zwar so, dass der Wasserspiegel eines großen Sees innerhalb von zwei Jahren um zwei Meter absinkt wegen der Blumenfarmen drumrum. Auf die Globalisierung eine Antwort zu finden, ist neben der Lärmbekämpfung die große umweltpolitische Herausforderung.
Aber warum hören die Globalisierungskritiker im Moment lieber Oskar Lafontaine als Jürgen Trittin - zum Beispiel kürzlich auf einem Kongress?
Das hat vielleicht mit einer mentalen Reserviertheit der deutschen Linken zu tun, die sich mit dem Gedanken nicht anfreunden kann, Politik tatsächlich zu gestalten. Es gibt immer noch so eine Haltung, wonach das Regieren eigentlich das natürliche Vorrecht der politischen Rechten sei und man selbst lieber Opposition macht. Insofern entspricht ein an der Machtfrage gescheiterter Politiker der Linken wie Oskar Lafontaine der Stimmung eines solchen Kongresses. Dabei hat er - etwa bei der Vorbereitung der großen Steuerreform - nicht nur "linke" Politik gemacht, etwa durch die Erhöhung des Steuerfreibetrags und die Absenkung der Eingangssteuern, sondern auch Entlastungen für Unternehmen. Er kann nicht so tun, als hätte er nur das eine, nicht aber das andere vorbereitet. Ich habe dem zugestimmt, ich stehle mich nicht aus der Verantwortung. Aber ich glaube, dass sich das sehen lassen kann, was ich an internationaler Umweltpolitik gemacht habe, und auch das, was die Minister-Kollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul erreicht hat.
An was denken Sie dabei?
Es war die Bundesrepublik, die bei den G 8 einen Schuldenerlass in der Größenordnung von 23 Milliarden Dollar durchgesetzt hat. Wir haben neben Kyoto das internationale Abkommen über die biologische Sicherheit unterzeichnet, das die heimische biologische Vielfalt vor genetischen Übergriffen schützt. Es ist ein Schutzinstrument für Länder der Dritten Welt. Wir haben das Abkommen zum Verbot der zwölf giftigsten Chemikalien weltweit - wie etwa DDT - abgeschlossen. Wo es um die Gestaltung der Globalisierungsfolgen geht, ist die Politik dieser Bundesregierung viel besser als das, was manche Kritiker sehen.
Kümmert sich Ihre Partei denn genug um die Globalisierungskritiker? Was haben die Grünen falsch gemacht, wenn sie im Sommer die Kritik vom grünen Europa-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit so überraschen konnte?
Wenn es um Außenpolitik ging, waren die meisten Medien in den vergangenen zehn Jahren meist nur dann interessiert, wenn es irgendwo geknallt hat. Für die Debatten in der Grünen-Partei in den Jahren von 1994 bis heute, die sich mit Fragen von Strukturen der Weltwirtschaft und internationaler Umweltpolitik beschäftigt haben, hat sich kaum jemand interessiert. Inzwischen macht ein Begriff Karriere, für den unsereiner lange ausgelacht worden ist, nämlich die Tobin-Steuer. Ich sage: Gut, dass Ihr auch jetzt mal entdeckt, dass es so etwas überhaupt gibt. In der Substanz haben die Grünen in der internationalen Umweltpolitik, in der Entwicklungspolitik, also bei den Antworten auf Globalisierung, vieles nicht nur programmatisch vorgedacht. Die Regierung hat den Ankündigungen Taten folgen lassen. Es bleibt allerdings noch eine große Frage zu beantworten: In welchen Schritten wir das Ziel erreichen, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für Entwicklungsaufgaben auszugeben.
Sie ziehen eine sehr positive Bilanz für Ihr Ressort, Sie haben mit dem Atomausstieg einen Traum der Grünen erfüllt, Joschka Fischer hat in gewisser Weise einen Traum der Grünen vernichtet, nämlich den Glauben an Gewaltfreiheit. Wie kommt es, dass er so viel besser dasteht in der öffentlichen Wahrnehmung als Sie?
Er steht besser als andere da, und das freut alle Grünen. Bei der Bundestagswahl geht es um die politische Richtung, um die Frage, mit welcher Partei regiert Gerhard Schröder weiter: Geht die Regierung neoliberal nach rechts oder sozialökologisch nach vorne? Wir wollen, dass die Regierung Schröder / Fischer wieder gewählt wird, und deswegen ist auch die Herausstellung des Vizekanzlers und Außenministers im Wahlkampf genau das, was diese Wahlaussage auf den Punkt bringt.
Wünschen Sie sich von der Politik des Außenministers mehr von dem, was Sie als Grüne Konzepte beschrieben haben, nämlich soziale und ökologische Rahmenbedingungen für die Globalisierung zu erarbeiten?
Ich glaube, das machen wir in der Regierung schon ganz gut. Jeder weiß, dass die Probleme nur zu lösen sind, wenn sich alle Politikbereiche internationalisieren. Rein nationale Umweltpolitik wäre heute zum Scheitern verurteilt. Insofern reden wir über Arbeitsteilung, über unterschiedliche Rollenverständnisse. Das, was wir im Rahmen der Gestaltung von Globalisierung als internationale Umweltpolitik betreiben, würde das Auswärtige Amt in dieser Form gar nicht machen können. Die Kernbotschaft für die Übernahme des Außenministeriums durch Joschka Fischer war der Nachweis, dass Grüne ein so genanntes klassisches Ressort führen können. Damit sind die Grünen eine politisch ernst zu nehmende Kraft. Joschka Fischer ist heute global ein weit geachteter und beachteter Außenpolitiker, damit ist der Beweis erbracht.
