"Orientierung" für die grundsätzliche Beurteilung im Rahmen einer Einzelfallprüfung:

An Flomborn soll beispielhaft für alle anderen Standorte gezeigt werden wie "im Rahmen einer Einzelfallprüfung" mit Schutzgütern umgegangen wird. Mit dem Argument der "ausgeräumten Landschaft" versuchte ein Planungsbüro[i] in seiner landespflegerischen Stellungnahme (November 1997) die Belange des Landschafts- und Naturschutzes "auszuräumen". Einige fehler- oder mangelhafte Aussagen, auf die fristgerecht Bürger wie auch die Jagdgenossenschaft schriftlich hingewiesen hatten, wurden von den in der Pflicht stehenden Behörden nicht termingerecht bearbeitet. Die genannten Hinweise hätten der Behörde erneut Anlass geben müssen, Informationen beim Landesamt für Umweltschutz einzuholen. Dies hat die Behörde unterlassen. Ihr diente (genügte) besagte fehler- und mangelhafte Stellungnahme zur Wertung der Belange und schließlich zur Entscheidungsfindung.

Zitat: S. 2 Landschaftspotentiale und Beeinträchtigung bei Realisierung wurden unter Rubrik Landschaftspotential, Arten- und Biotopschutz, Punkt Bestand die Formulierung gebraucht: "Völlig ausgeräumte Ackerlandschaft ohne jeglichen Habitat" oder "Gebiet mit geringer bis fehlender Bedeutung als Lebensraum für Pflanzen und Tiere". Die "Beeinträchtigung" stufte man "gering" ein mit der eingeklammerten Bemerkung: (Bewertung mit Vorbehalt: evt. Gefährdung von Vogelzug wurde nicht untersucht).

Zitat: S.3 Landespflegerische Beurteilung des Planvorhabens: "Das geplante Vorhaben findet in einem völlig ausgeräumten Landschaftsausschnitt statt, der nur eine äußerst geringe Bedeutung für Flora und Fauna besitzt (Einschränkung s.u.). Die intensive landwirtschaftliche Nutzung trägt zu den unter Pkt. 3 geschilderten Belastungen von Boden, Grundwasser und Landschaftsbild bei. Während die Bedeutung des Gebietes als Bruthabitat sicher ausgeschlossen werden kann, ist sein Wert für den Vogelzug an dieser Stelle nicht abzuschätzen. Hierzu sind ausführliche Untersuchungen erforderlich, da insbesondere für den nächtlichen Kleinvogelzug ein erhöhtes Gefährdungspotential durch Windkraftanlagen in jüngster Zeit nachgewiesen wurde (Verlust von 46.0000 bis 100.000 Vögel pro 1000 MW und Jahr. Angegebene Quelle: Koop. B. (1997): Vogelzug und Windenergieplanung. in Naturschutz und Landschaftspflege 29 (7/97); S.202-207). Ende des Zitates.

Bedeutung und Entwicklungssziele führt das Landesumweltamt in der i. A. d. Ministeriums für Umwelt und Forsten in Rheinland-Pfalz erstellten Schrift "Planung vernetzter Biotopsysteme" für die offenen Agrarlandschaften des Landkreises Alzey-Worms (erschienen 1999) und des Donnersbergkreises (erschienen 1997), S. 40 aus.

"Die ackerbaulich dominierten Hochflächen sind Lebensraum von Grauammer, Korn- und Wiesenweihe."[ii]

Weite Teile des Donnersbergkreises, wie die Hochflächen der Alsenz-Höhen und des Lichtenberger Höhenrückens, die Kaiserstraßensenke und das Rheinhessische Tafel- und Hügelland sind offene Agrarlandschaften, in denen der Ackerbau dominiert. Am stärksten ausgedehnt ist der großräumige Agrarlandschaftcharakter[iii] im Osten (Rheinhessen), wo an den Tal- und Riedelrändern zusätzlich der Weinbau eine wichtige Rolle spielt.

Zu den charakteristischen Brutvögeln der offenen Agrarlandschaft im Kreis gehören u.a. Steinschmätzer, Schwarzkehlchen und Grauammer. Für diese Arten gehören die tieferen Lagen des Nordpfälzer Berglandes (Glan-Alsenz-Höhen) und das Rheinhessische Tafel- und Hügelland mit zu den großräumigen Verbreitungsschwerpunkten im südlichen Rheinland-Pfalz (vgl. u.a. SCHULTE 1993, KUNZ & SIMON 1987, RAUDSZUS & WÖRTH 1990). [...]

