8 S 318/00                                                                                                                                                                      Verkündet am 20.4.2000

Die Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

gez. Döbele, AI

VERWALTUNGSGERICHTSHOF
BADEN-WÜRTTEMBERG

Im Namen des Volkes
Urteil

 

In der Verwaltungsrechtssache

-Klägerin-

-Berufungsbeklagte-

prozessbevollmächtigt:

gegen

Land Baden-Württemberg,

vertreten durch das Landratsamt Göppingen - Baurechtsamt -,

Lorcher Straße 6, 73033 Göppingen, Az: II 1 B/99620064,

-Beklagter-

-Berufungskläger-

beigeladen:

Stadt Lauterstein,

vertreten durch den Bürgermeister,

Hauptstraße 75, 73111 Lauterstein,

prozessbevollmächtigt:

wegen

 Bauvorbescheides

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vi­zepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Rieger und die Richterin am Verwaltungsgericht Weckesser auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2000

für  R e c h t  erkannt:

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsge­richts Stuttgart vom 30. September 1999 - 6 K 6170/98 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, eine Gesellschaft für regenerative Energien, begehrt die Ertei­lung eines Bauvorbescheides zur Errichtung von vier Windkraftanlagen.

Am 11.10.1996 stellte die Klägerin eine Bauvoranfrage zur planungsrechtli­chen Zulässigkeit der Errichtung eines Windparks auf der Lützelalb im Ge­meindegebiet der Beigeladenen. Zunächst beabsichtigte sie, fünf dreiblättrige Windkraftanlagen der Klasse 1,5 MW mit jeweils 60 m Nabenhöhe und 63 m Rotordurchmesser sowie Nebenanlagen wie Trafostationen, Erdkabel und Zuwegung auf dem landwirtschaftlich ge­nutzten Grundstück Flst.Nr. 504 der Gemarkung Lauterstein-Weißenstein zu errichten. Nach einer Auskunft des Alb-Elektrizitätswerks Geislingen standen diesem Vorhaben jedoch netztech­nische Gründe entgegen. Am 6.8.1997 legte die Klägerin dem Landratsamt Göppingen daher eine geänderte Bauvoranfrage vor. Nunmehr ist geplant, vier Windkraftanlagen der Leistungsklasse 600 kW (Vestas V-44) mit 63 m Nabenhöhe und 44 m Rotordurchmesser zu errichten. Angaben der Klägerin zufolge beträgt die Fundamentfläche insgesamt 700 m2, die Länge der neu zu bauenden Schotterwege 300 m. Durch Verlegung und Rückbau ist bei der Zuwegung ein Einsparungspotenzial von 125 m gegeben. Die vier erforderlichen Trafostationen benötigen eine Grundfläche von je ca. 5 m2. Da die Übergabestation in Weißenstein gebaut werden kann, ist sie am Standort der Anlage nicht erforderlich. Die Strom- und Fernmeldeleitungen zu den Anlagen werden unterirdisch verlegt. Das zuständige Elektrizitätswerk erklärte am 20.6.1997, dass eine Einspeisung der vier Windkraftanlagen in das 20 kV-Netz zugelassen werden könne.

  Der Gemeinderat der Beigeladenen erteilte mit Beschluss vom 24.7.1997 sein gemeindliches Einvernehmen zu dem Vorhaben, allerdings unter den Bedingungen, dass diese Windkraftanlagen von keinem Haus der Tallage des Stadtteils Weißenstein aus sichtbar seien und die Lärmbelästigung durch die Rotorblätter selbst auf der Hofstelle Lützelalb nicht mehr als 37 dB(A) betrage.

Der Standort der geplanten Windkraftanlagen befindet sich im Außenbereich auf der Hochfläche der ca. 740 m über N.N. gelegenen Lützelalb. Die landwirtschaftlich genutzte Hochfläche, die weder unter Natur- noch Landschaftsschutz steht, ist von Wald umgeben. In ihrer südlichen Hälfte liegt eine von Sträuchern eingerahmte kleine Wasserfläche, die so genannte Hülbe, die als flächenhaftes Naturdenkmal ausgewiesen ist. Am Westrand der Hochfläche befindet sich ein Fernsehumsetzer. Die Hochfläche der Lützelalb bietet einen guten Fernblick. Dementsprechend ist sie auch von weither wahrnehmbar.