Wie müssen sich die Grünen aufstellen, um bei der Bundestagswahl zu einem guten Ergebnis zu kommen?
Die Entscheidungsfrage ist nicht nur die nach einer Partei, sondern nach einer Richtung: Wollen die Wähler Schröder plus Neoliberale oder Schröder plus Grün? Deshalb müssen die Grünen die Leistungen deutlich machen, die es ohne sie nicht gegeben hätte. Das ist ja mehr als der Ausstieg aus der Atomenergie. Wir werden in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch und gerade im sozialdemokratischen Milieu die Frage stellen müssen, ob die Wähler dort Rot-Grün fortsetzen wollen.
Nach dem Motto: Wer Rot-Grün wählt, darf nicht Rot, sondern muss Grün wählen?
Wer Rot-Grün will, sollte Grüne wählen. Ja, so würde ich das zuspitzen.
Das Interview führten Hans Monath und Peter Siebenmorgen.

FAZ, 22.12.2001
Trittin setzt seinen Kandidaten durch
Lothar Hahn wird Geschäftsführer / Gegner der Kernenergienutzung
Dt. FRANKFURT, 21. Dezember. Der Diplomphysiker Lothar Hahn wird mit Jahresbeginn technisch-wissenschaftlicher Geschäftsführer der Kölner Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS). Der Aufsichtsrat der Gesellschaft bestellte Hahn am Donnerstag zum Nachfolger von Adolf Birkhofer, der an der Technischen Universität München den Lehrstuhl für Reaktordynamik und Reaktorsicherheit innehat und diese Tätigkeit seit 1977 mit der Leitung der GRS verband.
Hahn war von Bundesumweltminister Trittin bereits vor zwei Jahren zum Nachfolger Birkhofers an der Spitze der Reaktorsicherheitskommission (RSK) bestellt worden. Die RSK berät die Bundesregierung ehrenamtlich in Fragen nuklearer Sicherheit. Die GRS ist dagegen ein kommerzielles Beratungsunternehmen, das hauptsächlich im Auftrag verschiedener Bundesministerien Gutachten über und Prüfaufträge an kerntechnischen Anlagen anfertigt. Mit rund 320 angestellten Wissenschaftlern und Ingenieuren erzielt die Gesellschaft nach eigenen Angaben einen Jahresumsatz von etwa hundert Millionen Mark. Größter Anteilseigner ist mit 46,1 Prozent der Bund; weitere 46 Prozent halten elf Technische Überwachungsvereine und der Germanische Lloyd; mit jeweils 3,85 Prozent sind die Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern beteiligt.
Hahn war bereits unmittelbar nach dem Regierungswechsel von 1998 als Trittins Favorit für die Leitung der RSK und der GRS gehandelt worden. Trittins Versuch, die Schlüsselpositionen in den Beratungs- und Gutachterinstitutionen der Regierung im Handstreich mit Kritikern der Nutzung der Kernenergie zu besetzen, wurde jedoch von Bundeskanzler Schröder zunächst durchkreuzt, weil er die Verhandlungen mit der Industrie über den "Atomausstieg" störte. Der 57 Jahre alte Hahn, der sich beim Darmstädter Öko-Institut als Gegner der Atomindustrie profiliert hatte, gilt zwar auch bei den Kraftwerksbetreibern als umgänglicher und seriöser Gesprächspartner, bemängelt wird aber, daß seine wissenschaftliche Qualifikation nicht an die Birkhofers heranreichte.
