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10.10. - 27.11.01
Allgemeine Zeitung, 27.11.2001
Starke Schlaggeräusche
Daher stimmt Hallgartener Rat gegen den Windpark Niedermoschel
bev. HALLGARTEN – Der Rat der Nordpfalzgemeinde sprach sich in seiner Stellungnahme gegen einen Windpark in der benachbarten Gemarkung Niedermoschel (Verbandsgemeinde Alsenz-Obermoschel) aus, wobei er sich auch der Argumente bediente, die die Feilbingerter Bürgerinitiative „Gegenwind“ gegen die drei Windkraftanlagen am Rande der Lemberggemeinde vorgebracht hatte (AZ berichtete). Auch Ausführungen der Bonner Anwaltskanzlei „Enders & Collegen“, die eine der gegnerischen Parteien Feilbingerts vor Gericht vertreten hat, lagen zur Unterstützung vor. Die Gemeinde Hallgarten wird „zur Wahrung ihrer Rechte entsprechende Maßnahmen ergreifen“, wird in Aussicht gestellt.
Der Errichtung der Windräder in der Feilbingerter Gemarkung „Auf der Heide hatte der Rat Hallgarten damals noch befürwortet. Drei Zehntel eines der Grundstücke zählt zum Hallgartener Terrain. Daher musste der Rat gefragt werden. Wie aber die Realität gezeigt hat, verursachen die Windkrafträder Feilbingerts „starke Schlaggeräusche“, heißt es in der ablehnenden Begründung. Eine solche Lärmbelästigung sei von den Rädern in der Gemarkung Niedermoschel ebenfalls zu erwarten.
Als weitere Punkte gegen einen Windpark in Niedermoschel ist in der Stellungnahme notiert, dass der geplante Standort negativen Einfluss auf die Landschaft habe und das typische Ortsbild, schon verändert durch die sichtbare Anlage auf Feilbingerts Höhen, noch mehr umgestaltet oder der Erholungswert stark beeinträchtigt werde. Hinzu kommt, dass Hallgarten in dieser Sitzung wegen der heilklimatisch sehr guten Werte einen Antrag auf Anerkennung als Luftkurort beschlossen hat. Nicht nur die Entwicklung als Fremdenverkehrsort sei in hohem Maße gefährdet, auch die wirtschaftliche. Eine Wertminderung befürchtet die Gemeinde außerdem beim Verkauf von Bauplätzen.

Wiesbadener Tagblatt, 20.11.2001
Die Kraniche halten ihre „Flugpläne“ genau ein
Starker Herbstzug der Vögel in Wiesbaden und im Rheingau-Taunus

KREIS / WIESBADEN „ Der diesjährige Herbstzug der Kraniche über Wiesbaden war der größte seit Beginn der systematischen Erfassung im Jahr 1998, so der Wiesbadener Vogelkundler Hans-Ulrich Hill in seiner aktuellen Bilanz. Weitere bemerkenswerte Trends: Ein verstärkter Kranichzug wurde in diesem Jahr auch nördlich von Wiesbaden rund um Aarbergen, Taunusstein und Bad Schwalbach beobachtet.
Bis zum 17. November wurden über Wiesbaden und dem Rheingau-Taunus–Kreis sowie Teil des Main-Taunus-Kreises 25 700 Kraniche beobachtet. Nicht berücksichtigt sind dabei einige nächtlichen Züge, mit denen wohl noch einige Tausend Kraniche hinzugezählt werden dürften. Über dem Stadtgebiet von Wiesbaden einschließlich Taunusstein wurden allein 13 700 Kraniche in 111 Formationen gezählt. Damit war der diesjährige Herbstzug der Kraniche über Wiesbaden der größte seit Beginn der systematischen Erfassung im Jahr 1998. Ein verstärkter Kranichzug wurde auch über dem westlichen Taunus, beobachtet.
