Verwaltungsgericht Oldenburg
4. Kammer, Az.: 4 B 1807/98
Beschluß
in der Verwaltungsrechtssache des Landwirts ..., Antragsteller
Prozeßbevollmächtigter: ...
gegen den Landkreis ... vertreten durch den Oberkreisdirektor ..., Antragsgegner:... beigeladen: ... Prozeßbevollmächtigte: ...
Streitgegenstand: Nachbarwiderspruch gegen Baugenehmigung für 2 Windenergieanlagen -Vorläufiger Rechtsschutz -
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 4. Kammer - am 1. Juli 1998 beschlossen:
Die Vollziehung der dem Beigeladenen durch den Antragsgegner unter dem 22. und 24. April 1997 erteilten Baugenehmigungen für die Errichtung und die Inbetriebnahme von zwei Windkraftanlagen auf dem Flurstück xxx der Flur yyy der Gemarkung zzz wird ausgesetzt.
Der Beschluß der Kammer vom 13. Mai 1998 wird damit gegenstandslos.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsgegner und der Beigeladene, dessen außergerichtliche Kosten nicht erstattungsfähig sind, je zur Hälfte.
Gründe
Der Antragsteller begehrt als Nachbar die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ausnutzung der im Tenor genannten Baugenehmigungen für zwei Windkraftanlagen mit Nennleistungen von jeweils 500 kW und Nabenhöhen von 65 m sowie Rotordurchmesser von 40,3 m (WEA 1 und 2), die in der Nähe von drei weiteren bereits vorhandenen (WEA 3 und 5) bzw. in Aufstellung befindlichen (WEA 4) Windenergieanlagen errichtet werden sollen. Die Abstände der genehmigten Standorte zu dem Wohngebäude auf dem Grundstück des Antragstellers betragen bei Zugrundelegung der im eingeholten Lärmschutzgutachten enthaltenen Übersichtskarte für die WEA 1 etwa 550 m und für die WEA 2 etwa 530 m.
Das Gericht wertet das Begehren des Antragstellers als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigungen gem. § 80a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO und geht davon aus, daß nicht wegen der Vorbereitungen für die Aufstellung der WEA 1 an einem vom Hofgrundstück des Antragstellers etwa 65 m weiter entfernten Standort darüber hinaus eine einstweilige Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO erstrebt wird. Ein solcher weitergehender Antrag ist nicht ausdrücklich gestellt worden. Der in der Antragsschrift unter 2. angeführte Antrag, die Unterbrechung der bereits begonnenen Arbeiten anzuordnen, bezog sich nach dem Verständnis des Gerichts auf eine Zwischenentscheidung; diesem hat das Gericht durch den Beschluß vom 13. Mai 1998 - der durch diese Entscheidung seine Erledigung findet, was im Tenor lediglich deklaratorisch festgestellt wird - entsprochen. Für einen den abweichenden Standort betreffenden Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung dürfte auch kein Rechtsschutzbedürfnis bestehen, nachdem der Antragsgegner im Laufe des gerichtlichen Verfahrens gegenüber dem Beigeladenen die Einstellung der Arbeiten an diesem Standort verfügt hat. Durch die eigenmächtig begonnene Versetzung der WEA 1 entfällt andererseits nicht das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an einer Entscheidung des Gerichts über die Aussetzung der für den genehmigten Standort ausgesprochenen Baugenehmigung, denn der Beigeladene will nach der nicht bestrittenen Erklärung des Antragsgegners die Anlage an dem genehmigten Standort errichten, sofern ihm für den abweichenden Standort keine Erlaubnis erteilt wird.