Im Aufsichtsrat der Gesellschaft wurde daher eine Ausschreibung der Stelle erzwungen, aus der wiederum Hahn als geeignetster Bewerber hervorging, obwohl dem Vernehmen nach mehrere Hochschullehrer zur Wahl gestanden hatten. Noch am 5. Dezember kam im Aufsichtsrat für den auf Betreiben des Umweltministers zum einzigen Kandidaten nominierten Hahn nicht die erforderliche Dreiviertelmehrheit zustande. Unter Drohungen, der Gesellschaft könnten wertvolle Aufträge der Bundesregierung entzogen werden, gaben die widerstrebenden Gesellschafter - vor allem das Land Bayern und einige Technische Überwachungsvereine - auf einer weiteren Sitzung am Donnerstag schließlich ihren Widerstand auf. - Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.12.2001, Nr. 298 / Seite 6
Durchmarsch
Dt. Den Marsch durch die Institutionen haben die Grünen erfolgreich hinter sich gebracht. Seit sie ganz oben angekommen sind, haben sie sich auf den Durchmarsch in die Institutionen verlegt. Keiner war darin so erfolgreich wie Umweltminister Trittin. An der Spitze des Bundesamts für Strahlenschutz tauschte er einen international renommierten Strahlenphysiker gegen einen Diplomarchitekten aus, dessen wichtigste Qualifikation die unbedingte Loyalität gegenüber dem Minister war. Die Reaktorsicherheitskommission und die Strahlenschutzkommission mischte er mit Atomkraftgegnern auf, und nun zwang er auch noch der Gesellschaft für Reaktorsicherheit einen Geschäftsführer auf, der in der Anti-Atom-Bewegung als einer ihrer Pioniere zu Hause ist, in der Wissenschaft aber nur Zaungast. Das Vorgehen des Umweltministers gleicht dem Verhalten der Tschernobyl-Mannschaft, die einmal ausprobieren wollte, wie der Reaktor reagiert, wenn man die automatischen Sicherheitsmechanismen abschaltet. Das Ergebnis ist bekannt. Nur haben offenbar gerade jene nichts daraus gelernt, die in Deutschland am lautesten vor einem "neuen Tschernobyl" gewarnt haben. - Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.12.2001, Nr. 298 / Seite 10

FAZ Druckausgabe, 20.12.2001 (S. 8)
Durch Mehrheitsbeschlüsse nicht außer Kraft zu setzen
Der Verfasser der Glosse "Im Blindflug" (F.A.Z. vom 15. Dezember) liegt in einem Punkt falsch, in seiner Kernaussage hat er völlig recht. Unzutreffend ist der Hinweis, daß es sich bei den 19 deutschen Kernkraftwerken um mehr als 30 Jahre alte Baureihen handelt: Die sogenannten Konvoi-Anlagen ab Anfang der achtziger Jahre - letzte Inbetriebnahme: Isar 2 im Jahre 1998 - entsprechen moderner Technik auf hohem Sicherheitsniveau. Die älteren Kernkraftwerke sind mit hohem Aufwand nachgerüstet und damit modernisiert worden. So betrugen beispielsweise die Errichtungskosten des ältesten Kernkraftwerkes Obrigheim im Jahre 1968 278 Millionen DM; zwischen 1969 und 1999 wurden insgesamt 568 Millionen DM an Nachrüstungsinvestitionen eingesetzt. Wirtschaftsminister Werner Müller führt mit seinem Hinweis auf die hohen Subventionskosten für additive Energieträger - insbesondere Windkraft- und Solaranlagen - die Grünen an die wirtschafts- und energiepolitische Realität heran. Mit seinen konkreten, quantitativen Angaben entlarvt er das nicht quantifizierte "Patentrezepf" seines Kabinettskollegen Jürgen Trittin, Kernenergie und Kohle - insgesamt zur Zeit etwa 86 Prozent Anteil an der Stromerzeugung - durch Energieeinsparungen, Energieeffizienz und Ausbau erneuerbarer Energien zu ersetzen. Die zusätzlichen Arbeitsplätze bei Windkraft- und Solaranlagen sind keine sich selbst tragenden, sondern hochsubventionierte Arbeitsplätze, deren dauerhafte Rentabilität noch in den Sternen steht; man muß außerdem auch den mit dem Wegfall von Kernenergie und Kohlekapazitäten verbundenen Abbau von Arbeitsplätzen - bei der Kernenergie von rentablen Arbeitsplätzen - gegenrechnen. Die Fachleute betonen mit Recht immer wieder, daß bei einem Auslaufen der Kernenergie, die jährlich 160 Millionen Tonnen Kohlendioxyd vermeiden hilft, die Klimaschutzziele der Bundesregierung (Kohlendioxyd-Minderung um 50 Prozent bis 2030) nicht erreicht werden können, zumal die von den Gewerkschaften abgestützte "Modernisierungstruppe" des Kanzlers die Steinkohle (im Westen) und Braunkohle (im Osten) weiterhin verbrennen will - mit Subventionskosten von fast acht Milliarden DM jährlich. Der Anteil erneuerbarer Energien soll von rund sechs Prozent (davon sind vier Prozent Wasserkraft) auf 13 Prozent bis zum Jahre 2010 steigen; selbst wenn dies zuträfe, kann diese Steigerungsrate Kohle und Kernenergie auch nicht annähernd ersetzen. Aber selbst diese sehr optimistische Steigerung führt - durch den Bau von Wind- und Photovoltaikanlagen - zu einem enormen Flächenverbrauch, gegen den sich nicht nur die Grünen, Naturschützer, Wochenendhausbesitzer, Touristen und Reitervereine wenden. Wer auf die Wirklichkeit hinweist, ist noch lange kein Gegner von Energieeinsparung, Energieeffizienz und von erneuerbaren Energien. Naturgesetze können durch Mehrheitsbeschlüsse nicht außer Kraft gesetzt werden. Im übrigen ist es höchste Zeit, daß die Bundesregierung die Ziele ihrer Energiepolitik und deren Erreichbarkeit nachvollziehbar und quantifiziert nennt; das ist bis heute unterblieben. Das Konzept der Bundesregierung gleicht einem energiepolitischen Blindflug ohne Landebahn. - Professor Dr. Hellmut Wagner, Karlsruhe

Rheinpfalz, 03.12.2001
Im Blickpunkt: Alle Jahre wieder Ärger um Beleuchtung
Werbegemeinschaften greifen tief in die Tasche - Nicht alle Pfälzer Städte zahlen Zuschüsse
Leuchtende Sterne und glitzernde Lichterketten lassen Innenstädte in weihnachtlichem Glanz erstrahlen und sollen dazu animieren, beim Einkaufsbummel recht tief in die Tasche zu greifen. Dem bunten Schmuck ist es nicht anzusehen: Doch in vielen Pfälzer Städten sorgt die Weihnachtsbeleuchtung regelmäßig für Ärger, weil der Glimmer kaum noch finanziert werden kann. Eine RHEINPFALZ-Umfrage ergab, dass längst nicht mehr alle Städte den Glanz bezuschussen. In Kaiserslautern stand die Beleuchtung gar vor dem Aus, in Zweibrücken hilft jetzt eine Losaktion.