Vier Zugrouten
Einige Beobachter vermuten einen Zusammenhang mit den seit Sommer 2001 geltenden neuen Flugrouten für die vom Flughafen Frankfurt startenden Flugzeuge. Vielleicht, so Heil, verdrängen nach Norden abdrehenden Flugzeuge den Kranichzug in westliche Richtung. Die Kraniche meideten offensichtlich den direkten Überflug der Wiesbadener Innenstadt. Mehrere Beobachter meldeten, dass die von Naurod über Sonnenberg ziehenden Schwärme etwa bei der Siedlung Eigenheim und über dem BKA in westliche Richtung abbiegen und am Taunuskamm entlang über Klarenthal, Dotzheim weiter nach Westen in den Rheingau fliegen.
Die etwas weiter östlich bei Auringen, Hessloch und Igstadt ankommenden Kranichzüge fliegen über Bierstadt und Erbenheim an den Rhein, biegen dort nach Westen ab und ziehen über Biebrich und Schierstein am Rhein entlang.
Dabei kreisen sie ebenfalls häufig auf der Stelle, bevor sie abbiegen. Wenn man noch eine weitere im Westen von Taunusstein über die Hohe Wurzel in den Rheingau verlaufende Route berücksichtige, komme man auf insgesamt vier Zugrouten der Kraniche rund um Wiesbaden.
Diese Annahme werde gestützt durch die Aussagen vieler Beobachter, dass die Kranichzüge in den letzten Jahren weitgehend ortskonstant verlaufen seien. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierten sich die Kraniche bekanntlich auch an auffälligen Landschaftsmerkmalen, wie die Rheinbiegung bei Biebrich, das Autobahnkreuz Wiesbaden und der Taunuskamm mit der Hohen Wurzel.
Zu dieser so genannten Ortskonstanz des Kranichzugs komme auch eine klare zeitliche Regelmäßigkeit: im November begann der Kranichzug nahezu täglich gegen 15.15 Uhr und dauerte etwa bis 17 Uhr, so die Experten.
Windkraftanlagen stören
Einige Beobachter sprachen daher vom „Flugplan“ des Kranichzugs, der genauer eingehalten würde als der Fahrplan der Bahn. Beobachter in den östlich von Wiesbaden gelegenen Gemeinden wiesen auch dieses Jahr wieder auf Störungen durch Flugverkehr hin. Der in diesem Jahr besonders starke Kranichzug über Breckenheim und Delkenheim kreuzte die vom Frankfurter Flughafen verlaufenden Startrouten der Flugzeuge in einer geschätzten Höhe von etwa 1000 Metern. Andererseits sei mehrfach festgestellt worden, dass zu Zeiten des intensiven Kranichzugs der Verkehr der startenden Flugzeuge stark nachließ, was auf erfolgreiche Schutzmaßnahmen der Flugsicherung schließen lasse.
Nach Angaben eines weiteren Beobachters stellen auch die bei Heidenrod-Kemel und Hühnstetten errichteten Windkraftanlagen ein starkes Hindernis für den Kranichzug dar. Mehrfach sei in den letzten Jahren eine Auflösung von Kranichformationen direkt vor den Windmühlen-Masten beobachtet. Es dauerte bis zu einer Stunde, bis sie eine neue Zugformation gebildet hätten.

Allgemeine Zeitung, 29.10.01
Kampf gegen Flügel vorbei
Eimsheimer Windkraftgegner müssen sich auf Bau der Anlage einstellen
Vom 29.10.2001
Von Thomas Ehlke
EIMSHEIM – Die Genehmigung zur Errichtung von fünf Windkraftanlagen in der Gemarkung durch die Kreisverwaltung Mainz-Bingen steht unmittelbar bevor. Wie Behördensprecherin Stefanie Mittenzwei auf AZ-Nachfrage mitteilte, sei die baurechtliche Prüfung abgeschlossen. Die habe ergeben, dass gegen den Bau von Windrädern an den vorgesehenen Standorten nichts einzuwenden sei. Die Untere Landespflege habe bereits im Juli eine positive Stellungnahme abgegeben.