Als typische Arten für großflächig offene Agrarlandschaften[iv] mit Ackerflächen und weitgehend fehlenden höheren Gehölzstrukturen sind, neben der Grauammer, die Weihenarten (Wiesenweihe, Korn- und Rohrweihe) besonders herauszustellen. [...] Die Vorkommen von [S.41] Wiesen- und Kornweihe im Donnersbergkreis sind von landesweiter Bedeutung, da hier der größte Teil des rheinland-pfälzischen Brutbestandes vorkommt. Auch die Rohrweihe, deren Vorkommensschwerpunkt in Rheinland-Pfalz in den Röhrichtbeständen des Oberrheingrabens liegt, hat in den letzten Jahren vereinzelt in Getreideäckern der offenen Agrarlandschaft der Pfalz und Rheinhessens gebrütet (SIMON 1991). SCHULTE (1993) und ROTH (1993) sind Bruthinweise für die Agrarlandschaft in den Räumen Kriegsfeld im Norden und Höringen im Süden des Kreises zu entnehmen (s. a. Röhrichte und Großseggenriede)."[v] — In allen oben erwähnten Weihen-Gebieten wurden ohne vorherige Untersuchung Windkraftanlagen genehmigt. Die Korn- und Wiesenweihe werden unter Kategorie 1 der roten Liste als "vom aussterben bedroht" geführt. Rohrweihe, Grauammer u. a. gelten als hochgradig gefährdet.

"Das nordwestliche Rheinhessen ist eine großräumige offene Landschaft, [...] Landschaftstypisch sind die großen, an Gehölzen armen Agrarflächen der Plateaus [...] Die Ackerfluren auf den Plateaulagen sind aus faunistischer Sicht durch das Vorkommen vieler Vogelarten der Agrarsteppen einschließlich großer Rastvogelbestände bedeutsam."

Zur Sicherung der Lebensräume von zum Teil hochgradig vom Aussterben bedrohter Vogelarten wird empfohlen:"Erhalt und Entwicklung einer insgesamt offenen, mit Kleinstrukturen wie Obstbaumreihen, gras- und krautreichen Rainen und Wegrändern angereicherten Agrarlandschaft. Berücksichtigung der Lebensräume von Tierarten mit mittleren Raumansprüchen wie Grauammer, Wachtel, Schwarzstirnwürger und mit hohen Raumansprüchen wie Rohr-, Korn- und Wiesenweihe.

Freihalten der Landschaft von Freileitungen und Windkraftanlagen zur Sicherung der Rastplatzfunktion für durchziehende Vögel. [...] proritär ist die Sicherung von Offen- und Halboffenlandbiotopen, um die noch vorhandenen Restbestände der typischen wärmeliebenden Tierarten der rheinhessischen Kulturlandschaft zu erhalten."

In der Schrift Hinweise zur Beurteilung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen werden Gebiete genannt, in denen Windenergieanlagen nicht zulässig sind. Dazu zählen u. a. Landschafts-, Naturschutz- und Natura 2000-Gebiete (FFH- und Vogelschutzgebiete). Dennoch wurden dort Windenergieanlagen genehmigt und errichtet (vgl. Eifel, Schwarzstörche, Westerwald, Flomborn, Ilbesheim, Schallodenbach, Alsenz, Lettweilerhöhe, Kahlenberg bei Grünstadt usw.).

Es war seit längerem bekannt,[vi] dass die Hochebene zwischen Pfrimm, Alzey und Kirchheimbolanden als FFH-Schutzgebiet nach Brüssel gemeldet werden sollte. Das Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht hat die entsprechenden Unterlagen dazu beim Ministerium für Umwelt und Forsten eingereicht. Aus dieser Tatsache ist klar ersichtlich, dass besagte Hochebene ein wertvolles nach den FFH-Richtlinien schützenswertes Gebiet ist. Die Naturschutzverbände wissen, dass sich Naturschutz und Landwirtschaft nicht gegenseitig ausschließen. "Man wolle die Landwirte nicht von den Flächen verdrängen. Vielmehr seien viele Gebiete gerade deshalb schützenswert, weil sie wegen der Bewirtschaftung Tier- und Pflanzenarten ein geeignetes Umfeld bieten."[vii] — Demnach hatte man die Notwendigkeit längst erkannt, dass "ausgeräumte Offenflächen" sehr wichtige und schützenswerte Habitate sind. Die Naturschutzverbände kritisieren die "politisch motivierte Waldlastigkeit" der vorgeschlagenen Gebiete und sind aus gutem Grund überzeugt, dass gegen geltendes EU-Recht verstoßen wird.[viii]