Meist sind es die Einzelhändler, die den Hauptteil der Kosten tragen. Werbegemeinschaften versuchen, möglichst viele ihrer Mitglieder dazu zu bewegen, ihren Obolus zur Weihnachtsbeleuchtung beizutragen. Die großen Filialisten halten sich dabei eher abseits. "60 Prozent der Einzelhändler haben in Frankenthal einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben", sagt Klaus Bolte von der "Frankenthaler C
ity". Von den Filialisten zahle jedoch nur einer für die im vergangenen Jahr neu angeschaffte Beleuchtung. Die anderen hätten mit der Begründung abgelehnt, dass nicht in jeder Stadt die Weihnachtsbeleuchtung mitfinanziert werden könne. Die 100.000 Mark Investitionskosten müssen die Mitglieder der Werbegemeinschaft trotzdem finanzieren. 25.000 Mark, die für Vorarbeiten gebraucht worden waren, steuert die Stadt bei. "Bei so hohen Summen sind 40 Mark pro laufender Meter Schaufensterfront nicht die Welt", meint Bolte.
Das sehen die Geschäftsleute in Kaiserslautern anders. Dort war vielen der auf 28 Mark gestiegene Beitrag pro Frontmeter zu teuer. 20.000 Mark muss die Werbegemeinschaft "Kaiser in Lautern" jährlich für Montage, Wartung und Lagerung der Weihnachtsbeleuchtung auf den Tisch blättern. Die Stadt bezahlt den Strom. Da sich immer weniger Läden an den Kosten beteiligten, stand die Innenstadt-Beleuchtung auf der Kippe. Erst als der Einzelhandelsverband damit gedroht hatte, Glühbirnen vor Geschäften, die sich nicht beteiligen wollten, herauszuschrauben, fand der Streit ein Ende. 18 weitere Läden waren nun zur Zusammenarbeit bereit. Nach Angaben der Werbegemeinschaft ist es allerdings immer noch nicht möglich, eine flächendeckende Beleuchtung zu installieren.
Auch in Landau finanziert der Werbekreis unter Federführung der Einzelhändler die Weihnachtsbeleuchtung. Dazu gehört auch die Wartung. "Die Stadt übernimmt die Stromkosten", so Beigeordneter Hans-Joachim Kreisel. Die Werbegemeinschaft verschicke jährlich Bettelbriefe an ihre Mitglieder, um die doch schon sehr betagten Lichterketten ("Sie passen zum Jugendstil") den Bürgern erhalten zu können.
Die Stadt Zweibrücken trägt so gut wie nichts zur Weihnachtsbeleuchtung bei, unterstützt aber den Plan der Werbegemeinschaft, 2002 Geld in neue Elemente zu investieren. "Man müsste jedes Jahr 5000 Mark zurücklegen, um Teile ersetzen oder erneuern zu können", sagt Annette Hübschen vom Stadtmarketing. Obwohl alle Geschäfte für die Beleuchtung seien, sitze das Geld dafür nicht locker. Dazu sei die Konjunktur zu schlecht. 30.000 Mark braucht die Werbegemeinschaft für ihren Lichterschmuck. Mit Hilfe einer Rubbellosaktion wird in diesem Jahr versucht, die Kasse aufzufüllen.
Seit ein paar Jahren wird in Neustadt mit einer neuen Weihnachtsbeleuchtung geliebäugelt, aber bislang fehlt das Geld dafür. Rund 25.000 Mark erhalten nach Angaben der Stadt die drei Elektrobetriebe, die die Lichterketten aufhängen und warten. Die "Willkomm Gemeinschaft" erwirtschaftet bei ihrer Sammelaktion einen Betrag zwischen 5000 und 8000 Mark. "Den Rest bezahlen wir", so Andreas Günther von der Stadtverwaltung. Zu beneiden sei die Stadt Trier, wo die "tolle Beleuchtung" komplett vom Gewerbe getragen werde.
Zu teuer ist die Weihnachtsbeleuchtung in Pirmasens, wo sie nach Auskunft der Stadt von 38 auf 33 Lichterketten reduziert wurde. "Wir haben die gleichen Probleme wie die Zweibrücker", sagt Dunja Maurer. "Viele Geschäfte wollen bei den Sammelaktionen nicht mehr mitmachen." Der Einzelhandel tue sich schwer, die Kosten allein zu tragen: "Die Stadtverwaltung kann als Gegenleistung nur die organisatorischen Arbeiten wie die Auftragsvergabe übernehmen."
In Ludwigshafen erhält der Marketingverein einen städtischen Zuschuss in Höhe von 280.000 Mark, der für die Weihnachtsbeleuchtung und andere Aktivitäten gedacht ist. Er soll im nächsten Jahr um 80.000 Mark gekürzt werden, so Ulrich Gaißmayer. Die Innenstadtbeleuchtung, die von einer Essener Firma montiert und gewartet werde, koste 120.000 Mark. "Auch bei uns ist es schwierig, die Beiträge von den Mitgliedern einzusammeln. Dafür wird aber die Arbeit mit Sponsoren besser."