Die von Klaus-Peter Wilhelm und Peter Weißmüller geführte Bürgerinitiative, die mit 128 Unterstützungsunterschriften im Rücken gegen das Windkraft-Projekt kämpft, hatte ihre Hoffnung auf eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gesetzt. „Denn das, was hier geplant ist, ist schon eine einschneidende und schwer wiegende Sache“, verweist Weißmüller auf ein ganzes Bündel von Beeinträchtigungen, das von den Windrädern ausgehe. Doch die von der Europäischen Union bereits 1997 verabschiedete UVP-Änderungsrichtlinie kam nach Worten von Stefanie Mittenzwei bei dem Eimsheimer Projekt deshalb nicht zum Tragen, weil die Bundesregierung diese Richtlinie erst mit dem so genannten „Artikelgesetz“ 2001 in nationales Recht umgewandelt habe. Das von der Betreiberfirma GAIA angestrengte Genehmigungsverfahren lief zu diesem Zeitpunkt bereits und war somit nach altem Recht zu handhaben. Statt einer Prüfung nach dem Immissionsschutzgesetz wurde somit ein baurechtliches Verfahren eingeleitet. Dennoch wendet sich die BI weiter gegen die „sinnlose Verunstaltung der Landschaft durch ökologisch und ökonomisch nutzlose Windenergieanlagen“. Mit Schrecken denkt Peter Weißmüller an den Tag, an dem der Staat seine Förderungen für die Windkraftprojekte einstellt. Dann werde der Windkraft-Spuk mit einem Schlag vorbei sein, weil sich die Anlagen dann für den Betreiber nicht mehr rechneten. Bis dahin füllten die sich jedoch die Taschen auf Kosten der Steuerzahler. „Und wer kommt dann für den Rückbau auf?“, fragt sich Klaus-Peter Wilhelm. Aus Westfalen sei bekannt, dass für die Entsorgung eines einzigen Windrades 700000 Mark veranschlagt werden müssen. Zudem befürchtet die BI auch gesundheitliche Beeinträchtigungen durch den so genannten Infraschall. Damit nicht genug: Mit den Windrädern schwinde auch der Wert ihrer Häuser. „Am meisten ärgert mich, dass man über unsere Köpfe hinweg entschieden und uns nicht rechtzeitig darüber informiert hat, was auf uns zukommt", kommentiert Weißmüller zornig die Informationspolitik von Bürgermeister Baumann. Grundsätzlich, so Wilhelm, habe man nichts gegen alternative Energien. „An der norddeutschen Küste, wo ordentlich Wind weht, mag solch ein Windrad auch effektiv sein, aber doch nicht in Rheinhessen, einer der windärmsten Gegenden Deutschlands.“ Peter Weißmüller ergänzt: „Wenn dadurch auch nur ein Atomkraftwerk abgeschaltet werden könnte, dann würden wir nichts sagen, aber so ...“

FAZ (Druckausgabe) 23.10.2001, S. 25 (Unternehmen)
Naturenergie AG kritisiert Förderpolitik
Wasserkraft angeblich politisch vernachlässigt / Verlust im Halbjahr
Naturenergie AG, Grenzach-WyhIen. Unter den Arten Energie zu erzeugen steht die Wasserkraft abseits, wenn es um die politische und finanzielle Förderung geht. Dieser Ansicht ist Kai-Hendrik Schlusche, Vorstand der Naturenergie AG, dem nach eigenen Angaben deutschen Marktführer bei den reinen Ökostromhändlern. Der Strom, den Naturenergie verkauft, stammt ausschließlich aus Wasserkraftwerken vom Oberrhein. Alles in allem reicht der Wasserkraftstrom aus Südbaden für rund 400 000 Haushalte.