Der so verstandene Antrag ist begründet. Die vom Gericht gem. § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Entscheidung orientiert sich grundsätzlich an dem Ergebnis einer umfassenden Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes einerseits und an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung andererseits. Im Rahmen dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des erhobenen Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgebend. Das bedeutet im Fall eines baurechtlichen Nachbarwiderspruchs, daß dem Antrag in der Regel bereits dann zu entsprechen ist, wenn sich die angefochtene Genehmigung bei überschlägiger Betrachtung als rechtswidrig darstellt und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt, während umgekehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht kommt, wenn die Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes zu einer rechtlichen Beanstandung erkennbar keinen Anlaß gibt. Die erstgenannte Fallgestaltung liegt hier vor. Der Antragsteller wird nämlich durch die dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen aller Wahrscheinlichkeit nach in seinen Rechten verletzt. Diese Rechtsverstöße kann der Antragsteller nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Kammer den Vorhaben noch wirksam entgegensetzen, da ihm die Baugenehmigungen nicht bekanntgegeben wurden und er von den Bauvorhaben nach seiner Darstellung erst kurz vor Erhebung des Widerspruchs in der 13. Kalenderwoche des laufenden Jahres Kenntnis erlangt hat. Die gegenteilige Vermutung des Beigeladenen wird durch keine faßbaren Anhaltspunkte gestützt. Umstände, die eine Verwirkung nachbarrechtlicher Abwehrrechte begründet haben könnten, sind nicht ersichtlich. Der Widerspruch des Antragstellers gegen die Genehmigungen ist im übrigen beim Antragsgegner am 6. April 1998 und damit innerhalb der Frist erhoben worden, in der er selbst bei Eröffnung der Baugenehmigungen an ihn (ohne oder mit fehlender Rechtsbehelfsbelehrung) gem. § 58 Abs. 2 VwGO zulässig wäre.
Die angegriffenen Baugenehmigungen verstoßen aller Voraussicht nach gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, das im Außenbereich zu den öffentlichen Belangen i.S.d. § 35 des Baugesetzbuches - BauGB - i.d.F. v. 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2253), zuletzt geändert durch Ges. v. 18. August 1997 (BGBl. I S. 2081), gehört und auf das sich der Antragsteller hier wegen der nicht auf die unmittelbaren Nachbargrundstücke beschränkten Auswirkungen der geplanten Anlagen grundsätzlich berufen kann. Bei Ausnutzung der dem Beigeladenen erteilten Genehmigungen vom 22. und 24. April 1997 würden die Bewohner des Wohnhauses auf seinem Grundstück mit überwiegender Wahrscheinlichkeit "erheblichen Belästigungen" i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes - BImSchG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 10 Mai 1990 (BGBl. I S. 880) zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. April 1997 BGBl. I S. 805, 808), ausgesetzt sein, die zur Unzumutbarkeit der Vorhaben für den Antragsteller führen. Denn von Windenergieanlagen in der hier genehmigten Größe und Anzahl gehen wahrscheinlich Beeinträchtigungen aus, die im Ergebnis ihre Zulassung in dem hier in Rede stehenden Nahbereich zum Wohngebäude des Antragstellers generell ausschließen. Das vielfältige Störpotential von Windkraftanlagen hat die Kammer im Urteil vom 19. Juni 1997 - 4A 1851/95 - ZuR 1998, 40) wie folgt umschrieben:
"Zu diesen Beeinträchtigungen gehören zunächst G e r ä u s c h i m m i s s i o n e n. Das Gericht hat sich bei der Befassung mit einer Vielzahl von Windenergieanlagen im Laufe der letzten Jahre auch in Ortsterminen davon überzeugen müssen, daß technische Regelwerke die Beeinträchtigung durch die Geräusche nicht zutreffend erfassen vermögen. Bei den Anlagen ist regelmäßig ein dauernd an- und abschwellender Heulton wahrzunehmen, der bei stärkerer Windgeschwindigkeit lauter wird. Hinzu tritt ein schlagartiges Geräusch, das entsteht, wenn die Rotorblätter den Turm passieren. Die Belastung mit einem derartigen Dauerton, kombiniert mit herausgehobenen Einzeltönen muß als besonders störend empfunden werden. Sie bindet die Aufmerksamkeit des Hörers, der sich ihnen nur schwer entziehen kann. Deshalb sind die Geräusche geeignet, unabhängig von ihrer Lautstärke, die Konzentration auf anderes oder den Wunsch nach Entspannung nachhaltig zu stören (ähnlich OVG Münster, Beschluß vom 22.10.1996 - 10 B 2386/96 - GewArch 1997 S. 126 - BauR 1997, S. 279)."