Eine neue Weihnachtsbeleuchtung gibt es in Bad Dürkheim seit letztem Jahr. Beide Licht-Sätze haben je 17.000 Mark gekostet. "Die Beträge haben sich Stadt und Werbegemeinschaft geteilt", sagt Manfred Handrich vom Ordnungsamt. Die Stromrechnung in Höhe von knapp 6000 Mark - darin enthalten auch das Geld für die Christbaumbeleuchtung - zahle die Stadt.
Stadt, Leistungsgemeinschaft und Stadtwerke finanzieren in Speyer die Weihnachtsbeleuchtung gemeinsam. Den Strom übernehmen die Stadtwerke, während die Stadt für Montage und Unterhalt der Lichterketten verantwortlich ist. Ein neues Element kostet laut Verwaltung 8000 Mark. Beim letzten Mal haben sich Stadt und Leistungsgemeinschaft diesen Betrag geteilt. Für eine schöne Bescherung reicht dies nicht aus: "Es müsste aber noch einiges mehr erneuert werden", heißt es in der Domstadt. - Von unserer Redakteurin: Petra Depper RON - RHEINPFALZ ONLINE, Montag, 3. Dez , 03:45 Uhr

Allgemeine Zeitung, 07.12.2001
Unterlagen „nicht seriös“
VG-Rat lehnt einen Windpark bei Niedermoschel ab / Initiative gebildet
Vom 07.12.2001
bev. BAD MÜNSTER AM STEIN-EBERNBURG – „Offensichtlich ist die planende Firma unseriös“, stufte der Verbandsgemeinderat die PROKON Energiesystem GmbH (Hambach) verärgert ein, die in der Gemarkung Niedermoschel auf den Erhebungen „Roter Kopf“ und „Ruth“ einen Windpark mit acht Anlagen einer Nabenhöhe von 80 Metern anlegen möchte. In seiner Stellungnahme zu dem Projekt lehnte der Rat das Ansinnen ab.
Als Anrainer wird die Verbandsgemeinde am Raumordnungsverfahren beteiligt. Ein solches Verfahren ist laut Landesplanungsgesetz notwendig, da es sich nicht um eine Einzelmaßnahme, sondern um ein Projekt mit „Raumbedeutsamkeit“ handelt.
Das Misstrauen gegenüber der Gesellschaft gründete auf den „Tricks“, mit denen in den Unterlagen gearbeitet wurde. Und das wären die Simulationsbilder mit den Rädern von Hallgartener Blickpunkten aus, die in ihrer Darstellung nicht den Tatsachen entsprechen würden, wie VG-Beigeordneter und Ortsbürgermeister Ernst Peter Bayer mit Hilfe eines Fachmanns und eines Computerausdrucks darlegte. Diese Bilder werden der Stellungnahme als Gegenposition ebenso beigefügt wie die Feststellung, dass ein neutrales Lärmschutzgutachten fehlt.
Die Bürger Hallgartens waren vom Geräuschpegel der drei Windkraftanlagen, die seit Frühjahr dieses Jahres in der Feilbingerter Gemarkung thronen, doch sehr unangenehm überrascht und „fühlen sich von den Schallgeräuschen belästigt“, wusste Bayer. Und das, obwohl die Feilbingerter Räder eine Masthöhe von nur 65 Metern haben. Bei noch größerer Dimensionierung wäre das Schlaggeräusch noch ausgeprägt höher.
Wie bereits in der ablehnenden Haltung im Rat Hallgarten begründete auch der VG-Rat in seiner Stellungnahme sein „Nein“, dass ein Windpark den Zielvorgaben der Regionalen Raumordnungspläne Rheinhessen-Nahe und Westpfalz, die die Nordpfalzgemeinde als einen Ort „mit besonderer Funktion Erholung“ ausweisen, widerspreche. Außerdem wäre der geplante „Park“ nur 180 Meter von den naturnahen Laubwaldstrukturen entfernt, und eine Prognose über die Auswirkung auf den bekannten Kiebitzrastplatz wird ebenfalls nicht gegeben. Unter anderem wird neben dem Eingriff in die Fauna generell der massive Eingriff in das Landschaftsbild kritisiert sowie die Wertminderung von Bauplätzen bis zu 50 Prozent.
Wie Bayer erfahren hat, sollen sich auch die Verbandsgemeinde Obermoschel und der Donnersbergkreis negativ zu den Windpark-Plänen ausgesprochen haben, die Gemeinde Niedermoschel hingegen nicht.
Am Rande der Sitzung war zu erfahren, dass sich eine Initiative um Thomas Kehl (Hallgarten) gegen das Projekt gebildet hat. Auch die FDP-Ratsfrau und Landtagsabgeordnete Nicole Morsblech war der Ansicht, dass es in Rheinland-Pfalz mittlerweile genügend Windkraftanlagen gebe: „Wir sind an der Grenze.“ Udo Blätz (CDU) meinte: „Das Maß ist voll.“ Laut Kenntnis von Ralf Rauschenplat gibt es landesweit 454 Windenergieanlagen, die einen Anteil von 0,6 Prozent am Stromverbrauch abdecken.