Die untere Naturschutzbehörde wandte sich mit Stellungnahmen vom 11.4.1997 und 15.10.1997 gegen die Bauvoranfrage. Die geplanten Standorte auf der mit Ausnahme eines ca. 40 m hohen Umsetzermastes durch Bebauung völlig unbelasteten Lützelalb seien stark exponiert. Die Anlagen würden daher aus Süden, Südwesten, Nordwesten und Südosten weithin sichtbar sein. Auch die Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Stuttgart sprach sich am 26.3.1998 gegen das Vorhaben aus. Der auf der Natürlichkeit, der Schönheit und der Vielfalt der freien Landschaft basierende Erholungswert der die Stadt Lauterstein umgebenden Landschaft werde durch die Windkraftanlagen stark beeinträchtigt. Zudem sei der nach Nr. 2.1 VwV-Windenergie vom 20.4.1995 erforderliche Mindestabstand von 200 m zur Lützelalb-Hülbe (Naturdenkmal Nr. 26/19) nicht eingehalten.

Auf Grund einer nach § 61 NatSchG erfolgten Weisung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.5.1998 lehnte das Landratsamt Göppingen die Bauvoranfrage mit Bescheid vom 23.6.1998 ab. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Außenbereichsanlagen beurteile sich nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB. Ebenso würden die Vorschriften des Naturschutzgesetzes über die Eingriffsregelung gelten. Unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege vom 26.3.1998 sei das geplante Vorhaben geeignet, das Landschaftsbild und den Erholungswert der Landschaft erheblich zu beeinträchtigen. Der Eingriff sei weder vermeidbar noch ausgleichbar. Das Vorhaben könne auch nicht nach § 11 Abs. 3 S. 1 NatSchG zugelassen werden, da überwiegende öffentliche Belange dies nicht erforderten. Dem Vorhaben stünden die Belange des Naturschutzes, die hier massiv beeinträchtigt seien, entgegen. Für das Vorhaben spreche zwar die Förderung einer umweltfreundlichen Energiegewinnung, eine Abwägung führe aber zu einem Überwiegen der Naturschutzbelange. Der vorgesehene Standort sei für Windkraftanlagen landschaftlich besonders unverträglich. Außerdem werde die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert beeinträchtigt sowie das Landschaftsbild verunstaltet. Bei der Abwägung sei zu Gunsten des Vorhabens seine Privilegierung berücksichtigt worden. Gleichwohl könne eine Baugenehmigung nicht in Aussicht gestellt werden.

Die Klägerin legte Widerspruch ein, den sie damit begründete, bei der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass mit der Errichtung und dem Betrieb der Windkraftanlagen keinerlei Verbrauch von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Naturgütern verbunden sei. Die Bodenversiegelung durch die Fundamente falle nicht ins Gewicht. Außerdem könnten die Anlagen nach Ablauf der technischen Lebensdauer vollständig zurückgebaut werden. Beeinträchtigungen der Tierwelt durch die Drehbewegungen der Rotorblätter und die von ihnen ausgehenden Geräuschemissionen seien an keinem Anlagenstandort festzustellen. Die mangelnde naturschutzrechtliche Ausgleichsfähigkeit des Vorhabens werde durch die Regelung des § 11 Abs. 3 S. 1 NatSchG überwunden.

Mit Bescheid vom 18.11.1998 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück.

