01.12.01
Zehn Millionen in der Kreide
Fast alle Stromunternehmen in NRW klagen: Das Land zahlt Rechnungen nicht ganz. NRW. Zehn Millionen Mark schulden die NRW-Ministerien den Stromversorgern im Land, weil sie Ökostrom-Abgaben nicht mittragen wollen. Sie berufen sich auf Lücken in den Gesetzen zur Kraft-Wärme-Kopplung und zur Förderung erneuerbarer Energien. Unternehmen klagen bereits vor Gericht. Die Verbraucherzentrale NRW sagt: "Das Problem betrifft alle." Ob Firmen die Kosten allen Kunden berechnen dürfen, ist rechtlich nicht klar. (dae/NRZ)

30.11.01
Das Land stellt sich stur
NRW-Ministerien verweigern Ökostrom-Abgaben und fordern Geld zurück. DÜSSELDORF. Es geht um knapp einen Pfennig beim Stromverbrauch - doch der hat sich bereits auf zehn Millionen Mark summiert: Seit September sperren sich alle NRW-Ministerien und -Behörden, den Stromversorgern in NRW Ausgaben für Ökostrom auf der Rechnung zu erstatten. Und sie fordern die seit einem Jahr unter Vorbehalt gezahlten Beträge von den Unternehmen wieder zurück. Laut Verbraucherzentrale NRW betrifft das Problem allerdings auch "die ganz normalen Stromkunden."
Eine Frage der Interpretation
Denn: Ob die Energieunternehmen ihre Ökostrom-Kosten den Kunden tatsächlich berechnen dürfen, ist juristisch nicht geklärt, sagt Martin Steinästel, Energie-Referent der Verbraucherzentrale NRW. Im November 2000 hatten viele Energieversorger in NRW ihre Strompreise erhöht, nachdem die rot-grüne Regierungskoalition in Berlin Gesetze zur Förderung von Öko-Strom verabschiedet hatte. Die haben offensichtlich Lücken. So verpflichten das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz und das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien die Stromunternehmen bundesweit dazu, Strom aus Sonnenenergie, Windkraft oder Biogas-Anlagen abzunehmen, ins Stromnetz einzuspeisen und zu vergüten. Ob alle Strom-Kunden dies dann mitbezahlen müssen, sei aber "eine Interpretationsfrage", sagt Steinästel. Um die Kosten zu tragen, setzten etwa die Stadtwerke Düsseldorf ihren Stromkunden 0,9 Pfennig je Kilowattstunde mehr auf die Rechnung. Die Dortmunder Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser hatte vor einem Jahr die Preise ebenfalls erhöht - "zu Unrecht", findet Martin Steinästel. Er zahlt seine Stromrechnung seitdem "unter Vorbehalt" und überlegt sich Ähnliches wie Städtebauminister Vesper: Der hat für sein Ressort vor acht Wochen erlassen, die Ausgaben von der Rechnung abzuziehen und das bisher gezahlte Geld zurückzufordern. "Es gab keinen Grund für die Strom-Unternehmen, den Preis hochzusetzen", erklärt Mirjam Grotjahn, Sprecherin im Vesper-Ministerium. Jedenfalls nicht bei Sonderverträgen, wie sie etwa die Landes-Behörden abgeschlossen hätten. Grotjahn: "Da haben wir nun mal bestimmte Preise ausgehandelt und wollen jetzt nicht mehr als nötig bezahlen." Der aktuelle Stromvertrag des Ministeriums sei bereits Ende 1999 ausgehandelt worden und laufe bis Ende kommenden Jahres. Fest ausgehandelte Tarife - etwa Single- oder Family-Angebote - hätten auch einige Otto-Normal-Kunden im Land, sagt Martin Steinästel. Seines Wissens habe sich da allerdings bisher kaum jemand gefragt, ob mit den Öko-Abgaben alles rechtens sei. Für Steinästel muss solche Kosten nur tragen, "wer Strom nach einem allgemeinen Tarif bezieht." Auch Landesdienststellen wie Finanzämter und Justizbehörden bleiben derzeit Teile der Stromabrechnungen schuldig: "Bei uns lehnt das auch die Bundeswehr ab", sagt Werner Schui, Sprecher der Bonner Stadtwerke. Trotzdem: Auf den Rechtsweg mögen sich die Unternehmen nicht begeben. "Wir haben kein Interesse, juristisch vorzugehen", sagt etwa Petra Beardsley, Sprecherin der Düsseldorfer Stadtwerke. Zwar fordert ihr Unternehmen 2,8 Millionen Mark von Landes-Ministerien und Bundeswehr. Bisher sei es aber bei einem "freundlich formulierten Brief" an Minister Michael Vesper und Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping geblieben. Beardsley: "Wir wollen unseren Kunden keinen Ärger machen".
Wunsch nach einer "gütlichen Einigung"
Auch der Verband kommunaler Unternehmen - der unter anderem die 102 lokalen Stromversorgungsunternehmen in NRW vertritt - strebt vorerst eine "gütliche Einigung" an, sagt Justitiar Norbert Weigt. Kommende Woche ist ein Gespräch mit Vertretern von Schul-, Wirtschafts- und Städtebau-Ministerium geplant. Vor Gericht ist die Ökoabgaben-Frage bisher allerdings schon Thema: "Wir haben drei Klagen laufen", sagt Harald Fletcher, Sprecher der RWE Plus AG in Essen - von Unternehmen. Um welche Firmen es sicht handelt, mag Fletcher nicht sagen. Nach Auskunft von Norbert Weigt "laufen schon zig Klagen" wegen der Ökostrom-Abgaben - bundesweit. Die Bundeswehr macht anscheinend nicht überall Schwierigkeiten bei der Stromrechnung, wie in Bonn und Düsseldorf: Die Hildener Stadtwerke, die mit RWE zusammenarbeiten, erklären: "Bei uns wird schön und brav gezahlt." (NRZ)  DAGOBERT ERNST

Rot-grüne Stromschulden

vgl. auch RP vom 29.11.01