Weder Diskussionsbedarf noch Bedenken hatte der VG-Rat zur vorgelegten städtebaulichen Rahmenplanung mit Blick auf die Konversionsmaßnahmen in der Schwesterstadt Bad Kreuznach (Rose Barracks, Family Housing, Hospital).

Allgemeine Zeitung, 07.12.2001
Entwicklung vor dem Ende?
Doss zu Windkraft: Geringe Effizienz, ökologische Bedeutungslosigkeit
Vom 07.12.2001
RHEINHESSEN (red.) – Die auch in Rheinhessen während der vergangenen drei Jahre rasante Entwicklung beim Aufbau von Windkraftanlagen steht nach Einschätzung des CDU-Bundestagsabgeordneten Hansjürgen Doss vor einem abrupten Ende.
Grund dafür sei es weniger, die Einsicht in die geringe Effizienz der Anlagen und ihre ökologische Bedeutungslosigkeit als vielmehr die sinkende Gewinnerwartung für Kapitalanleger. Doss: „Der euphorische Run auf Windparkfonds erinnert an die Situation am Neuen Markt vor anderthalb Jahren. Die Prognosen der Anlageberater lassen auf einen ähnlich dramatischen Absturz deuten.“ Grund seien die veränderten Rahmenbedingungen bei den Genehmigungsverfahren, die vielfach nicht mehr von der lokalen Bauaufsichtsbehörde durchzuführen seien. Der Weg über Landesbehörden und das Erforderlichwerden einer Umweltverträglichkeitsprüfung führten zu zeitlichen Verzögerungen.
Deshalb, so Doss, kommen die meisten Windparkfonds in diesem Jahr nicht mehr als Beteiligungsmodell auf den Markt. Damit könne die steuermindernd einsetzbare Verlustzuweisung erst im Folgejahr geltend gemacht werden. Da sich auch die gesetzlich garantierte Einspeisevergütung verringere, müssten Anleger mit geringeren Erträgen rechnen. Als Steuersparmodell eigne sich die Geldanlage Windkraft nur im ersten Jahr. Wenn in den Folgejahren positive Ergebnisse erzielt würden, müssten die vom Beteiligungsinhaber voll versteuert werden. Doss zitiert das renommierte Beratermagazin Porat-Infothek: „Nicht selten sind die positiven Ergebnisse bei einzelnen Fonds so hoch, dass der Anleger im wahrsten Sinne noch Geld mitbringen muss, um seine Steuern, die aus dieser Beteiligung resultieren, zu bezahlen.“
Die Beteiligung an Windkraftanlagen sei demnach nur für Anleger mit sehr hohem Einkommen interessant, die kurz vor dem Rentenalter stehen und von den dann erheblich niedrigeren Steuersätzen profitieren. Mit dem deutlichen Tritt auf die Euphoriebremse unter den Kapitalanlegern erwartet Doss eine deutliche Abschwächung des Booms im Geschäft mit der Windkraft und auch einen rapiden Rückgang der Zahl neuer Windkraftanlagen.

taz, 01.12.01
Windräder gegen CO2-Bilanz
Umweltminister wollen mit Off-Shore-Windkraftanlagen ihre Energie-Bilanz verbessern
Zwei Mal im Jahr treffen sich die Umweltminister des Bundes und der Länder zum Meinungsaustausch, in den letzten beiden Tagen hatte Bremen die Ehre. Auf der abschließenden Pressekonferenz versicherte Bremens Umweltsenatorin Christine Wischer (SPD), die Länder-Kollegen hätten dem Bundesminister Jürgen Trittin (Grüne) "den Rücken gestärkt".
Der hatte das offenbar nötig: In Berlin hatte Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) pünktlich zur Ministerkonferenz ein Gutachten vorgestellt, nach dem die von der rotgrünen Koalition geplante Verringerung des Ausstoßes von Kohlendioxid (CO2) um 40 Prozent bis 2020 kaum finanzierbar sein und auch negative Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung haben werde. "Das basiert auf veralteten Gutachten und ist von der Realität längst überholt", kofferte Trittin gestern in Bremen gegen seinen Kabinettskollegen. Trittins Begründung: Deutschland habe jetzt schon seinen CO2-Ausstoß um 18,7 Prozent verringert gegenüber 1990. Das sei "mehr als doppelt so viel wie die übrigen EU-Länder". Der Zerfall der DDR-Industrie war eben ein Glücksfall für die gesamtdeutsche CO2-Statistik.
Auch Wischer hatte den Berliner Wirtschaftsminister wegen seines Gutachtens kritisiert. Dabei hat sie aber unerwähnt gelassen, dass in Bremen der CO2-Ausstoß seit 1990 gestiegen ist. Trotz des "Landesenergieprogramms" 1994, das eine Reduzierung um 30 Prozent als Ziel bis 2005 formulierte, trotz des Bekenntnisses aus dem Regierungsprogramm der Großen Koalition. Insbesondere wenn das Stahlwerk gute Aufträge hat, verschlechtert sich Bremens CO2-Bilanz. Kleinere Verbesserungen in den anderen Bereichen kommen dagegen kaum an.