Die Klägerin hat am 18.12.1998 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, das beklagte Land unter Aufhebung der Bescheide zu verpflichten, über die Bauvoranfrage i.d.F. vom 6.8.1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Ergänzend hat sie darauf hingewiesen, es sei bei der Abwägung zu bedenken, dass die technische Lebensdauer der Anlagen 20 Jahre betrage, danach würden die Windkraftanlagen nebst Nebenanlagen außer Betrieb gesetzt und zurückgebaut. Hierdurch würden sämtliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes in vollem Umfang ausgeglichen. Der geplante Standort selbst sei landschaftlich nicht besonders attraktiv. Soweit  hinsichtlich einer der Windkraftanlagen der in der VwV-Windenergie vorgesehene Abstand von 200 m zum Naturdenkmal Lützelalb-Hülbe nicht eingehalten werde, sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem vorgegebenen Abstand lediglich um einen Richtwert handle. Es fehle an einer Einzelfallprüfung durch die Behörde. Die optische Fernwirkung der Windkraftanlagen auf das Naturschutzgebiet „Kaltes Feld-Galgenberg“ stehe dem Vorhaben nicht entgegen. Denn das Naturschutzgebiet sei durch Skisprungschanzen, Skilifte und Gastronomiebetriebe erheblich vorbelastet. Überdies befinde sich ein großer Motor- und Segelflugplatz in der Nähe. Windkraftanlagen könnten wirtschaftlich sinnvoll nur an exponierten Standorten betrieben werden. Die optische Fernwirkung sei somit anlagentypisch und werde als regelmäßig auftretende Belastung von der Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gedeckt. Dies habe im Rahmen der behördlichen Abwägungsentscheidung keine Berücksichtigung gefunden.

Das beklagte Land hat Klagabweisung beantragt und zur Begründung im Wesentlichen die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden wiederholt.

Die beigeladene Stadt Lauterstein hat keinen Antrag gestellt, aber mitgeteilt, dass laut Auskunft des zuständigen Elektrizitätswerks aus technischen Gründen lediglich ein Windpark mit einer Einspeiseleitung von 1,5 MW an Stelle der bisher geplanten 2,4 MW gebaut werden könne. Die Berechnung berücksichtige Vorgaben einer überarbeiteten Richtlinie sowie den Umstand, dass in Stötten bereits eine Windkraftanlage vorhanden sei. Die Ökobilanz der Klägerin verschlechtere sich daher wesentlich.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 30.9.1999 der Klage stattgegeben. Das Vorhaben sei nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert, da es der Nutzung der Windenergie diene. Ein vernünftiger Bauherr würde - auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs - dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit gleicher Gestaltung und Ausstattung errichten. Das Vorhaben der Klägerin sei in diesem Sinne nicht  unvernünftig, auch wenn statt 2,4 MW nur 1,5 MW eingespeist werden könnten. Den Gegebenheiten des Stromnetzes könne durch technische Änderungen der Anlage Rechnung getragen werden. Die ausdrückliche Einbeziehung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in § 35 Abs. 3 BauGB habe zur Folge, dass ein Vorhaben bauplanungsrechtlich nicht zugelassen werden könne, wenn es im Hinblick auf die Vorschriften des Naturschutzrechts unzulässig sei. Bei der Abwägung nach § 8 Abs. 3 BNatSchG, § 11 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG habe das beklagte Land die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu Unrecht als im Rang vorgehend eingestuft. Auch wenn der Abwägung ein planerisches Element zukomme und das Gericht nicht selbst abzuwägen habe, halte die in den angefochtenen Bescheiden vorgenommene Gewichtung der für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Zu Unrecht werde davon ausgegangen, dass das für die Errichtung von Windkraftanlagen sprechende öffentliche Interesse an der Förderung umweltfreundlicher Energiegewinnung den Eingriff im Sinne von § 11 Abs. 3 S. 1 NatSchG erfordern müsse, obwohl § 8 Abs. 3 BNatSchG rahmenrechtlich bindend vorschreibe, dass ein unzulässiger Eingriff erst bei Vorrangigkeit der naturschutzrechtlichen Belange vorliege. Zum anderen habe das beklagte Land bei seiner Abwägung das sich aus der erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ergebende Gewicht unzutreffend bewertet. Denn es habe außer Acht gelassen, dass bei Standorten außerhalb von Schutzgebieten im Fall von ästhetischen Beeinträchtigungen der Landschaft durch ein Vorhaben eine Verunstaltung eintreten müsse, um die Privilegierung einer derartigen Anlage durch § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB überwinden zu können. Wie den angefochtenen Bescheiden zu entnehmen sei, gehe das beklagte Land selbst zwar von einer massiven Beeinträchtigung, nicht aber von einer Verunstaltung aus. Mithin erweise sich die vorgenommene Abwägung als fehlerhaft und könne daher die Ablehnung der Bauvoranfrage nicht stützen.