Hinzu tritt der inzwischen sogenannte S c h a t t e n s c h l a g, den die Windenergieanlage verursacht und der Wohngebäude im Nahbereich empfindlich stört. Steht die Sonne nämlich hinter dem Rotor, dann laufen bei Betrieb bewegte Schatten über die Grundstücke. Sie verursachen dort je nach Umlaufgeschwindigkeit des Rotors einen verschieden schnellen Wechsel von Schatten und Licht. Durch Fenster sind diese Effekte auch in allen Wohnräumen wahrzunehmen, die der Windenergieanlage zugewandt sind, und zwar derart, daß diese Schatten durch den ganzen Raum wandern und von Wänden, Glasscheiben, polierten Holzflächen und dgl. widergespiegelt werden (so auch OVG Münster, a.a.O).

Gestört werden die Grundstücke im Nahbereich auch durch den Discoeffekt. Dabei wird Sonnenlicht von den Rotorflügeln als Blitzlicht reflektiert und auf die Grundstücke geworfen. Besonders lästig ist daran, daß diese Effekte in allen Wohnräumen auf spiegelnden Flächen vervielfältigt werden (so auch OVG Münster a.a.O.).

Ferner ergibt sich die Rücksichtslosigkeit im Nahbereich zur Wohnbebauung durch die Eigenart der Anlage. Sie zieht durch ihre Höhe und die Größe des Rotors ständig den Blick auf sich, zumal wenn sie in Bewegung ist. Das LG Düsseldorf hat die Störungen durch sich bewegende Objekte zutreffend wie folgt beschrieben (Urt. v. 5.3.1997 - 2 b O 39/97 - DWW 1997 S. 188):

"Ein sich bewegendes Objekt erregt in erheblich höherem Maße Aufmerksamkeit als ein statisches. Eine Bewegung wird erst recht registriert, wenn sie sich nicht direkt in der Blickrichtung des Betroffenen, sondern seitwärts von dieser befindet. Da das horizontale Gesichtsfeld beider Augen eines Menschen mindestens 180 Grad beträgt (Trotter: Das Auge, 7. Aufl. 1985, S. 156), gibt es also in Wohnräumen, die der Anlage zugewandt sind, kaum Möglichkeiten, sich so zu drehen oder zu wenden, daß sie nicht wenigstens am Rande des Gesichtsfeldes wahrnehmbar ist. Gerade an der Peripherie des Gesichtsfeldes ist die Wahrnehmung von Bewegungen verhältnismäßig besser und vor allem auffälliger als im Zentrum des Gesichtsfeldes (Trotter S. 149). Die Aufgabe des peripheren Sehens ist also gerade die Wahrnehmung auch schwacher Bewegungen oder Veränderungen im Umfeld. ..."

"Es nützt auch nichts, der Anlage den Rücken zuzuwenden, denn ihr Schatten bewegt sich durch die Wohnräume, ihre Lichteffekte spiegeln sich auf reflektierenden Flächen. Die Windenergieanlage bedrängt den Menschen also durch die stete Bewegung des Rotors, die - wie beschrieben - zwanghaft den Blick auf sich zieht und der man nicht ausweichen kann. Dies kann Irritationen hervorrufen; eine Konzentration auf andere Tätigkeiten wird wegen der steten, kaum vermeidbaren Ablenkung erschwert (vgl. LG Düsseldorf, a.a.O.). Dem Gericht erscheint es vorstellbar, daß dadurch auch psychische Erkrankungen hervorgerufen werden können, wie sie von den Klägern dieses Verfahrens substantiiert dargelegt wurden. Nicht nur bei hierfür besonders empfänglichen und empfindlichen Menschen wird die optische Wirkung der aus der Sicht des Betrachters "gewaltigen" sich drehenden Rotorblätter durch die von ihnen ausgehenden Geräuschbelästigungen verstärkt. Durch dieses Zusammenwirken können die Anlagen zumindest aus näherer Entfernung und insbesondere bei - hier häufig auftretenden - höheren Windgeschwindigkeiten, die sowohl zu einer höheren Umlaufgeschwindigkeit des Rotors als auch zu höheren Lärmwerten führen, subjektiv in besonderer Weise bedrohlich erscheinen, auch wenn objektiv eine Gefährdung nicht bestehen mag. (Allerdings ist bereits über Vorfälle berichtet worden, bei denen sich Rotorteile gelöst haben und erst in einiger Entfernung von der Anlage niedergefallen sind). Das Verschließen der Räume durch Rolläden ist als Gegenmaßnahme unzumutbar, da es dem Wohnen in geschlossenen Räumen gleichkommt, wodurch Gesundheitsstörungen, z.B. psychischer Natur, hervorgerufen werden können (ähnlich auch OVG Münster, a.a.O.).