Seitdem die Stadtgemeinde keine Anteile mehr an dem Stromversorger swb besitzt, hat die Umweltsenatorin auch keinerlei Einfluss mehr auf den Treibhauseffekt -Sünder II in der Stadt - die Kohlekraftwerke. Man müsse
"über das Jahr 2005 hinaus" denken, erklärte die Senatorin in der Bürgerschaft, "als neuer Zielhorizont kommt die Periode bis 2015 in Betracht", und bis dahin würde ja auch "die Erneuerung des Kraftwerkparks der swb-AG" stattfinden - "auch ein wesentlicher Faktor". Die swb will Kohle-Kraftwerke stilllegen und mehr Atomstrom einkaufen.
Im Öffentlichen Bereich unternimmt Bremen bei den Gebäuden große Anstrengungen, solange das wenig kostet. Allein an den Schulen werden 1,5 Millionen Mark pro Jahr an Energiekosten gespart - die Heizungen verfügten früher nicht einmal über Thermostat-Ventile, der Wärmehaushalt in den Klassen wurde über das Fenster geregelt.
Besonders schlimm ist Bremens Energie-Bewusstsein an der repräsentativen Spitze: Das Rathaus verbraucht 250.000 Kilowattstunden im Jahr. Anfang des Jahres stellten Experten fest, dass nicht einmal zehn Jahre alte Kühlschränke durch moderne Geräte ersetzt waren. Aber die radikale Energiespar-Variante lehnte das Rathaus ab, Begründung: zu teuer.
Wenn es um die CO2-Bilanz geht, reden Umweltminister also lieber von Windkraft-Anlagen, als von der Industriepolitik, für die der Wirtschaftsminister verantwortlich ist. "Wir brauchen möglichst bald auch grünes Licht für Off-Shore-Anlagen auf hoher See", erklärte Wischer nach der Konferenz der Umweltminister. Den Bedenken von Umweltschützern müsse durch eine "ökologische Begleitforschung" Rechnung getragen werden. Mehr aber nicht, denn: "Ohne Off-Shore-Anlagen ist ein Ausbau der Windenergie aber kaum möglich." Trittin erklärte, bis 2010 sollte rund 12,5 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, davon knapp die Hälfte aus Windkraftanlagen. Das komme auch der Industrie in Norddeutschland zugute. - taz Bremen Nr. 6615 vom 1.12.2001, Seite 25, 54 Zeilen (TAZ-Bericht), Klaus Wolschner

Die Rheinpfalz, 01.12.01
Verärgerung über Windkraftfirma
ERDESBACH: Gemeinderat über Planungen spät informiert
Mit einem neuen Windkraftprojekt beschäftigte sich der Erdesbacher Gemeinderat auf seiner jüngsten Sitzung. Die Trierer Neue Energie Technik GmbH (NET) hatte Bauanträge zur Errichtung von zwei Windkraftanlagen auf dem "Bisters Berg" erst jüngst gestellt (wir berichteten).
Ortsbürgermeister Helmut Drumm beschwerte sich bei dem anwesenden Vertreter des Unternehmens, Marc Wiemann, darüber, dass die Ortsgemeinde nicht bereits im Vorfeld in die Planungen mit eingebunden worden sei. Auch die Ratsmitglieder äußerten ihr Befremden. Nach einer Entschuldigung und einer kurzen Erklärung des Vorhabens durch Wiemann, einigten sich die Räte darauf, dass das Unternehmen in der nächsten Gemeinderatssitzung nähere Erläuterungen vorbringen solle.
Die Ratsmitglieder beschlossen den Forstwirtschaftsplan für das Wirtschaftsjahr 2002, den Revierförster Klaus Hub vorgestellt hatte. Der Plan sieht einen Fehlbedarf von 4000 Euro vor. Man kam überein, mit dem Forstamt einen Vertrag über die Erstattung der Personalausgaben für den Revierdienst im Gemeindewald abzuschließen. Die Gebühren sollen auf 40 Mark pro Hektar festgesetzt werden.
Auch entschied der Gemeinderat, dem Land Rheinland-Pfalz den Holzverkauf aus ihrem Wald zu übertragen. Hintergrund beider Entscheidungen ist das neue Landeswaldgesetz, das im kommenden Jahr gültig wird.
Der Ortsgemeinderat beschloss einstimmig, sich der Empfehlung der Verwaltung anzuschließen und den als rechtsfehlerhaft gekennzeichneten Bebauungsplan "Rammelsbusch" nicht mehr zu beachten.
Hintergrund hierfür ist eine neue Rechtssprechung, mit der man festgestellt hat, dass Bebauungspläne, die nicht ordnungsgemäß ausgefertigt wurden, nichtig sind. Dies hatte die Verbandsgemeindeverwaltung zum Anlass genommen, alle Bebauungspläne der Ortsgemeinde Erdesbach gemeinsam mit der Kreisverwaltung Kusel auf ihre Rechtsgültigkeit hin zu überprüfen. (say) RON - RHEINPFALZ ONLINE, Samstag, 1. Dez , 03:45 Uhr

Wormser Zeitung, 30.11.2001
Gerüchte sorgen für Wirbel
Ortsbeirat Herrnsheim: Bleibt es wirklich bei den drei Windrädern?