Gegen dieses Urteil hat das beklagte Land am 2.12.1999 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 3.2.2000 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache entsprochen hat. Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. September 1999    - 6 K 6170/98 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt es aus: Die Windkraftanlagen würden zu einer Verunstaltung des Landschaftsbildes im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB führen. Die Hochfläche der Lützelalb würde völlig ihres Charakters beraubt und um ihre Ruhe gebracht. Es finde sich dort eine Situation von karger Schönheit, die selbst auf der Alb eine Seltenheit sei. Maßgebend im Rahmen des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB sei nicht der enge Verunstaltungsbegriff des § 11 LBO, der dem Urteil des Verwaltungsgerichts zu Grunde zu liegen scheine. Die Windernergieanlagen verunstalteten zudem am konkreten Standort auch das Landschaftsbild im Mittel- und Fernbereich. Die Anlagen seien vom „Kalten Feld“ aus nicht nur mastenartig, sondern auch mit ihren Rotoren, von denen eine irritierende Wirkung ausgehe, zu sehen. Der aufgeschlossene Durchschnittsbetrachter werde die Anlage als grob unangemessen und damit als verunstaltend empfinden. Das Vorhaben beeinträchtige auch den Erholungswert der Landschaft. Die Besucher des Kalten Feldes erwarteten einen ungestörten Horizont und Fernblick. Mit der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB habe der Gesetzgeber keine Entscheidung über den konkreten Standort eines privilegierten Vorhabens getroffen. Windkraftanlagen im Binnenland wirkten eher in die Ferne als in der norddeutschen Tiefebene, da sie auf höhere Lagen angewiesen seien. Gleichwohl gebe es in der näheren Umgebung Standorte, die für die Errichtung von Windkraftanlagen geeigneter seien, da sie tiefer lägen als die Lützelalb und auch von einem Wald abgeschirmt würden. Die Gemeinde Lauterstein erwäge, in dem örtlich ca. 1,5 km entfernten Gewann „Schafhaus“ ein Vorzugsgebiet für Windkraftanlagen auszuweisen. 

Die Klägerin beantragt, 

die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht gehe zutreffend davon aus, dass ein privilegiertes Vorhaben im Außenbereich erst dann unzulässig sei, wenn es in ästhetischer Hinsicht zu einer Verunstaltung des Landschaftsbildes führe. Den geplanten Windkraftanlagen komme eine derartige  verunstaltende Wirkung aber nicht zu. Auf der Lützelalb herrschten die für eine landwirtschaftliche Intensivnutzung typischen Monokulturen vor. Die „Hülbe“ stelle sich dem botanischen Laien als mit einem Gestrüpp umgebener, stark veralgter und verschlammter Tümpel dar. Entgegen einer Behauptung des beklagten Landes würden sich die Rotoren der Winkraftanlagen auf Grund eines eingebauten Asynchrongeneratorgetriebes mit immer gleich bleibender Umdrehungszahl bewegen. Bei ansteigender Windgeschwindigkeit werde die Energieproduktion vergrößert. Die Rotationsfrequenz von 28 Umdrehungen pro Minute werde von einem Durchschnittsbetrachter nicht als störend empfunden. Der vom beklagten Land vorgeschlagene Alternativstandort sei nach ihren eigenen Ermittlungen und Berechnungen völlig ungeeignet, denn es stehe fest, dass der Betrieb von Windkraftanlagen dort aus ökonomischen Gründen unmöglich sei. Mit dem Vorschlag werde lediglich bezweckt, das vorliegende Bauvorhaben zu verhindern. Überdies habe das Elektrizitätswerk zwischenzeitlich mitgeteilt, dass die Einspeiseleistung nunmehr doch 2,4 MW betragen könne.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Ergänzend führt sie aus, dass der Verband Region Stuttgart zwischenzeitlich weitere, zur Winkraftnutzung geeignete Flächen ausgewiesen habe. Insbesondere der Bereich um das Schafhaus werde in jeder Hinsicht für geeignet erklärt. Ein Windpark auf der Lützelalb habe gravierende negative Auswirkungen und Beeinträchtigungen von Landschaft und Umgebung zur Folge. Hinsichtlich ihres früher erklärten gemeindlichen Einvernehmens habe sich die Geschäftsgrundlage verändert. Man wolle daher über das Einvernehmen erneut entscheiden.