Nicht zuletzt werden Grundstücke im Nahbereich von Windenergieanlagen durch sog. Eiswurf gefährdet ..." Die Kammer hat aus diesen Erwägungen, an denen sie festhält, in dem genannten Urteil unter Auswertung von Abstandserlassen verschiedener Bundesländer sowie unter Berücksichtigung von Entscheidungen anderer Gerichte den Schluß gezogen, daß eine Windenergieanlage, die nicht den auch im Runderlaß des Nieders. Innenministeriums vom 11. Juli 1996 - 39.1-32346/8.4 - Anhang 3) vorgesehenen Mindestabstand von 300 m zu einem einzelnen Wohnhaus einhält, wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme unzulässig ist. Das zitierte Urteil bezog sich auf eine einzelne Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von 53, 5 m (Nabenhöhe 35 m, Rotordurchmesser 37 m) und einer Rotorkreisfläche von 1.075 m2). Werden mehrere sowie größere Anlagen errichtet, so erhöhen sich die optischen und akustischen Auswirkungen der beschriebenen Phänomene und damit die Gefahr der Belästigung bis hin zu (psychischen bzw. psychosomatischen) Gesundheitsbeeinträchtigungen für Menschen, die sich im Wirkungsbereich der Anlagen aufhalten müssen, ganz erheblich. Einer solchen Gefahr kann wirksam nur durch eine Erhöhung der gegenüber einer Wohnbebauung einzuhaltenden Abstände begegnet werden. Wie groß diese Abstände sein müssen, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab und kann in diesem auf summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ausgelegten Eilverfahren nicht abschließend geklärt werden. Bei erster Würdigung der vorliegenden Unterlagen und Erklärungen spricht aber überwiegendes dafür, daß hier Abstände von 530 bzw. 550 m gegenüber dem Wohnhaus des Antragstellers nicht ausreichen. Für die vorzunehmende Bewertung kommt es nicht allein auf die akustischen Auswirkungen der streitigen sowie der in der Nähe bereits errichteten oder in Aufstellung begriffenen Anlagen an, auf die sich die Ausführungen der Beteiligten im wesentlichen beziehen. Angesichts der - wie beschrieben - gerade bei höheren Windgeschwindigkeiten besonders störend wirkenden Anlagengeräusche erscheint es der Kammer allerdings ohnehin zweifelhaft, ob sich das Maß des für den Nachbarn noch Zumutbaren bezüglich der von Windkraftanlagen ausgehenden Geräusche allein nach Lärmrichtwerten richtet, oder ob auch die Eigenart der Geräusche wertend zu berücksichtigen ist. Die akustischen Auswirkungen sind nur ein Element der Gesamtbetrachtung, die vor allem auch Eigenart der Anlagen sowie die verschiedenen beschriebenen optischen Wirkungen und ihre möglichen Folgen einbeziehen muß. Diese werden in ihrer Gesamtheit weder vom eingeholten Lärmschutzgutachten noch von Einzelerwägungen der Beteiligten zu anderen Phänomenen erfaßt. Die Auswirkungen der Anlagen potenzieren sich hier gegenüber dem im zitierten Urteil entschiedenen Fall nicht nur durch ihre Vielzahl, sondern auch durch die größeren Abmessungen gerade auch der hier genehmigten Anlagen. So liegt es auf der Hand, daß höhere Windkraftanlagen, insbesondere bei größeren Rotordurchmessern und damit größeren Rotorkreisflächen, nicht nur aus erheblich weiterer Entfernung deutlich sichtbar sind, sondern auch im mittleren und im Nahbereich in größerem Umfang als kleine Anlagen die Blicke der Betrachter auf sich ziehen und "bedrohlich" wirken. Ebenso ist offensichtlich, daß sich bei mehreren Anlagen das Störpotential erheblich erhöht, insbesondere wenn diese Anlagen vom betroffenen Nachbargrundstück aus gesehen nicht hintereinander, sondern nebeneinander angeordnet sind. So liegt es auch hier, denn die 5 vorhandenen oder genehmigten Windkraftanlagen gruppieren sich etwa in einem Viertelkreis um das Grundstück des Antragstellers, wobei lediglich die WEA 1 möglicherweise zum Teil durch die WEA 3, deren genaue Größe allerdings gegenwärtig noch nicht bekannt ist, überdeckt sein könnte. Aber selbst bei derartigen Überdeckungen ergibt sich eine Steigerung des Störungspotentials, da die unterschiedlichen Laufweisen der Rotoren der jeweiligen Anlagen zusätzlich Unruhe schaffen.