„Über Jahre hinweg haben alle Stromkunden mit dem Kohlepfennig den Bergbau in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland finanziert", beschwert sich Schlusche im Gespräch mit dieser Zeitung. Mit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) werde im größerem Umfang die Windkraft an norddeutschen Küsten subventioniert. Das neue Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung fördere tendenziell die Heizkraftwerke in Ballungszentren wie Rhein-Main oder auch in Stadtstaaten wie Berlin oder Hamburg.
Bei der Wasserkraft gebe es keinen einzigen politischen Ansatz, die sogenannten großen Wasserkraftwerke mit ihren über fünf Megawatt starken Turbinen zu fördern. Beim EEG seien solche Anlagen sogar explizit ausgenommen. Und bei Dumpingangeboten aus fragwürdigen osteuropäischen Kohle- und Kernkraftwerken seien die Wasserkraftwerke kaum wettbewerbsfähig. Das erschwere momentan auch die Planung für eines der größten deutschen Wasserkraftwerke. Das Werk in Rheinfelden soll mit einem Investitionsvolumen von rund 800 Millionen DM ausgebaut werden. Damit ließen sich nach Angaben von Schlusche weitere 140.000 Wohnungen mit Strom aus Wasserkraft versorgen.
Derzeit versorgt Naturenergie rund 150 000 Kunden mit Strom, 5000 mehr als im vergangenen Jahr. Der Umsatz lag in der ersten Jahreshälfte bei 18,5 Millionen DM. Für das Gesamtjahr wird ein Umsatz von 40 Millionen DM (Vorjahr: 29,9 Millionen DM) angestrebt, 4 Millionen DM mehr als bisher geplant. Nachdem Naturenergie im vergangenen Geschäftsjahr noch eine „Schwarze Null" auswies, liegt der Verlust des ersten Halbjahres 2001 bei 1,1 Millionen DM. Als Grund werden vor allem höhere Werbeaufwendungen angegeben. Naturenergie ist Trikotsponsor des Fußball-Bundesligisten SC Freiburg. Ein Gewinn ist für das Jahr 2004 geplant. (mir.)

Allgemeine Zeitung, 19.10.01 (gedruckte Wormser Ausgabe)
"Weite Teile des Landes verhunzt"
CDU löst mit Antrag Debatte um Windkraft aus
Rie. MAINZ - In breiter Anhörung soll das Thema Windkraft im rheinland-pfälzischen Landtag diskutiert werden darin waren sich die Parteien einig. Die CDU hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, die bauplanungsrechtlichen Privilegien und die Strompreissubventionierung der Windkraftanlagen durch eine Bundesratsinitiative zu streichen. Gleichzeitig regte die Oppositionspartei ein Konzept zur besseren Steuerung der Errichtung der Windkraftanlagen an. "Wenn nur auf den Vorrangflächen gebaut wird, haben wir 2000 neue Anlagen in Rheinland-Pfalz, die weite Teile des Landes verhunzen", schilderte Georg Gölter die Befürchtungen seiner Partei.
Wenn im Juni 2002 der Bundesbericht über die Kostenentwicklung bei Anlagen zur Stromerzeugung vorliege, könne über eine Initiative der Landesregierung zur Reduzierung der Einspeisevergütung entschieden werden, sagte Wirtschaftsminister Hans-Artur Bauckhage (FDP): "Dabei kann es aber nicht - wie im Antrag der CDU gefordert um eine Streichung der Mindestvergütung gehen."
Rudolf Franzmann (SPD) warf der CDU vor: "Wenn die sie Förderung abschaffen, können sie alles andere vergessen das ist ein Totschlagsantrag." Die Investitionen seien gewollt, denn keine andere alternative Energie habe im Moment den Wirkungsgrad wie Windkraft, sagte Bernhard Braun (Grüne).
In der Windenergie schlummere ein großes Potential zur Energieerzeugung, allerdings müsse die Akzeptanz der Bevölkerung langfristig aufrechterhalten bleiben, sagte Reinhold Hohn. Er regte für die FDP-Fraktion an, bauplanungsrechtliche Privilegien im Außenbereich von einer höheren Verwaltungsbehörde abhängig zu machen.