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat vom Naturschutzgebiet „Kaltes Feld“ aus den Standort des projektierten Windparks in Augenschein genommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die dem Senat vorliegenden Akten verwiesen. 

Entscheidungsgründe

Die auf Grund der Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen unbedenklich zulässige Berufung des beklagten Landes ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über ihre Bauvoranfrage. Der Ablehnungsbescheid des Landratsamts Göppingen und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zutreffend hat das beklagte Land angenommen, dass die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides zur Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Windparks mit vier Windkraftanlagen auf der Lützelalb nicht möglich ist, da das Vorhaben gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt.

Der von der Klägerin auf einer Hochfläche im Außenbereich geplante Windpark ist als Vorhaben, das der Nutzung von Windenergie dient, gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB bevorrechtigt zulässig. Er kann gleichwohl nicht zugelassen werden, weil ihm die in § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB aufgeführten öffentlichen Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege entgegenstehen. Denn auch privilegierte Vorhaben sind nicht an jedem beliebigen Standort im Außenbereich zulässig; vielmehr gilt auch für sie der Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs.

Gemäß § 8a Abs. 2 S. 2 BNatSchG bleibt für Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB die Geltung der Vorschriften über die Eingriffsregelung unberührt. Damit gilt die der Rahmenvorschrift des § 8 BNatSchG entsprechende landesrechtliche Eingriffsregelung der §§ 10, 11 NatSchG. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 NatSchG ist ein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes u.a. bei der Errichtung von baulichen Anlagen im Außenbereich anzunehmen, die das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen. Eine erhebliche Beeinträchtigung liegt schon dann vor,  wenn die äußere Erscheinungsform der Landschaft nachhaltig verändert wird, wobei im Hinblick auf optische Beeinträchtigungen Erheblichkeit regelmäßig dann gegeben ist, wenn das Vorhaben als Fremdkörper in Erscheinung tritt und einen negativ prägenden Einfluss auf das Landschaftsbild hat (vgl. VGH Bad.-Württ., NuR 1992, 188 ff., 189 m.w.N.). Auch wenn die einzelnen Windkraftanlagen für sich betrachtet ästhetisch befriedigend wirken mögen und nicht allein wegen ihrer Neuartigkeit und dadurch bedingten optischen Gewöhnungsbedürftigkeit zu einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes führen können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.2.1991 - 4 B 10.91 -, NVwZ-RR 1991, 456 f., 457), steht bei dem konkret in Aussicht genommenen, in exponierter Höhenlage auf der Lützelalb gelegenen, Standort außer Frage, dass die vier je nach Rotorstellung bis zu 85 m hohen Windkraftanlagen von weit her sichtbar sein werden und sich deshalb störend auf das Landschaftsbild der bisher von Bebauung weitgehend freigehaltenen Albhochfläche auswirken und es erheblich verschlechtern werden. Dies hat der vom Senat eingenommene Augenschein nachhaltig bestätigt.

Der demgemäß vorliegende Eingriff ist nicht vermeidbar (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 NatSchG). Dabei ist der Begriff der Vermeidbarkeit nicht im naturwissenschaftlichen Sinn zu verstehen, da in tatsächlicher Hinsicht nahezu jede Beeinträchtigung vermeidbar ist. Die Vermeidbarkeit bezieht sich vielmehr auf die Frage, ob bei Verwirklichung des Vorhabens an der vorgesehenen Stelle erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft vermieden oder zumindest vermindert werden können. Werden die projektierten Windkraftanlagen auf dem vorgesehenen Standort aufgestellt, so ist dies ein Eingriff in Natur und Landschaft, der in diesem Sinne weder vermeidbar noch auch weiter minimierbar ist.