Angesichts der insbesondere von der Größe der jeweiligen Anlage sowie bei mehreren Anlagen von deren Anzahl und Anordnung abhängigen Auswirkungen auf die Nachbarschaft hält es die Kammer bei summarischer Betrachtung für sachgerecht, für die gegenüber der benachbarten Wohnbebauung einzuhaltenden Abstände auf eben diese Faktoren abzustellen. Die Kammer ist sich bewußt, daß sachverständige Äußerungen hierzu - soweit ersichtlich - nicht vorliegen und die zur Abstandsproblematik ergangenen Erlasse verschiedener Bundesländer (vgl. hierzu das Urteil vom 19. Juni 1997) eine solch weitgehende Differenzierung nicht treffen. Bei einer an den Anforderungen des Nachbarschutzes orientierten Betrachtung kann aber nicht nur der Gebietscharakter eine Rolle spielen, auf den diese Erlasse im wesentlichen abstellen, sondern es ist eine auch darüber hinausgehende Betrachtung des Einzelfalls geboten, die insbesondere an die genannten Faktoren anknüpfen muß. Eine Koppelung der Mindestabstände unmittelbar an die Anlagenhöhe (so auch Stüer/Vildumec, Planungsrechtliche Zulässigkeit von Windenergieanlagen, BauR 1998, 427, 440) ist dabei nicht nur praktikabel, sondern genügt dem Gedanken der Einzelfallgerechtigkeit auch mehr als die eher starren Regelungen der genannten Erlasse als Planungsvorgaben. Nach Stüer/Vildumec (a.a.O.) sollten die Mindestabstände "nach heutigen Erkenntnissen ... in der Größenordnung von 5 - 8 x Gesamthöhe der Anlage liegen". Unter Berücksichtigung der Erfahrung in anderen, die gleiche Problematik betreffenden Verfahren hält es die Kammer für sachgerecht, den Mindestabstand von Einzelanlagen gegenüber Wohngebäuden im Außenbereich zunächst auf das sechsfache der Gesamthöhe anzusetzen und bei mehreren auf ein Nachbargrundstück einwirkenden Anlagen Zuschläge unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls zu fordern. Dadurch wird nach den Erfahrungen der Kammer dem Schutzanspruch der Nachbarn vor unzumutbaren Belästigungen der oben beschriebenen Art regelmäßig genügt, wobei - abhängig von den Umständen des Einzelfalles - auch ein "Schutzpuffer" verbleiben kann. Die Einräumung eines solchen "Puffers" zugunsten des Nachbarn ist auch unter Nachbarschutzgesichtspunkten durchaus angebracht, da die tatsächlichen Auswirkungen einer Windkraftanlage im Planungs- und Genehmigungsstadium nur schwer abschätzbar sind und im Einzelfall sowie nach dem jeweiligen Erhaltungszustand auch variieren können. So kann sich etwa bei älteren Anlagen aufgrund des Verschleißes von Bestandteilen die Geräuschbelastung allmählich verstärken.