In keiner Weise wurde dem sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden potentiellen Schutzanspruch eines Gebietes im Sinne der Fauna-Flora-Habitat-Richtli­nie Rechnung getragen, auf das § 1a Abs.2 u. § 1a Abs.2 Nr. 4 BauGB hinweist: "In der Abwägung nach § 1 Abs. 6 sind auch zu be­rücksich­tigen die Erhaltungsziele oder der Schutz­zweck der Gebiete von gemein­schaftlicher Bedeutung und der Europäischen Vogel­schutzgebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes; soweit diese erheblich beeinträchtigt werden können, sind die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über die Zulässigkeit oder Durchführung von derartigen Eingriffen sowie die Einholung der Stellungnahme der Kommission anzuwenden (Prüfung nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie)." Weder die Informationen der Planungsgemeinschaft noch die fragwürdige landespflegerische Stellungnahme berücksichtigen diesbezügliche EU-Richtlinien.[ix]

Die landespflegerische Stellungnahme spricht im Falle des geplanten Flomborner Windparks von einer "Vorbelastung", die aus dem Vorhandensein der drei bei Ilbesheim[x] stehenden Anlagen herleitet. Schon bei der Genehmigung der Windturbinen bei Ilbesheim wurden die gesetzlich geschützten Belange des Naturschutzes nicht beachtet. Wie sonst würde das Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht behaupten, dass bei Ilbesheim drei Windturbinen entstanden sind, ohne dass das Amt bezüglich der avifaunistischen Belange angesprochen wurde. Auch die in diesen Fall zuständige Behörde hat den Informationen der Planungsgemeinschaft wenig Bedeutung beigemessen und ist den gesetzlichen Regelungen nicht gefolgt. Die unterlassene Untersuchung verursachte überhaupt erst die "Vorbelastung", auf die sich nachfolgende "landespflegerische Stellungnahmen" berufen. Genau diese provozierte Vorbelastung soll nun die Unterlassung der in neuen Fällen notwendigen Untersuchungen rechtfertigen.


[i] Planungsbüro Dörhöfer in Engelstadt.

[ii] Planung vernetzter Biotopsysteme, Bereich Donnersberg 1997. S.194, siehe auch S. 238 ff. Biotopstrukturen der Ackerlandschaft u. "Ziel der Planung".

[iii] Im Original: Agrarlandschaftchararakter

[iv] Im Original: Agrarlandschaftschaften

[v] Anmerkung Trude Fuchs: Wie auch (im Jahr 2000) in der Gemarkung von Flomborn, Ober-Flörsheim und Stetten, in 2,5 km Entfernung zum Flomborner "Windparks". Von der dortigen Fläche wurden sie vertrieben!

[vi] Vgl. das 1996 von der UNI Kaiserslautern für die VG-Alzey-Land erstellte Gutachten. Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht, FFH Planentwurf Juni 1995.

[vii] Allgemeine Zeitung 25. März.2000. Vgl. weiter: Planung vernetzter Biotopsysteme, Bereich Donnersberg 1997. " Die Brutplätze der Weihen im Nordpfälzer Bergland und in Rheinhessen wurden von SIMON (1991) genauer erfaßt." Sowie: "Neue Daten zu Tagfaltern und Widderchen liegen mit der Tagfalterkartierung von A. WIDNER für 1993 in ausgewählten Offen- und Halboffenlandbiotopen des Kreises vor [...]; für einzelne Trockenbiotope Rheinhessens konnte die Kartierung [...] ergänzt werden."

[viii] Richtlinie 82/72/EWG vom 3. Dezember 1981 ueber den Abschluss des Uebereinkommens zur Erhaltung der europaeischen freilebenden Tiere und wildwachsenden Pflanzen und ihrer natuerlichen Lebensraeume; Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natuerlichen Lebensraeume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, sowie die nachfolgenden Änderungen ABl. L 107 24.04.97 S.1, ABl. L 305 08.11.97 S.42, 97/62/EG des Rates vom 27. Oktober 1997 zur Anpassung der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natuerlichen Lebensraeume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt; Richtlinie 97/49/EG der Kommission vom 29. Juli 1997 zur AEnderung der Richtlinie 79/409/EWG des Rates ueber die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutz-Richtline).

[ix] Deutsche Presseagentur (dpa/Landesdienst Niedersachsen) am15.08.2000, Energie/Naturschutz/Beschwerde gegen Windparks jetzt Teil von EU-Klage – Esens (dpa/lni) - Die EU hat eine Beschwerde von Naturschützern gegen Windpark -Standorte in Ostfriesland zum Bestandteil einer Klage gegen die Bundesrepublik gemacht. Das teilte die Generaldirektion Umwelt der EU der "Konferenz der Natur- und Umweltschutzverbände Ost- Friesland" in Esens (Kreis Wittmund) mit. Wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Schreiben hervorgeht, hat die EU-Kommission Anfang Juli beschlossen, wegen unzureichender Meldung von Vogelschutzgebieten Klage gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof zu erheben.

[x] Siehe dazu Planung vernetzter Biotopsysteme, Bereich Donnersberg 1997, Planungsziele.