In einem weiteren Antrag legten SPD und FDP ihre Ziele fest: Der Anteil erneuerbarer Energien soll bis zum Jahr 2010 verdoppelt werden. Die Landesregierung wurde aufgefordert, diese Bemühungen zu unterstützen.

Allgemeine Zeitung, 15.10.01
Landrat stoppt Bau
Gegenwind für Windkraftanlagen wird stärker
LAUTERBACH/MAINZ (dpa) – Einen Bau-Boom bei Windkraftanlagen will der Vogelsberger Landrat Rudolf Marx (CDU) zum Schutz der Landschaft verhindern. „Das Problem liegt in der immensen Häufigkeit der Anlagen“, sagt Marx. Der Vogelsbergkreis sei mit rund 140 Windkraftanlagen Vorreiter, aber diese Entwicklung müsse aufgehalten werden. „Der Tourismus wird sonst Schaden nehmen“, da das Landschaftsbild mit den inzwischen bis zu 150 Meter hohen „Windmühlen“ stark beeinträchtigt werde, meint Marx. Im Vogelsbergkreis stehe knapp die Hälfte aller Anlagen in Hessen.
Der Landrat will gemeinsam mit einigen Kommunen erreichen, dass neue Standorte für die Windenergie, die in dem von der Regionalversammlung beschlossenen Regionalplan Mittelhessen ausgewiesen sind, wieder aus der Karte herausgenommen würden.
Marx kritisiert, dass für die Standorte keine Umweltverträglichkeits-Prüfungen gemacht worden seien. „Auf Fauna, Flora und letztlich auch die Menschen ist keine Rücksicht genommen worden.“ In vielen Orten hätten sich inzwischen Bürgerinitiativen gegen die Windkraftanlagen gebildet. Bei einer Bürgermeister-Dienstversammlung im Vogelsbergkreis am 23. Oktober werden sich, so Marx, die Rathauschefs mit der umstrittenen Windenergie befassen.
In Rheinland-Pfalz haben sich die CDU-Landtagsabgeordneten Walter Wirz und Guido Ernst gegen einen Ausbau von Windkraftanlagen ausgesprochen. Die Anlagen hätten sich ökologisch „mehr als Belastung, denn als Gewinn erwiesen“, erklärten die Abgeordneten in Mainz. Eine weitere Förderung mache keinen Sinn. Die negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Kosten stünden in keinem Verhältnis zur minimalen Einsparung von Kohlendioxid.

Allgemeine Zeitung, 11.10.2001
„Die Flächen müssen reduziert werden“
Landwirte wehren sich gegen großflächige Ausweisung von neuen Vogelschutzgebieten
RHEINHESSEN – Die Landwirte in Rheinhessen wehren sich gegen die großflächige Ausweisung von Vogelschutzgebieten im Land. Bei einem Krisengespräch mit Bauernverbänden sagte Landwirtschaftsminister Hans-Artur Bauckhage (FDP) seine Unterstützung im Kampf gegen befürchtete Bewirtschaftungsauflagen und Nutzungsbeschränkungen zu: „Die vorgesehenen Flächen müssen drastisch reduziert werden.“
Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Dix
Bei der geplanten Ausweisung legt das Umweltministerium eine EG-Richtlinie aus dem Jahr 1979 zugrunde. Es sei mehr als verwunderlich, dass 20 Jahre nichts geschehen sei und nun in einem Hauruckverfahren „quasi über Nacht“ neue Gebiete in großem Stil festgelegt werden sollen, kritisiert der Bauern- und Winzerverband (BWV) Rheinland-Pfalz Süd in einer Stellungnahme.
Der Verband lehne Vogelschutzgebiete nicht kategorisch ab, „aber wir wollen wissen, was hinterher passiert“, sagte BWV-Vizepräsident Ingo Steitz. Noch völlig unklar sei, welche Rechtsfolge eine solche Ausweisung auf die landwirtschaftliche Nutzung habe. „Es kann nicht sein, dass in einem Weinberg in Hanglage kein Starenschutz mehr möglich ist, dass keine Betonwege und keine landwirtschaftlichen Maschinenhallen mehr gebaut werden dürfen“, machte Wolfgang Janson, Vorsitzender des Kreisbauernvereins Alzey-Worms, seinem Ärger Luft.