Ebenso wenig kommt ein Ausgleich gem. § 11 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG in Betracht. Für den Fall der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes stellen Maßnahmen immer dann einen Ausgleich dar, wenn durch sie in dem betroffenen Landschaftsraum ein Zustand geschaffen wird, der in gleicher Art, mit gleichen Funktionen und ohne Preisgabe wesentlicher Faktoren das optische Beziehungsgefüge den vor dem Eingriff vorhandenen Zustand in weitestmöglicher Annäherung fortführt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.9.1990 - 4 C 44.87 - BVerwGE 85, 348 ff = NVwZ 1991, 364 ff.). Hinsichtlich des optischen Erscheinungsbildes eines Windparks an einem bislang von jedweder Bebauung freigehaltenen  Standort ist ein solcher Ausgleich schlechterdings ausgeschlossen.

Gemäß § 11 Abs. 3 S. 1 NatSchG, bei dessen Auslegung und Anwendung die - insoweit bindende - bundesrechtliche Rahmenvorschrift des § 8 Abs. 3 BNatSchG heranzuziehen ist, kann jedoch auch ein nicht vermeidbarer und nicht ausgleichbarer Eingriff zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche Belange, insbesondere Zielsetzungen der Raumordnung und Landesplanung dies erfordern. Diese Abwägungsentscheidung ist eine „echte“, spezifisch naturschutzrechtliche Abwägung, die den allgemeinen Grundsätzen behördlicher Abwägungsentscheidungen unterliegt und insoweit nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.9.1990 - 4 C 44.87 - a.a.O. S. 362; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.3.1996,  - 5 S 1301/05 -, VBlBW 1996, 468 ff.). Sie unterscheidet sich damit wesensmäßig von der im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 BauGB erfolgenden, nachvollziehenden Abwägung. Während die Abwägung nach § 35 Abs. 1 BauGB als Vorgang der rechtlichen Subsumtion gerichtlich voll überprüfbar ist, kann das Gericht bei der naturschutzrechtlichen Abwägung nur kontrollieren, ob die zuständige Behörde die ihr aufgegebene Abwägung unter Berücksichtigung aller nach Lage der Dinge in Betracht zu ziehenden Belange vorgenommen hat und ob sie bei der Gewichtung und abschließenden Entscheidung von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 8 Abs. 3 BNatSchG in seinem Wortlaut auf ein bestimmtes Abwägungsergebnis abstellt und dadurch zugleich das besondere Gewicht der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zum Ausdruck bringt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.9.1990 - 4 C 44.87 -, a.a.O., m.w.N.). Der zur Privilegierung von Windenergieanlagen (Änderung des BauGB v. 30.7.1996, BGBl. I 1189) vorgelegte Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BT-Drucksache 13/4978, S. 7) bringt diese Rechtslage zureffend zum Ausdruck. Dort heißt es, dass unbeschadet der nach § 35 Abs. 3 BauGB gebotenen Prüfung bei jedem Vorhaben im Außenbereich die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung des § 8 BNatSchG anzuwenden sei. Dies könne auch zur Folge haben, dass bei unvermeidbaren und nicht voll ausgleichbaren Eingriffen eine Genehmigung zu versagen sei, weil die Belange von Naturschutz- und Landschaftspflege vorrangig seien.

Um Widersprüchlichkeiten bei der Anwendung der §§ 8 Abs. 3 BNatSchG, 11 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 NatSchG einerseits und § 35 Abs. 1 und 3 BauGB andererseits zu verhindern, muss das Ergebnis der behördlichen Abwägung im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung auch für die nachvollziehende Abwägung bei der Subsumtion unter die Rechtsbegriffe des § 35 Abs. 1 und 3 BauGB verbindlich (vgl. VGH Bad.-Württ., NuR 1992, 188, 190).