Ausgehend von diesen Überlegungen wäre für die hier umstrittenen Anlagen mit ca. 550 m (WEA 1) bzw. ca. 530 m (WEA 2) der erforderliche Mindestabstand eingehalten, denn er liegt jeweils unter dem sechsfachen der Gesamthöhe der Anlage, die sich aus der Nabenhöhe sowie der Hälfte des Rotordurchmessers errechnet. Sie beträgt hier etwa 85 m, so daß bei isolierter Betrachtung ein Abstand von nur etwa 510 m zur nächsten Wohnbebauung zu fordern wäre. Dabei bliebe jedoch unberücksichtigt, daß das Grundstück des Antragstellers bereits den Einwirkungen von zwei Anlagen (WEA 3 und 5) ausgesetzt ist, die auch in Zukunft betrieben werden, daß bei Ausnutzung der streitigen Erlaubnisse gleich zwei weitere Anlagen hinzutreten sollen und ferner, daß eine fünfte Anlage (WEA 4) mit noch weitaus größeren Ausmaßen (Nabenhöhe allein 99,8 m) bereits errichtet wird. Zwar kann derzeit nicht übersehen werden, ob die WEA 4, die Gegenstand eines Parallelverfahrens ist, für den Schutzanspruch des Antragstellers zu berücksichtigen ist. Aber auch unabhängig von dieser Anlage ist hier voraussichtlich ein Zuschlag auf das sechsfache der Gesamthöhe als Mindestabstand zu machen, der eine Genehmigungsfähigkeit hier ausschließt. Mit den Windenergieanlagen 1, 2, 3 und 5 wäre das Grundstück des Antragstellers dann zumindest 4 Windenergieanlagen in nur geringfügig unterschiedlichen Abständen ausgesetzt, die im südöstlichen bis südwestlichen Bereich vor seinem Grundstück, von diesem aus gesehen, ähnlich wie ein Viertelkreis gruppiert sind. Diese Situation rechtfertigt es nach der vorläufigen Einschätzung der Kammer, für die hinzutretenden Anlagen mindestens die siebenfache Gesamthöhe (595 m) - möglicherweise aber noch mehr - als Abstand zu fordern. Ob und inwieweit diese Abstände darüber hinaus nochmals zu erhöhen sind, wenn festgestellt werden kann, daß der Antragsteller auch die Auswirkungen der WEA 4 als der größten der für die Umgebung genehmigten Anlagen hinzunehmen hat, kann hier ebenfalls dahingestellt bleiben. Die hier offen gelassenen Feststellungen können erst in einem evtl. Verfahren zur Hauptsache mit der erforderlichen Sicherheit getroffen werden. Für den Fall, daß im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen die Erteilung von Änderungsgenehmigungen für weiter entfernte Standorte erwogen wird, sei vorsorglich darauf hingewiesen, daß wegen eventueller Gefährdungen (§ 1 Abs. 1 NBauO) durch Eiswurf, Umsturz der Anlage oder bei laufendem Betrieb abreißende Anlagenteile für die WEA 1 wahrscheinlich auch zur Achterhörner Straße ein weitaus größerer Abstand als 50 m (so die Genehmigung vom 22. April 1997) einzuhalten ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht für erstattungsfähig erklärt, da sie mit ihrer Rechtsposition unterlegen ist.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluß steht den Beteiligten die Beschwerde zu, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen worden ist. Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieses Beschlusses bei dem

Verwaltungsgericht Oldenburg, Schloßplatz 10, 26122 Oldenburg, zu stellen.
Der Antrag muß den angegriffenen Beschluß bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe darzulegen, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist (§ 146 Abs. 4 und 5 i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO n.F.). Der Antragsteller muß sich von einem Rechtsanwalt oder einem Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule oder einer nach § 67 Abs. 1 Sätze 3 bis 6 VwGO n.F. zur Vertretung berechtigten Person als Bevollmächtigten vertreten lassen.