Kritik üben die Landwirte auch an der Form des Verfahrens. Die Landwirtschaftskammer werde als einer unter vielen angehört, bemängelte Steitz: „Wir fühlen uns degradiert, wenn wir auf einer Liste irgendwo zwischen Telekom und EWR auftauchen.“ Reinhard Kappesser, Chef der Bauern im Landkreis Mainz-Bingen, forderte ein Mitspracherecht: „Die Landwirte als Eigentümer der Flächen wollen einen Vorsprung gegenüber denen, die nichts einbringen als Ideologie.“
Alfons Schnabel, Direktor der Landwirtschaftskammer, forderte eine Entschädigung für Eingriffe, die über die gute fachliche Praxis hinaus gehen. Auch der technische und biologische Fortschritt müsse dabei Berücksichtigung finden, fügte Gerhard Kneib, Vizepräsident der Kammer, hinzu: „Wir wissen schließlich nicht, was übermorgen auf dem globalen Markt von uns verlangt wird.“
Auch Minister Bauckhage sprach sich für eine finanzielle Entschädigung aus, wenn die Auflagen eine vernünftige Bewirtschaftung der Flächen unmöglich machen. Die Landwirte als Naturnutzer und Eigentümer müssten jetzt beteiligt werden. „Ich will einen Kabinettsbeschluss zu dem Thema“, sagte Bauckhage. Es müsse geprüft werden, ob Flächen für „Flora-Fauna-Habitat“ (FFH) mit Vogelschutzflächen übereinandergelegt werden könnten  –  und zwar ohne zeitliche Zwänge, denn, so der Minister, „ich lasse mich da nicht unter Druck setzen.“

Die Rheinpfalz, 10.10.01
Der Hintergrund: Stutzt Vogelschutz den Kommunen heftig die Flügel?
KIRCHHEIMBOLANDEN: Gemeinden und Städte befürchten Eingriffe bei Ausweisung von Bau- und Gewerbegebieten
Zwingen die Weihen, selten gewordene Greifvögel, viele Kommunen im Donnersbergkreis in den Entwicklungsstillstand? Die Sorge wird zumindest von den Verbandsbürgermeistern im westlichen Kreisteil sowie von der SPD-Kreistagsfraktion artikuliert, die von der angebahnten Ausweisung von Vogelschutzgebieten im Donnersbergkreis mit den Worten von Fraktions-Chef Erhard Luxem eine Kassierung der "durch die Autobahn eingeleiteten Aufwärtsentwicklung" durch "einseitige Interessen" befürchten. Das Umweltministerium und Vertreter der Landespflege halten dagegen solche Besorgnisse für überzogen.
Neben befürchteten Einschränkungen etwa der landwirtschaftlichen Nutzung greift in den Kommunen vor allem die Sorge um sich, dass der künftigen Baugebietsplanung schwere Steine in den Weg gelegt werden könnten in Gestalt zusätzlicher Umweltverträglichkeitsprüfungen mit ungewissem Ausgang oder erweiterteter Ausgleichs-Forderungen. Für die Verbandsgemeinde Rockenhausen etwa, deren Gebiet Bürgermeister Karl-Heinz Seebald nach bisherigen Entwürfen zu 70 Prozent betroffen sieht, befürchtet der Verwaltungs-Chef "unzumutbare Einschränkungen und damit Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Landstrichen". Die betroffenen Kommunen fühlen sich von der vorgesehenen Unterschutzstellung, die ganze Ortslagen mit einbezieht und vor allem im Westkreis auffallend großflächig ausfällt (siehe Grafik), zugleich auch überfahren. An den Kommunen vorbei seien die Entwürfe für Vogelschutzgebiete mit Vertretern der staatlichen Vogelschutzwarte, Experten aus ornithologischen Fachverbänden und fachkundigen Vertretern der Universitäten ausgetüftelt worden, und jetzt "sollten die Kommunen hierzu, ohne ausreichend Zeit für eigene Erhebungen zu haben, kurzfristig Stellung nehmen", rügt Luxem schon das Procedere.