Diese Grundsätze hat das Verwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt. Zwar geht es zunächst ebenfalls vom zutreffenden rechtlichen Ansatz einer „echten“ behördlichen Abwägungsentscheidung und deren gerichtlich nur eingeschränkt möglichen Überprüfung aus, setzt sich dann aber über diese rechtlichen Vorgaben hinweg und trifft eine seinen eigenen Vorstellungen entsprechende Abwägungsentscheidung. Damit verkennt es den der Behörde zustehenden Abwägungsspielraum. Gleichzeitig wird der Charakter der Vorschrift des § 11 Abs. 3 S. 1 NatSchG i.V.m. § 8 Abs. 3 BNatSchG verfälscht. Zu Unrecht wird in diesem Zusammenhang dem beklagten Land vorgeworfen, es habe verlangt, dass das für die Errichtung von Windkraftanlagen sprechende öffentliche Interesse an der Förderung umweltfreundlicher Energiegewinnung den Eingriff „erfordern“ müsse. Denn insoweit gibt der Bescheid lediglich den Gesetzeswortlaut des § 11 Abs. 3 S. 1 NatSchG wieder, in dem ausdrücklich von „erfordern“ die Rede ist. Ebenso unrichtig ist es, wenn es im Urteil des Verwaltungsgerichts heißt, aus § 8 Abs. 3 BNatSchG sei zu entnehmen, dass bei Gleichwertigkeit der Belange kein unzulässiger Eingriff vorliege, sondern erst bei Vorrangigkeit der naturschutzrechtlichen Belange. Dabei bleibt nämlich unberücksichtigt, dass in § 8 Abs. 3 BNatSchG das besondere Gewicht der Belange von Naturschutz und Landschaftspflege zum Ausdruck kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.9.1990 - 4 C 44.87 - a.a.O., S. 362) und dass nach dieser Vorschrift gerade keine gebundene, sondern eine „echte“ Abwägungsentscheidung zu treffen ist.

Die ablehnende Entscheidung des beklagten Landes hält der - nach dem oben Ausgeführten - nur eingeschränkt möglichen - gerichtlichen Überprüfung stand. Rechtsfehlerfrei ist die Behörde von der Privilegierung der Windkraftanlagen gem. § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ausgegangen und hat die umweltfreundliche Energiegewinnung zugunsten des Vorhabens in ihre Abwägung einbezogen. Unter ausdrücklicher Wiedergabe der Stellungnahme der Bezirksstelle für Naturschutz- und Landschaftspflege hat sie diesen Gesichtspunkt den gegen die Errichtung des Windparks am vorgesehenen Standort sprechenden Gründe gegenübergestellt und letztlich unter Bezugnahme auf § 11 NatSchG entschieden, dass die exponierte Lage der Windkraftanlagen auf der Albhochfläche und ihre überaus große und auffällige Fernwirkung zu einem Überwiegen der Naturschutzbelange führe. Der Senat hat sich bei dem von ihm eingenommenen Augenschein von der Richtigkeit der Feststellung der Behörde zu den örtlichen Gegebenheiten und dem besonderen Reiz sowie der weitgehenden Unberührtheit der Landschaft überzeugt. Auch die behördliche, darauf aufbauende Abwägung und Gewichtung der Belange ist nicht zu beanstanden; eine Fehlgewichtung ist nicht feststellbar. Dass die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechende Entscheidung über die Bevorzugung eines Belangs notwendigerweise zur Zurückstellung anderer Belange führt, ist Wesensmerkmal jeder Abwägung.

Nicht haltbar ist dagegen weiterhin die das angefochtene Urteil tragende Ansicht, die Privilegierung der außerhalb eines Schutzgebiets gelegenen Windkraftanlagen könne nur überwunden werden, wenn diese das Landschaftsbild verunstalteten; dessen von der Behörde angenommene massive Beeinträchtigung genüge für eine Versagung des beantragten Bauvorbescheides nicht. Da vorliegend bereits die Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (§ 8a Abs. 2 S. 2 BNatSchG) zur bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit der Vorhabens führt, bedarf es nicht der Feststellung, ob über eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes hinaus (§ 10 Abs. 1 NatSchG) auch eine Verunstaltung vorliegt (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB). Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht offenbar übersehen, dass die Behörde im vorliegenden Fall tatsächlich auch eine Verunstaltung angenommen hat. Denn auf S. 4 des angefochtenen Bescheides heißt es ausdrücklich, dass das privilegierte Vorhaben das Landschaftsbild „verunstalte“. Auch diese Annahme hat der Augenschein des Senats nachhaltig bestätigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO; eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen kam nicht in Betracht, da diese keinen Antrag gestellt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich. 

Rechtsmittelbelehrung

 Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.

Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit  er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

Prof. Dr. Schmidt                             Rieger                           Weckesser

                                               B e s c h l u ß

Der Streitwert für das Verfahren wird auf 60.000,-- DM festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Prof. Dr. Schmidt                             Rieger                           Weckesser