Von unserem Redaktionsmitglied Johannes Götzen
HERRNSHEIM - Wird es wirklich bei diesen drei Windrädern auf der Herrnsheimer Höhe bleiben? Eine Frage, die die Herrnsheimer offensichtlich weiter bewegt. In der jüngsten Sitzung des Ortsbeirates am Mittwochabend jedenfalls war deutlicher Unmut über den Betreiber der Anlage an der Autobahn zu hören. Regelrecht „geschockt“ sei er von der Größe der Windräder, erklärte Bernd Wengrzik, Sprecher der SPD-Fraktion. Er betonte, dass er nach wie vor für die Nutzung der Windkraft sei, dass die Windräder aber so groß würden, dass „man sie schon von Mainz aus sieht“, das habe er nicht vermutet, als es damals um die Standortsuche ging. Silvia Gutjahr, Sprecherin der CDU, hieb in die gleiche Kerbe: „Der Betreiber nutzt das maximal Mögliche aus.“ Die Windräder sind inklusive Rotor 123 Meter hoch.
In den vergangenen Tagen tauchte immer mal wieder das Gerücht auf, es sei dort oben ein weiteres Windrad geplant oder gar bereits genehmigt. Doch im Bauordnungsamt, das einen Antrag auf Baugenehmigung kennen würde und bearbeiten müsste, weiß man davon nichts. Amtsleiter Bernhard Molter erklärte gegenüber der WZ: „Uns liegt nichts vor.“ Gleichwohl scheint es zumindest Interessenten zu geben. Ortsvorsteher Hans Kissel wusste jedenfalls zu berichten, dass vor kurzem eine Stuttgarter Firma bei ihm anrief, weil sie gerne weitere Windräder errichten wollte. Kissel lehnte das Angebot ab.
Wie bereits gestern berichtet, dürfen nach heutiger Beschlusslage keine weiteren Windräder auf der vom Stadtrat beschlossenen Sonderfläche entstehen. Sowohl die Fläche als auch die Stückzahl sind begrenzt: Auf drei Windräder, und die stehen bereits dort oben. Gleichwohl beschloss der Ortsbeirat am Mittwoch einstimmig eine gemeinsame Anfrage an die Stadtverwaltung. Sie soll den Herrnsheimern sagen, ob an den Gerüchten für weitere Windräder etwas dran ist.
600 Mark hat der Vorort beim Stadtteilwettbewerb gewonnen. Dieses Geld soll der Jugendarbeit zugute kommen, wurde einhellig beschlossen. Es soll der Ausrichtung des für August geplanten Sport- und Spielfestes dienen (siehe dazu auch unten stehenden Artikel).Kommentar

Hinterher ist zu spät - Von Johannes Götzen
Wo Rauch ist, da ist auch Feuer, sagt der Volksmund aus Erfahrung. Das vermutet auch der Herrnsheimer Ortsbeirat, weshalb er deutlich seinen Unmut über die riesigen Windräder äußert und klar macht, dass er keine weiteren will. Das ist gut so, denn theoretisch könnte der Stadtrat seinen Beschluss, wonach nur drei Anlagen dort stehen dürfen, auch wieder ändern und weitere Windräder genehmigen. Da ist es sinnvoll, dem übergeordneten politischen Gremium rechtzeitig die Meinung zu sagen. Einen Vorwurf muss sich der Ortsbeirat und hier insbesondere die SPD allerdings gefallen lassen: Sie hätten sich besser informieren müssen - und zwar vorher. Zeit, sich in der rheinhessischen Nachbarschaft umzusehen, war ausreichend vorhanden. Man hätte sie nutzen sollen.

Wormser Zeitung, 29.11.2001
Es bleibt bei drei Windrädern
Von unserem Redaktionsmitglied Johannes Götzen
Es wird keine weiteren Windräder auf Wormser Gemarkung geben. Grund dafür ist ein Ratsbeschluss aus dem Jahr 1999. Seinerzeit wurde zum einen beschlossen, dass nur im Bereich der Raststätte Wonnegau, wo dieser Tage die drei Windräder gebaut worden sind, solche Windkraftanlagen entstehen dürfen. Zugleich wurde festgelegt, dass es maximal drei Stück sein dürfen, hieß es gestern im Bauamt auf Nachfrage der WZ.
In der jüngsten Sitzung des Umweltausschusses waren die Windräder auf Herrnsheimer Gemarkung Thema. Jürgen Müsel (CDU) aus Herrnsheim nannte sie „mit das Hässlichste, was geschehen konnte.“ Er forderte, dass keine weiteren Windräder entstehen dürften. Genau dies verhindert besagter Stadtratsbeschluss, den Bürgermeister Georg Büttler (SPD), Vorsitzender des Umweltausschusses, als vorausschauend lobte. Seinerzeit hatte die CDU beantragt, im Flächennutzungsplan ein Sondergebiet für Windräder auszuweisen, damit nicht an sensiblen Stellen solche hohen Anlagen entstehen. Außerdem verhindert er die Entstehung eines regelrechten „Windparks“, wie er etwa in Flomborn in den vergangenen Jahren gewachsen ist.
Während Jürgen Müsel die Windräder als „Abschreibungsobjekte für einige Leute“ bezeichnete, sprach Ludger Sauerborn (Grüne) von einer „Polemik gegen Windkraft“. Er nannte die Windräder energetisch sinnvoll.

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