Der Sorgen der Kommunen hat sich nach der öffentlichen Informations- und Anhörungsveranstaltung am 5. September in Rockenhausen auch Landrat Winfried Werner angenommen. In einer Stellungnahme gegenüber dem Umweltministerium fordert er die Aussparung von Ortslagen und baulichen Entwicklungsflächen sowie finanziellen Ausgleich im Falle von Einschränkungen für die Landwirtschaft. Auch sei zu vermeiden, dass bei Vorhaben innerhalb der Schutzflächen "die volle Palette der Umweltverträglichkeitsprüfung angewandt" oder Maßnahmen des Hochwasserschutzes beeinträchtigt würden.
Auslöser ist "Natura 2000"
Adressat von Kritik und Besorgnis ist zunächst das Umweltministerium, das jedoch mit seinem Vorgehen lediglich die Umsetzung von EU-Vorgaben ins Werk setzt. Es geht konkret um das EU-Programm "Natura 2000", mit dem bis 2004 ein europaweites ökologisches Netzwerk von Schutzgebieten aufgebaut werden soll. Bis Ende 2001 muss auch Rheinland-Pfalz Gebiete, die in Frage kommen, nach Brüssel melden. Bemerkenswert ist dabei, dass die Vogelschutz-Richtlinie eigentlich schon ein "alter Hut" ist. Sie ist seit 1979 in Kraft, und das ist rechtlich auch schon vor der Ausweisung von Schutzgebieten von Belang. Denn Flächen, die die Kriterien der Vogelschutzrichtlinie erfüllen, seien auch vor ihrer Ausweisung schon faktisch Vogelschutzgebiete, insofern werde deren Ausweisung erst Rechtssicherheit herstellen, streicht Torsten Kram, Pressesprecher des Umweltministeriums, einen deutlichen Vorteil für die Kommunen heraus. Umgekehrt könne die Herausnahme oder "Unterschlagung" von Flächen, die die Kriterien der Vogelschutzrichtlinie erfüllten, in Brüssel zur Streichung von EU-Fördermitteln führen, gibt Kram zu bedenken.
Auf die Sorgen in den Rathäuser hin hält der Sprecher des Ministeriums indes fest: "Keine Kommune wird in ihrer Entwicklung eingeschränkt." Die Vorstellung, dass nach Ausweisung der Schutzgebiete in den betroffenen Gemeinden planerisch nichts mehr passieren könnte, sei "absurd". Auch sei nicht zu befürchten, dass bereits genehmigte Baugebiete oder Bauwerke - etwa die Windkraftanlagen in der ebenfalls betroffenen Ilbesheimer Gemarkung - nun im Nachhinein in Frage gestellt werden könnten. "Was genehmigt ist, ist genehmigt", betont Kram den Bestandsschutz.
"Im Prinzip ist nichts zu befürchten", meint auch Rüdiger Viessmann vom Landespflegebeirat. Wenn jetzt eine Sicherung der vorgesehenen Gebiete erfolge, so sei das lediglich als eine Festschreibung des Status quo anzusehen. Insbesondere die Landwirtschaft habe nichts zu befürchten, wo sie ordnungsgemäß betrieben werde. Mitunter habe man ja der Landwirtschaft die Artenvielfalt, die noch besteht, zu verdanken, vermerkt Viessmann anerkennend und verweist etwa darauf, dass die Weihen bevorzugt in landwirtschaftlich genutzten Feldern brüten. Sollte sich eine Fläche als wertvoll erweisen, so dass eine Bewirtschaftung nicht möglich sei, so gebe es dafür Entschädigungen. Von Enteignungen könne dabei keine Rede sein.