Verwaltungsgericht Koblenz verhandelte am 11. Februar 1999 in Baumholder über Windkraftanlagen- Aktenzeichen: 7 K 1535/98.KO
Die Baugenehmigung ist rechtswidrig. Dies war die Kernaussage der Koblenzer Verwaltungsrichter in einer Verhandlung am 11.02.1999. Dabei ging es um eine Baugenehmigung aus dem Jahre 1996, die der Kreis Birkenfeld zur Errichtung und Betrieb von zwei Windkraftanlagen erteilt hat. Der Kreis hatte die Baugenehmigung unter der Auflage erteilt, daß die Anlagen nachts eine Lautstärke von 45 dB(A) nicht überschreiten dürfen, damit die Nachbarn nicht in ihrer Nachtruhe gestört werden. Messungen des Landesumweltamtes in Mainz haben nach Auffassung des Gerichts eindeutig belegt, daß der Nachtrichtwert nicht eingehalten wird. Dies wurde auch dadurch untermauert, daß der Anlagenbetreiber durch mehrere Nachbesserungen versucht hat, den rechtswidrigen Zustand zu verbessern. Die seinerzeit genehmigte Anlage, so daß Gericht, sei aber von vornherein nicht in der Lage gewesen, die notwendigen Werte einzuhalten. Die entsprechende Auflage in der Baugenehmigung sei darüber hinaus zu unbestimmt gewesen, um einen ordnungsgemäßen Betrieb ohne Störungen der Nachbarn zu gewährleisten. Schließlich hat das Gericht grundsätzlich die Schattenwurf- und Licht-Reflexionsproblematik bei Windkraftanlagen anerkannt und im vorliegenden Fall eine umfangreiche Beweisaufnahme durch Sachverständige angekündigt. Dies gilt auch für die gesundheitlichen Belastungen, die Nachbarn solcher Anlagen ausgesetzt sind. Das dieses Verfahren dann doch nach einem Verhandlungsmarathon von vier Stunden zunächst mit einem Vergleich geendet hat lag allein an prozessualen Gründen. Der Betreiber der Windkraftanlagen gab am Ende der Sitzung seine Baugenehmigung zurück und wird eine neue Genehmigung beantragen. Die Kläger dulden dafür zunächst für ein halbes Jahr den weiteren Betrieb der Anlagen. Die vom Gericht aufgeworfenen Fragen werden dann zu klären sein.
Insgesamt sollen noch einmal die wichtigsten Aspekte dieser Verhandlung festgehalten werden:
1. Eine Baugenehmigung für eine Windkraftanlage muß hinreichend bestimmt sein. Dies gilt auch für Auflagen zur Baugenehmigung bezüglich der Einhaltung von Lärmrichtwerten, Schattenschlag und Disco-Effekt. Allein die Feststellung, daß bestimmte Werte einzuhalten sind, reichen nicht aus. Die Baugenehmigung ist dann rechtswidrig.
2. Die gebaute und betriebene Windkraftanlage muß genau der Baugenehmigung entsprechen. Sollte dies nicht der Fall sein, wird z.B. der Nachtrichtwert überschritten, so ist die Baugenehmigung rechtswidrig.
3. Umgebaute Windkraftanlagen, etwa durch Einbau eines neuen Generatortyps, neue, modifizierte Rotorblätter oder neue Software zur Steuerung der Anlage, entsprechen nicht mehr der ursprünglichen, genehmigten Anlage. Eine neue Baugenehmigung ist zu beantragen. In der Folge könnten auch Nachbarn, die bislang keinen oder verspäteten Widerspruch eingelegt haben, wieder gegen die neue Baugenehmigung vorgehen.
4. Auch Nachbarn, die kein Rechtsmittel gegen die Baugenehmigung einlegt haben, haben einen Anspruch darauf, daß die in der Genehmigung festgelegten Werte eingehalten werden.
5. Schattenschlag und Disco-Effekt rücken neben der Lärmbelästigung bei der Beurteilung von Windkraftanlagen immer weiter in den Vordergrund. Entsprechende Untersuchungen sollen einen Nachweis über die tatsächlichen Auswirkungen bei betroffenen Nachbarn belegen.
Kläger: Karl-Heinz Gisch, Eschelbacher Hof, 55774 Baumholder, 06783 2232, Fax ...3,
Rechtsanwalt: Anwaltskanzlei Rolf Enders und Collegen, Kaiserstr. 101, 53113 Bonn, 0228 9140033, Fax 9140034. e-mail: Rolf.Enders@t-online.de