Viel Unklarheit in Kardinalfrage
Was freilich kommt konkret etwa auf die Kommunen zu mit Umweltverträglichkeitsprüfungen, Auflagen und ähnlichem? Was konkret hat man sich vorzustellen unter dem "Schutzstatus", der mit der Ausweisung eines Vogelschutzgebietes verbunden sein soll? Hier sind die Auskünfte auffallend vielfältig. Auf der einen Seite ist die Rede davon, dass der Begriff "Schutzgebiet" eigentlich irreführend sei, da es nicht um das Installieren von Verbotstatbeständen gehe, sondern, positiv gefasst, um "Fördergebiete" für bestimmte Vogelarten. Von anderer Seite wird erwartet, dass die Vogelschutzgebiete einen ähnlichen Status haben werden wie Landschaftsschutzgebiete.
Die Rede ist auch davon, dass im Falle der Schutzgebietsausweisung der Weg des Vertragsnaturschutzes beschritten werde, unter dem sich die Landwirte zu bestimmter Bewirtschaftungsweise verpflichten sollen. Zu solcher Vielfalt passt die in einer Handreichung des Umweltministeriums der Frage "Welchen Schutzstatus werden die Gebiete erhalten?" erteilte Antwort, die eingangs ebenso viel- wie am Ende nichtssagend wirkt: "In Betracht kommen u.a. Festschreibungen im Gesetz, z.B. Anbindung an den gesetzlichen Schutz des § 24 Abs. 2 LPflG, oder Verordnungen. Eine Entscheidung dazu ist aber noch nicht gefallen." Viel Unklarheit in einer doch entscheidenden Frage!
Absehbar ist indes durchaus ein strukturiertes Procedere, in dem nicht jeder Planungsvorgang schlechthin mit Konsequenzen bedroht sein wird, sondern lediglich der in Belange des Vogelschutzes tatsächlich erheblich hineinwirkende Eingriff. "Alle erheblichen Beeinträchtigungen sind zu unterlassen", erklärte etwa auf RHEINPFALZ-Nachfrage Theo Jochum, juristischer Referent für Vogelschutz im Umweltministerium. Die Erheblichkeit leite sich dabei ab aus dem guten Erhaltungszustand des Gebietes und den Ansprüchen des Lebensraumes der betroffenen Vögel, erläutert Jochum weiter, dabei die mangelnde Präzision solcher Begriffe durchaus einräumend. Dem scheint immerhin zu entnehmen zu sein, dass nicht jede kommunale Planung automatisch eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung nach sich ziehen dürfte.
Mit dem gutachterlichen Votum der Landespflege, dass eine Erheblichkeit des Eingriffes nicht erkennbar sei, könnte das im jeweiligen Rathaus umgehende Gespenst schon gebannt sein. Und sollten Eingriffe bei der Fachbehörde größere Bedenklichkeiten auslösen, so sind diese auch über das Instrument des landespflegerischen Ausgleichs auszuräumen, so dass Baugebiete wohl in der Tat nicht von vornherein scheitern müssen. Allerdings lässt die Vagheit der Auskünfte doch viel Spielraum für Spekulation.
Wie geht es nun weiter? Die Vorschläge und die eingegangenen Anregungen werden zusammengestellt, gesichtet und gegebenenfalls revidiert, um bei einer EU-Konferenz für Kontinental-Europa im kommenden Jahr bewertet zu werden. Am Ende wird es dann erforderlich sein, das Resultat in nationales und Landesrecht umzusetzen. Da mag für die selten gewordenen Weihen - von der Kornweihe soll es nur noch ein oder zwei, von der Wiesenweihe nur noch zehn Brutpaare in Rheinland-Pfalz geben - noch die eine oder andere Brutsaison ins Land ziehen.
Von unserem Redakteur: Thomas Behnke,
RON - RHEINPFALZ ONLINE, Mittwoch, 10. Okt , 03:45 Uhr

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